Johannes der Täufer und der Advent

Wenn ich durch die riesige Autobahnbaustelle am Aachener Kreuz fahre, dann fahre ich durch eine Welt, die sich ständig verändert. Ungeheure Erdmassen werden bewegt, Wälle aufgeschüttet; Brücken gebaut, die Fahrbahn gegründet und asphaltiert, ein Rastplatz entsteht, Signalanlagen und Schilder werden installiert. Viele Arbeiter bereiten mit Mühe und Fleiß den Autofahrern einen Weg durch die Baustelle. „Bereitet dem Herrn den Weg“! Ebnet ihm die Straßen, so heißt es im Evangelium des zweiten Adventssonntags.
Da steht er wieder vor uns – wie jedes Jahr im Advent – Johannes der Täufer.
Ein junger Mann, Ende zwanzig, als er auftritt und anfängt zu taufen. Anfang dreißig, als er umgebracht wird. Streng tritt er auf, er erinnert die Menschen an die Propheten: Ganz vage hatten diese Weissagungen begonnen: das Heil werde kommen, Gott selber werde kommen, als Menschenkind werde er geboren, in Bethlehem werde das geschehen. Aber dann war jahrhundertelang kein Prophet mehr gekommen.
Und nun dieser Mann. Und er steckt sie an. Sie kommen aus ihren Städten und Dörfern heraus. Auf einmal sind ganz andere Themen für sie wichtig: Heil statt Erwerb, Schule statt Unzufriedenheit, Gott statt Regeln. Voller Erwartung sind sie alle. Und er kann dieser Erwartung einen Namen geben. Der Täufer sagt ihnen: Bildet euch auf nichts etwas ein, ändert euer Denken.
Die Menschen lassen sich taufen. Und dann fragen sie ihn: Was sollen wir tun? Er verlangt nichts Überraschendes, nichts Anstrengendes. Er verlangt ganz Alltägliches: Teilen, wenn du zwei Mäntel hast, und einer hat keinen. Den Zöllnern sagt er: Seid reell, den Soldaten: Lasst das Rauben und Brandschatzen, begnügt euch mit eurem Sold.
Erstaunliche Antworten. Man denkt: Ist das alles? Das sollen sie doch schon ohnehin tun. Ja – dann tut es doch endlich! Worauf kommt es denn an, fragen die Leute. Und er zeigt auf einen Mann: Auf den kommt es an, auf sonst nichts: Er muss wachsen.
Wir haben viel zu tun mit diesem unruhigen und beunruhigenden Mann. Was hat er uns zu sagen? Ich denke, er würde uns dasselbe sagen, wie den vielen Leuten damals, die er alle nicht mit Namen kannte, und von deren Leben er doch so viel wusste. Was also sollen wir tun? Vielleicht würde er so antworten: Was ihr tun sollt? Überhaupt nichts sollt ihr tun! Immer wollt ihr etwas tun! Immer wollt ihr Tarife erfüllen; immer wollt ihr etwas leisten; immer wollt ihr auf etwas zeigen: das da ist von mir. Johannes ist viel anspruchsvoller: Nicht die Tarife sollt ihr ändern, sondern euer Herz. Immer wollt ihr wissen, wie weit ihr ungestraft gehen dürft. Aber: Ich bin nicht der, der alte Tarife ersetzt durch neue, alte Zwänge durch neue Zwänge. Tiefer muss sich die Änderung abspielen: in eurem Denken.
Wie geht das Johannes? Wenn ihr das wirklich wissen wollt, dann seht auf den, der das andere Denken, das neue Herz verkörpert wie niemand sonst: er muss wachsen – in euch genauso wie in mir. Noch einmal Johannes, wie geht das? Wie er in euch wachsen kann? Indem seine Art zu denken, zu reagieren, zu urteilen, zu verzeihen, immer mehr eure Art wird zu denken, zu reagieren, zu urteilen, zu verzeihen. Indem ihr euch in den großen Entscheidungen und in dem, was ihr das Alltägliche nennt, fragt: Wie würde Jesus jetzt reagieren? Fragt euer Herz.
Ist das denn wirklich alles? Das ist ja gar nicht anstrengend! Nein – anstrengend ist das nicht. Aber sehr anspruchsvoll. Damit braucht man nur einmal anzufangen, dann merkt man sehr bald, auf was man sich da einlässt. Das geht sehr tief. Und es macht sehr frei.

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