Bartholomä Herder: Die Gründung des Verlags
Das erste „Herder-Buch“ verlegt Bartholomä Herder bereits 1798 in Rottweil: eine „Reichstaatsrechtliche Untersuchung“. Offiziell gründet er dann als Hofbuchhändler des Konstanzer Fürstbischofs Karl Theodor von Dalberg im Jahr 1801 in Meersburg am Bodensee den Verlag Herder. Sein erklärtes Ziel ist es, „durch Verbreitung guter Schriften in das Leben einzugreifen“ – ein Anspruch, dem das Unternehmen bis heute treu bleibt.
Neben Publikationen aus den Bereichen Theologie und Kirche etabliert Bartholomä Herder ein eigenes Schulbuchprogramm. Infolge der Säkularisation und der damit verbundenen Auflösung des Fürstbistums Konstanz sucht der junge Verleger neue Zukunftschancen für sein Unternehmen und siedelt als „akademischer Buchhändler“ in die Universitätsstadt Freiburg im Breisgau über, wo der Verlag seither seinen Stammsitz hat.
Bartholomä Herder war kein theologischer Verleger in engerem Sinn. Als dynamischer Unternehmer im Jahrhundert der Aufklärung lebend und für den geistigen Fortschritt seiner Zeit aufgeschlossen, beschäftigt ihn u. a. die Reformbewegung in der katholischen Welt. So enthält sein Verlagsprogramm, das mit einer „Geistlichen Monatsschrift“ begann, neben einer Reihe von theologischen und religiösen Werken auch die berühmte „Allgemeine Geschichte vom Anfang der historischen Kenntnis bis auf unsere Zeit“ (9 Bände) des liberalen Historikers Carl von Rotteck.
Bemerkenswert in seinem Programm sind eine Bilderbibel mit 200 Kupferstichen und eine „Systematische Bilder-Galerie zur allgemeinen deutschen Real-Encyclopädie“ mit rund 4000 Abbildungen auf 226 lithographischen Tafeln, aber auch kartographische Werke, so ein „Atlas von Centraleuropa“, ein „Atlas von Südwest-Deutschland“ oder die „Rheingränzkarte“. Für solche Projekte lässt Bartholomä Herder seine Zeichner, Lithographen, Stahl- und Kupferstecher aus dem Umland auf eigene Kosten ausbilden und dann in seinem Freiburger „Kunstinstitut“ arbeiten.
1815 nimmt Bartholomä Herder im Auftrag von Fürst Metternich am Frankreich-Feldzug gegen Napoleon teil und gibt eine „Feldzeitung“ heraus. Während der Friedensverhandlungen befindet er sich in Paris, während des Wiener Kongresses in der Donaumetropole. Dabei übernimmt er auch diplomatische Aufgaben. Als Bartholomä Herder am 11. März 1839 stirbt, hat er das Modell eines weitgefächerten „Universalverlags“ skizziert, an dem sich sein Sohn Benjamin und die nachfolgenden Generationen immer wieder orientieren.
Benjamin Herder: Eine Stimme im Kulturkampf
Benjamin Herder übernimmt 1839 einundzwanzigjährig von seinem Vater den Verlag. Er führt das Unternehmen sicher durch die Wirren von Badischer Revolution und Kirchenstreit und schärft dessen katholisches Profil in den Jahren des Kulturkampfes. Benjamin Herders innere Überzeugung ist in einem Ausspruch überliefert: „Nicht um Gelderwerb ist es mir zu thun, sondern um Förderung der Wissenschaft und guten Sache.“
Bedeutende theologische Werke erscheinen in dieser Zeit, so das erste „Kirchenlexikon“ von H. J. Wetzer und B. Welte in 13 Bänden – Vorläufer des heutigen „Lexikons für Theologie und Kirche“, C. J. von Hefeles „Conciliengeschichte“ in 9 Bänden oder die 16-bändige „Geschichte der Päpste seit dem Ausgang des Mittelalters bis 1799“ von Ludwig von Pastor. Das „Conversations-Lexikon“ (1853), aus dem später der „Große Herder“ hervorging, die Vorarbeiten zum „Staatslexikon“ der Görres-Gesellschaft, „Die Bibliothek deutscher Klassiker für Schule und Haus“ sowie die Anfänge des „Schott-Messbuches“ fallen ebenfalls in diese schöpferische Ära, in der auch die „Literarische Anstalt“ (Buchhandlung Herder) in Freiburg sowie Firmen in Straßburg, München, St. Louis (USA) und Karlsruhe gegründet werden.
Am 1. Mai 1886 eröffnet der Verleger schließlich auch in Wien eine eigene Filiale unter dem Namen „B. Herders Verlag - Buch- und Kunsthandlung“.
Hermann Herder: Kontinuität und Aufbruch in die Moderne
Nach Benjamin Herders Tod 1888 geht die Verlagsleitung an dessen Sohn Hermann Herder. Er sollte den Verlag durch eine Zeit großer geistiger und gesellschaftlicher Umwälzungen sowie heftiger innerkirchlicher Kontroversen in das 20. Jahrhundert hinüberführen.
Das Unternehmen ist bis dahin auf 180 Beschäftigte angewachsen und bringt 1889 im Auftrag der Görres-Gesellschaft das „Staatslexikon“ heraus. Das fremdsprachige Programm wird vor allem mit englischen und spanischen Titeln ausgebaut. Der Archäologe Joseph Wilpert veröffentlicht sein aufsehenerregendes Werk „Die Malereien der Katakomben Roms“ und „Die römischen Mosaiken und Malereien der kirchlichen Bauten vom 4. bis 13. Jahrhundert“.
1910 legt Hermann Herder den Grundstein für ein neues Verlagsgebäude: Der aufgrund seiner Fassadenfarbe „Rotes Haus“ genannte, mächtige Bau im neobarocken Stil ist seither Sitz des Verlags Herder. Am Ende des Ersten Weltkriegs dient das Verlagsgebäude vorübergehend als Lazarett. In den folgenden Jahren trotzt der Verlag der Wirtschaftskrise. Monumentale Enzyklopädien wie „Der Große Herder“ und „Lexikon für Theologie und Kirche“ erscheinen erstmals. 1925 kommen weitere Buchhandlungen hinzu, so in Rom und in Barcelona.
Dr. Theophil Herder-Dorneich: Krieg und Wiederaufbau
In den Dreißigerjahren behindern die Nationalsozialisten die verlegerische Arbeit, indem sie unter anderem Titel wie das „Staatslexikon“ und das „Lexikon der Pädagogik“ verbieten und versuchen, durch Verbote den großen katholischen Verlag auf die Produktion von Gebetbüchern einzuengen. Nach dem Tod Hermann Herders übernimmt dessen Schwiegersohn Dr. Theophil Herder-Dorneich 1937 die Verlagsleitung. Trotz aller Behinderungen kann man noch 1939 den Verlag Karl Alber und den Christophorus-Verlag übernehmen und 1943 die Editorial Herder in Barcelona gründen.
Der Zweite Weltkrieg fordert unter den Mitarbeitern viele Opfer und richtet auch im Verlag Herder große Schäden an: So wird am 27. November 1944 das Verlagshaus in Freiburg bombardiert und völlig ausgebrannt – 11 Mitarbeiter verlieren bei diesem Angriff ihr Leben.
In der Nachkriegszeit kann der Verlag Herder an seine Erfolgsgeschichte anknüpfen und expandiert durch zahlreiche Zweigstellen und Niederlassungen im In- und Ausland. Zeitweise beschäftigt der Verlag rund 500 Mitarbeiter.
Dialogbereitschaft, Weltoffenheit und der ökumenische Gedanke werden im Verlag Herder zum Programm. Bedeutende Autoren wie der Theologe Karl Rahner und der Publizist Reinhold Schneider veröffentlichen ihre Bücher bei Herder. Erfolgreiche Zeitschriften wie die „Herder Korrespondenz“ und „Der Christliche Sonntag“ (später „Christ in der Gegenwart“) erscheinen.
Dr. Hermann Herder: Tradition und Innovation
Ab 1963 übernimmt Theophil Herder-Dorneichs Sohn Dr. Hermann Herder die Gesamtleitung des Verlags. Er setzt den von seinem Vater vorgezeichneten und durch das Zweite Vatikanische Konzil bekräftigten Weg der programmatischen Öffnung zur Welt und des Dialogs mit den Religionen der Erde konsequent fort. Prägende Autoren der Zeit wie Christa Meves, Phil Bosmans, Augustin Bea und Henry Nouven publizieren bei Herder neben neuen enzyklopädischen Projekten.
Die erfolgreiche Taschenbuchreihe „Herder spektrum“ entsteht. Nach den wirtschaftlich schwierigen Neunzigerjahren konzentriert der Verlag Herder seine Kräfte auf sein traditionelles Kerngeschäft in den Bereichen Theologie und Vorschulpädagogik und zieht sich mehr und mehr aus dem Buchhandel zurück.
Manuel Herder: Neue Wege zum Leser
Mit Manuel Herder übernimmt 1999 die sechste Generation die Verantwortung im Verlag. 2005 wird Joseph Ratzinger zum Papst gewählt – alle Bücher des Papstes erscheinen bei Herder. Der Verlag ergänzt sein Programm erfolgreich mit Büchern aus Gesellschaft und Politik, zu Lebensthemen und Spiritualität. Manuel Herder führt das Unternehmen angesichts der sich wandelnden Medienbranche in die digitale Zukunft mit E-Book, Apps und neuen schnellen Wegen, um Leser die Inhalte bereitzustellen, die sie suchen.
Der Verlag Herder kann auf eine inzwischen über 220 Jahre lange Geschichte zurückblicken: sechzehn Päpste, sechs Währungen, die Entwicklung des Buchdrucks vom Handsatz zum Digitaldruck, verschiedene politische Systeme – der Verlag Herder bleibt sich und seinen Prinzipien treu: Glaube, Werte und Bildung zu vermitteln und zu fördern.