Papst Franziskus ist Lateinamerikaner und schon diese Tatsache ließ mich nach seiner Wahl im März 2013 erhoffen, dass die Erfahrungen der Kirche in Lateinamerika und eine aus diesen Erfahrungen schöpfende Theologie in seinem Pontifikat einen besonderen Stellenwert bekommen. Die Option für die Armen und die besondere Hinwendung zu den diskriminierten Minderheiten sollte die Weltkirche anregen, endlich den ersten Satz der Pastoralkonstitution des Zweiten Vatikanischen Konzils „Gaudium et Spes“ in die Tat umzusetzen: „Freude und Hoffnung, Trauer und Angst der Menschen von heute, besonders der Armen und Bedrängten aller Art, sind auch Freude und Hoffnung, Trauer und Angst der Jünger Christi. Und es gibt nichts wahrhaft Menschliches, das nicht in ihren Herzen seinen Widerhall fände“ (GS, 1).
Die Position, die Kardinal Jorge Mario Bergoglio im Vorkonklave vertreten hatte und die ihn, meines Erachtens, zum neuen Papst machte, war ein eindrückliches, unübersehbares Zeichen für einen neuen Frühling, ein neues Pfingsten in der katholischen Kirche. Seine Worte haben zu einem radikalen Richtungswechsel in der katholischen Kirchen aufgefordert: „Die Kirche ist aufgerufen, aus sich selbst herauszugehen und an die Ränder zu gehen. Nicht nur an die geografischen Ränder, sondern an die Grenzen der menschlichen Existenz: die des Mysteriums der Sünde, die des Schmerzes, die der Ungerechtigkeit, die der Ignoranz, die der fehlenden religiösen Praxis, die des Denkens, die jeglichen Elends.“ Diese Worte ließen unsere Herzen jubeln und ich erinnerte mich unwillkürlich an die Zeit an der Universität Salzburg, als wir Theologen damals das erste Dokument des Konzils „Sacrosanctum Concilium“, die Konstitution über die Liturgie, mit einer unsäglichen Freude rezipierten, weil sie ein Zeichen dafür war, dass der Wunsch Johannes‘ XXIII. nach „Aggiornamento“ verwirklicht wird. Fenster wurden aufgerissen und ließen die Kirche frische Luft atmen. Der Weg zu einer wirklichen Teilnahme des Volkes an den liturgischen Handlungen stand offen, als die Feier in der jeweiligen Landessprache erlaubt wurde.
Bei seiner ersten Auslandsreise anlässlich des Weltjugendtages in Rio de Janeiro hat Papst Franziskus am 27. Juli 2013 die brasilianischen Bischöfe, insbesondere im Zusammenhang mit der pastoralen Situation im Amazonasgebiet aufgefordert, „mutig“ zu sein, um eine Kirche mit „amazonischem Antlitz“ heranreifen zu lassen: „Sean corajudos“ verdeutlichte er – ein Dialektausdruck aus seiner Heimatstadt Buenos Aires – und erklärte auch gleich, dass er damit die „parrhesia“ der Apostelgeschichte meine, also „Mut, Courage, Entschlossenheit, Beharrlichkeit, Kühnheit“.
Eucharistische Notlage
Bei der Privataudienz, die er mir im April 2014 gewährte, wiederholte der Papst dieses Wort. Er verriet mir, dass er daran sei, eine Enzyklika über eine „Humane Ökologie“ zu verfassen. Das war für mich der Anstoß, ihm über meine jahrzehntelangen Erfahrungen in Amazonien zu berichten. Ich wies auf die skrupellose Ausbeutung Amazoniens, der Mit-Welt so vieler unterschiedlicher indigener Völker und Migranten hin, die in ihrem physischen und kulturellen Überleben bedroht sind. Schließlich erklärte ich dem Papst, dass sich tausende katholische Gemeinden in Amazonien in einer „eucharistischen Notlage“ befinden, weil sie nur ein oder zwei Mal im Jahr einen Priester zu Gesicht bekommen und vielleicht nicht einmal das. Der Priester gehöre nicht zum Dorf, sei im Grunde kein Mitglied der Gemeinde, sagte ich ihm, sondern komme halt mal vorbei, wenn es ihm möglich ist. Wie oft haben mich Gemeindemitglieder selbst gefragt: „Wann kommst du wieder?“ und ich gab eine verlegene Antwort: „So bald als möglich!“. Oft vergingen Jahre, bis ich mein Versprechen einhalten konnte.
Der Papst hörte mir liebevoll zu und wiederholte, die Bischofskonferenzen sollten „mutige Vorschläge“ machen. Damals war noch keine Rede von einer „panamazonischen Synode“. Aber plötzlich fragte er mich, ob ich Vorschläge habe, wie diese Notsituation zu beheben sei. Und er selbst wies auf den verstorbenen Bischof Samuel Ruiz von San Cristobal de las Casas, Mexiko, hin, den ich persönlich kannte. Dieser habe mehr als hundert verheiratete indigene Männer zu Diakonen geweiht, die ihren Gemeinden vorstehen, aber die Eucharistie nicht feiern konnten, weil sie nicht die Priesterweihe empfangen haben. „Und warum?“ fragte mich der Papst. „Weil sie verheiratet sind!“, gab ich zur Antwort. Besonders überrascht war ich, dass Franziskus auch auf die Idee von Bischof Fritz Lobinger hinwies. Er nannte dessen Namen zwar nicht, sprach aber von einem „sehr interessanten Vorschlag“ eines Bischofs aus Südafrika. Lobinger, ein gebürtiger Bayer, war von 1987 bis 2004 Bischof von Aliwal in Südafrika. Sein Vorschlag ist, dass die Gemeinden von einem „team of elders“ geleitet werden sollen, die nur für ihre Gemeinde geweiht sind, nebenberuflich und befristet.
Als Franziskus am 15. Oktober 2017 bekannt gab, eine Panamazonische Synode einzuberufen, war diese Entscheidung für mich ein Meilenstein in der neueren Kirchengeschichte. Der Papst ernannte mich auch zum Mitglied des aus 18 Personen bestehenden vorsynodalen Rates. Zweimal war ich mehrere Tage in Rom, um an Sitzungen teilzunehmen, bei denen der Papst selbst anwesend war. Den Vorsitz führte allerdings Kardinal Lorenzo Baldisseri. Er war von 2002 bis 2012 Nuntius in Brasilien. Ich kannte ihn also. Er zeigte sich mir gegenüber stets reserviert, „satis episcopaliter“.
Schwieriges Unterfangen
Bei den Sitzungen merkte ich von Beginn an seine Skepsis und Ablehnung gegenüber den Vorschlägen, die ich und andere Bischöfe Amazoniens vertraten. Das Frauendiakonat oder die Abschaffung des Pflichtzölibats waren für ihn absolut kein Thema. Ich bekam das auch zu spüren, als ich mit ihm zusammen in Abwesenheit meines langjährigen Freundes, des verstorbenen Kardinals Claudio Hummes, 2018 eine Versammlung der Bischöfe des brasilianischen Amazonien in Manaus zu leiten hatte. Die Bischöfe sprachen dezidiert über diese Themen. Er aber weigerte sich, darauf einzugehen. Ich saß neben ihm und verspürte hautnah sein frostiges Unbehagen. Das ließ mich schon damals erahnen, dass die panamazonische Synode mit Baldisseri als Generalsekretär ein schwieriges Unterfangen sein würde. Ich wusste, dass wir gegen sein „Veto“ zu unseren Anregungen, die eigentlich der Papst von uns erwartete, zu kämpfen hatten.
Inzwischen gingen in den neun Ländern (Brasilien, Peru, Kolumbien, Venezuela, Ecuador, Bolivien, Guyana, Suriname und Französisch-Guyana), die Amazonien ausmachen, die Befragungen zur Synode über die Bühne. Papst Franziskus wollte schon im Vorfeld der Synode, dass wir keine „bischöfliche“ Analyse über die sozio-kulturelle, wirtschaftliche, politische und religiöse Realität vor Ort liefern, sondern die Leute selbst anhören. Nicht nur „sehen“, sondern „hören“ war die Devise. In der Apostolischen Konstitution „Episcopalis Communio“ forderte Franziskus dazu auf, die Bischofssynode solle „immer mehr zu einem bevorzugten Instrument des Hörens auf das Volk Gottes werden". Bei unserer ersten Versammlung des vorsynodalen Rates im April 2018, zusammen mit dem Papst, erarbeiteten wir daher einen Fragenkatalog, der an alle Bistümer Amazoniens gesandt wurde. Alle Bevölkerungsschichten sollten sich einbringen. Und das Resultat war wirklich ein Erfolg. Es gab über 87.000 Wortmeldungen und Beiträge für eine Amazonien angepasste Form der Evangelisierung und unseres pastoralen Einsatzes. Indios, Migranten, Quilombolas (Nachfahren der dunkelhäutigen Sklaven), alte und junge Leute in Stadt und Land, Akademiker und Analphabeten, ja selbst nicht-katholische Schwestern und Brüder meldeten sich zu Wort. Die Synthese aller Beiträge war schließlich die Grundlage für das „Instrumentum Laboris“, das der eigentlichen Synode im Oktober 2019 als Arbeitsdokument diente.
Die Synode tagte vom 6. bis 27. Oktober 2019 und hatte das Thema „Amazonien: neue Wege für die Kirche und eine ganzheitliche Ökologie“. Das Resultat unserer Debatten in den Plenarsitzungen und in intensiver Gruppenarbeit fand seinen Niederschlag im Schlussdokument. Über jeden Absatz wurde abgestimmt. Leider hatten aber nur die Bischöfe und einige Ordensobere Stimmrecht, obwohl so viele Frauen, vor allem Indigene, zur Synode eingeladen waren. Von den 35 Frauen, die an der Synode teilnahmen, hatte keine ein Stimmrecht, was große Irritationen auslöste.
Und dennoch gab es bei den Themen Frauendiakonat und verheiratete Priester verblüffende Resultate. In der Nummer 103 im Schlussdokument heißt es „Eine große Anzahl von Konsultationen forderte, das ständige Diakonat für Frauen einzurichten“. Die Abstimmung zu diesem Vorschlag war überwältigend. Weit mehr als zwei Drittel sprachen sich dafür aus. Ähnlich war es mit dem Anliegen, verheiratete Männer zu Priestern zu weihen. Unter Nummer 111 lesen wir: Wir „schlagen vor, dass die zuständige Autorität im Rahmen von ‚Lumen Gentium‘ Nr. 26 solche Kriterien und Ausführungsbestimmungen festlegt, nach denen geeignete und in der Gemeinde anerkannte Männer zu Priestern geweiht werden können. Diese sollten das Amt des ständigen Diakons wirksam wahrgenommen und eine angemessene Ausbildung zum Priesteramt erhalten haben, aber auch mit ihrer legitimen, stabilen Familie zusammenleben. So könnten sie durch die Verkündigung des Wortes und die Feier der Sakramente in den entlegensten Gebieten Amazoniens das Leben der christlichen Gemeinden aufrechterhalten“. Auch zu diesem Punkt sprachen sich mehr als zwei Drittel affirmativ aus.
Enttäuschte Erwartungen
Das mit Spannung erwartete nachsynodale Apostolische Schreiben des Papstes „Querida Amazonia“ (2. Februar 2020) war dann in Hinsicht auf diese mehr als von zwei Dritteln der Stimmberechtigten vorgeschlagenen Neuerungen (wenigstens für die Kirchen in Amazonien) so etwas wie eine eiskalte Dusche im tropisch-heißen Amazonien. Wenn Papst Franziskus auch gleich am Anfang den Sinn seines Schreibens erklärt, er wolle unser „Schlussdokument offiziell vorstellen. Es bietet uns die Folgerungen der Synode, an der viele Menschen mitgearbeitet haben, die die Problematik Amazoniens besser kennen als ich und die Römische Kurie, da sie dort leben, mit ihm leiden und es leidenschaftlich lieben“, so geht er nicht auf diese Themen ein, oder wenn er das tut, dann eher ablehnend, gerade im Hinblick auf das Frauendiakonat. Er spricht von mehreren Visionen, die er für Amazonien hat: die soziale, die kulturelle, die ökologische und die kirchliche Vision. Er spricht vom „Schrei Amazoniens“, von „Wegen der Inkulturation“, ja sogar von einer „Inkulturation der Dienste und Ämter“: „Es ist notwendig, dass der kirchliche Dienst so gestaltet wird, dass er einer größeren Häufigkeit der Eucharistiefeier dient, auch bei den Gemeinschaften, die ganz entlegen und verborgen sind. In Aparecida konnte man die Klage vieler Amazonasgemeinden hören, die ‚über lange Zeit die sonntägliche Eucharistiefeier entbehren müssen‘. Aber gleichzeitig werden Amtsträger gebraucht, die das Empfinden und die Kulturen des Amazonasgebietes von innen her verstehen können“ (n. 86). „Die Art und Weise der Gestaltung des Lebens und der Ausübung des Priesteramtes ist nicht monolithisch und nimmt an verschiedenen Orten der Erde unterschiedliche Ausformungen an“ (n. 87).
Mehr als zwei Drittel der stimmberechtigten Mitglieder sprachen sich für das Frauendiakonat aus. Im postsynodalen Schreiben heißt es dazu: „Jahrhundertelang hielten die Frauen die Kirche an diesen Orten mit bewundernswerter Hingabe und leidenschaftlichem Glauben aufrecht. Mit ihrem Zeugnis haben sie uns alle bei der Synode angerührt“ (n. 99). „Dies ist eine Einladung an uns, unseren Blick zu weiten, damit unser Verständnis von Kirche nicht auf funktionale Strukturen reduziert wird. Ein solcher Reduktionismus würde uns zu der Annahme veranlassen, dass den Frauen nur dann ein Status in der Kirche und eine größere Beteiligung eingeräumt würden, wenn sie zu den heiligen Weihen zugelassen würden. Aber eine solche Sichtweise wäre in Wirklichkeit eine Begrenzung der Perspektiven: Sie würde uns auf eine Klerikalisierung der Frauen hinlenken und den großen Wert dessen, was sie schon gegeben haben, schmälern als auch auf subtile Weise zu einer Verarmung ihres unverzichtbaren Beitrags führen“ (n. 100). Die Sichtweise, einen geschlechtsunabhängigen Zugang zu den heiligen Weihen mit einer möglichen Klerikalisierung der Frauen vermeiden zu wollen, ist für mich absolut nicht nachvollziehbar. Meine Erfahrung lehrt mich, dass genau das Gegenteil der Fall ist. Männer, Priester und Laien, sind viel mehr dazu geneigt, sich „klerikal“, also abgehoben vom „gewöhnlichen“ Volk Gottes, zu verstehen. Frauen kümmern sich wenig um einen besonderen Status in der Kirche, wollen aber wissen – und dies mit Recht – warum sie, die doch entschieden mehr Aufgaben in einer Gemeinde erfüllen als männliche Diakone das tun, von der „Weihegnade“ für ihren Dienst ausgeschlossen sind. Nur weil sie Frauen sind?
Gewaltiger Bruch im Textfluss
„Unter den besonderen Umständen Amazoniens, vor allem im tropischen Regenwald und in abgelegeneren Gebieten, muss ein Weg gefunden werden, um diesen priesterlichen Dienst zu gewährleisten. Die Laien können das Wort verkünden, unterrichten, ihre Gemeinschaften organisieren, einige Sakramente feiern, verschiedene Ausdrucksformen für die Volksfrömmigkeit entwickeln und die vielfältigen Gaben, die der Geist über sie ausgießt, entfalten. Aber sie brauchen die Feier der Eucharistie, denn sie ‚baut die Kirche‘ auf und daraus folgt, dass die christliche Gemeinde ‚aber nur auf erbaut [wird], wenn sie Wurzel und Angelpunkt in der Feier der Eucharistie hat‘. Wenn wir wirklich glauben, dass dies so ist, ist es dringend notwendig zu verhindern, dass den Amazonasvölkern diese Nahrung des neuen Lebens und des Sakraments der Versöhnung vorenthalten wird“ (n. 89).
Als ich diesen Absatz das erste Mal las, wurde ich geradezu euphorisch, weil ich dachte: „Jetzt kommt’s!“. Aber meine Freude entschwand schon bei der Lektüre der nächsten Sätze. Der Papst appelliert an die Bischöfe, „großzügiger zu sein und diejenigen, die eine missionarische Berufung zeigen, dazu zu bewegen, sich für das Amazonasgebiet zu entscheiden“ (n. 90). Die Lösung des Problems scheint also darin zu bestehen, Priester für Amazonien aus aller Herren Länder zu „importieren“, anstatt einheimische Berufungen zu fördern, die „das Empfinden und die Kulturen des Amazonasgebietes von innen her verstehen“, weil sie ja selbst dort geboren sind und die Kultur ihres jeweiligen Volkes mit der Muttermilch aufgesogen haben.
Ich werde den Eindruck nicht los, dass dieser Absatz einen gewaltigen Bruch zu alldem darstellt, was der Papst in den Absätzen zuvor geschrieben hat. Was ist hier passiert? Es scheint beinahe, dass jetzt jemand plötzlich protestiert und „Stopp“ gebrüllt hat: „Am Pflichtzölibat wird nicht gerüttelt! Auch nicht in Amazonien!“. Dabei ist es meine in Jahrzehnten gewachsene Überzeugung, dass bei den indigenen Völkern ein Zölibatsversprechen als Voraussetzung für die Priesterweihe absolut nicht verstanden wird. Aufgrund eines kirchlichen – und nicht göttlichen – Gesetzes wird hier jede Form von Inkulturation des priesterlichen Amtes schon im Keim erstickt. Indigene Priester sollte es also nur geben, wenn sie sich für ein zölibatäres Leben entscheiden, auch wenn ihr eigenes Volk das absolut nicht versteht. Nie vergesse ich, als mich der Kazike der Kayapó-Indios bei einem meiner ersten Besuche in seinem Dorf fragte, wo meine Frau sei. Ich antwortete: „Iprô kêt“ – Ich habe keine Frau. Er war überrascht und zeigte sogar ein bisschen Mitleid mit mir. Bei anderen Besuchen antwortete ich dann etwas behutsamer: „Iprô onij“ – Meine Frau ist weit, weit weg. Ich muss gestehen, diese Antwort war eine leere Phrase, irgendwie eine Ausflucht, in der Absicht einen Themenwechsel zu provozieren.
Warum hat sich Papst Franziskus geweigert, die mit mehr als einer Zweidrittelmehrheit von der Synode verabschiedeten Vorschläge zu approbieren, wenn auch noch nicht für die gesamte Weltkirche, so doch wenigstens für die Kirchen in Amazonien? Warum hat er eine panamazonische Synode als Forum einberufen, um „neue Wege für die Kirche“ zu suchen und dann plötzlich einen Riegel vorgeschoben? Warum wollte er von Anfang an „mutige Vorschläge“ seitens der Bischöfe Amazoniens? Es ist wohl leichter über eine „ganzheitliche Ökologie“ zu debattieren als über Strukturveränderungen innerhalb der Kirche! Warum hatten bei der Synode Kurienkardinäle und andere Kardinäle und Bischöfe, die Amazonien und seine Probleme gar nicht kennen, Stimmrecht, während den an der Synode teilnehmenden Frauen aus Amazonien bis zuletzt das Stimmrecht versagt blieb?
Es kommt mir so vor, dass der Unterschied der gerade laufende Weltsynode zur panamzonischen Synode nur der ist, dass es sich nun um eine weltweite Umfrage handelt und die von uns angesprochenen Themen eben in allen katholischen Diözesen der Welt diskutiert und Vorschläge gemacht werden. Ich möchte nicht pessimistisch sein, aber es fällt mir schwer zu glauben, dass Papst Franziskus nun schon mit mehr als 86 Jahren den Mut aufbringt, beispielsweise den Pflichtzölibat aufzuheben. Eher glaube ich noch daran, dass vielleicht doch ein Weg gefunden wird, um das Frauendiakonat in der katholischen Kirche einzuführen. Leider ist mit der panamazonischen Synode eine große Chance vertan worden, diese zwei Forderungen wenigstens „ad experimentum“ für Amazonien positiv zu erfüllen. Für die nächste Synode wäre damit bereits eine Voraussetzung da, weltweit darüber nachzudenken, die Erfahrungen in Amazonien zu evaluieren und dann für ähnlich situierte Regionen dieselben Reformen zuzulassen.
Kardinal Christoph Schönborn hat einmal gesagt, „die Hoffnung stirbt nicht zuletzt, sondern sie stirbt überhaupt nicht“. Dem stimme ich voll zu. Die Kirche wird nicht zusammenbrechen. Ich kann keine Prognosen stellen, aber ich erinnere mich an die Wahl von Papst Johannes XXIII. Die ganze Welt sprach von einem „Übergangspapst“, der nur ganz kurz regieren wird. Und welch einen Übergang hat er geschaffen, als er am 25. Jänner 1959 das Zweite Vatikanische Konzil in der Basilika San Paolo fuori le mura einberufen hat! Die anwesenden Kardinäle hielten den Atem an. Ein eisiges Schweigen folgte und dann begannen die Herren im Purpur untereinander zu murmeln: „Unmöglich! Das wird ein Desaster für die Kirche!“ Und dennoch, das Konzil begann am 11. Oktober 1962 und wurde, trotz aller Unkenrufe aus der Römischen Kurie das entscheidendste kirchliche Ereignis des 20. Jahrhunderts, das der Kirche ein neues Antlitz gegeben hat. Bis heute sind leider noch nicht alle Entscheidungen dieses Konzils in allen Diözesen angekommen. Aber die Kirche ist eine andere geworden. Der Geist Gottes wird auch in unserer Zeit nicht aufhören, neue Wege aufzuzeigen. Es ist sicher noch nicht aller Tage Abend.