Fazit
Mediation ist im Gegensatz zu gerichtlichen Prozessen nicht auf (rechtliche) Ansprüche bzw. Positionen fokussiert, sondern stellt Interessen, Bedürfnisse, Wünsche der Menschen ins Zentrum. Insbesondere hierdurch werden Lösungen möglich, die anders als Gerichtsverfahren nur „Gewinner“, „keine Verlierer“, mit sich bringen. Daher lassen sich dank Mediation – anders als z. B. bei Gericht oder gar mittels Gewalt – Konflikte auf friedliche Art und Weise nachhaltig beilegen. Infolgedessen stellt die Mediation einen Weg der Menschen zueinander dar, der zu Recht als „Brücke“ zwischen ihnen bezeichnet werden kann.
Das Markusevangelium (Mk 10, 46-52) schildert die Heilung des Blinden von Jericho. Jesus drängt sich dem blinden Bartimäus nicht auf, sondern fragt ihn: „Was soll ich für Dich tun?“ (V. 51) Er will von ihm wissen, wie er ihm helfen kann. Damit erkundigt er sich nach dessen Wünschen, Interessen, Bedürfnissen. Dies sind Begriffe, die in der Mediation im Zentrum stehen. Zuvor lässt Jesus Bartimäus, den die Menge „mundtot“ machen wollte, zu sich rufen (V. 49). Damit äußert er seine Wertschätzung ihm gegenüber. Achtsamkeit und Wertschätzung gegenüber allen Menschen als solchen sind eine wesentliche Ausgangsbasis für ein erfolgreiches Mediationsverfahren. Daher darf nach Auffassung der Verfasserin „Mediator“ nicht als Beruf verstanden werden, sondern nur als Berufung gelebt werden.
Rechtliche und sprachliche Grundlage des Begriffs Mediation
Mediation ist seit Inkrafttreten des deutschen Mediationsgesetzes (MedG) nach dessen § 1 Absatz (Abs.) 1 gesetzlich definiert als „ein vertrauliches und strukturiertes Verfahren, bei dem Parteien mithilfe eines oder mehrerer Mediatoren freiwillig und eigenverantwortlich eine einvernehmliche Beilegung ihres Konflikts anstreben.“ Dabei stellt das MedG in § 1 Abs. 2 klar, dass der Mediator „eine unabhängige und neutrale Person ohne Entscheidungsbefugnis“ ist.
Um den Begriff Mediation sprachlich zu „übersetzen“, bieten sich drei Möglichkeiten an, die sich in der praktischen Seite dieser Art der Konfliktbeilegung widerspiegeln: Vermittlung, Ausgleich, Versöhnung. Gerade der letztgenannte Aspekt wird oftmals bei der Lösung von Streitigkeiten unterschätzt. Wenn Menschen einen Konflikt haben, sind sie, aus welchen Gründen auch immer, „aneinandergeraten“. Das Wort „Konflikt“ geht ja auf das lateinische con-fligere, zusammen- stoßen, zurück. Da für den Zusammen-prall mindestens zwei Menschen nötig sind, werden auch mindestens diese beiden für die Beilegung des Konflikts benötigt. Sofern ihnen die Beilegung des Streits nicht alleine gelingt, ist es sinnvoll, einen Mediator hinzuzuziehen. Damit nicht bildlich gesprochen dauerhaft „blaue Flecken“ vom Zusammen-prall, dem Konflikt, zurückbleiben, ist eine authentische Entschuldigung oftmals schon der erste wesentliche Schritt hin zu einer nachhaltigen Konfliktlösung. In diesem Sinne ist Versöhnung nicht nur im religiösen Sinne, sondern in der Mediation auch als Ausrichtung auf die Zukunft zu verstehen. Paradoxerweise „geraten“ Menschen, die einen Konflikt haben, wie oben erwähnt, nicht nur an-einander, sondern oft auch „auseinander“. Sicherlich hat jede(r) schon folgende Konstellation beobachtet: Menschen versuchen in schwierigen Situationen einander auszuweichen, nicht mehr miteinander zu sprechen oder zumindest nicht über das „Problem“ zu reden etc. Konflikte „totzuschweigen“ ist jedoch nicht erfolgversprechend, vor allem nicht mittel- und langfristig. Irgendwann läuft das „stille“ Fass (der schweigende Mensch, der bisher alles „geschluckt“ hat) aufgrund eines kleinen Tropfens über, der Mensch „explodiert“ aufgrund einer Kleinigkeit.
Charakteristika von Mediationsverfahren
Die gesetzliche Begriffsdefinition enthält bereits wesentliche Grundsätze der Mediation. Es handelt sich nämlich um ein vertrauliches Verfahren. Dies bedeutet, anders als grundsätzlich bei gerichtlichen Verfahren sind hier z. B. Journalisten, Kunden, Konkurrenz, kurz gesagt jeder Dritte, der nichts mit dem Konflikt zu tun hat, vom Verfahren ausgeschlossen. Daher erfährt die Öffentlichkeit regelmäßig auch nichts von den zahlreichen erfolgreich durchgeführten Mediationen.
Der Mediator trifft anders als der Richter keine Entscheidung, sondern unterstützt die Medianden mit Hilfe spezieller „Techniken“ dabei, selbst Lösungen für ihre Probleme zu erarbeiten und zu finden. Aufgrund dieser Eigenverantwortung der Parteien handelt es sich bei der Mediation um ein selbstbestimmtes Verfahren. In diesem Kontext sticht eine Parallele zur o. g. Bibelstelle ins Auge: Auch in Mk 10,46-52 wird der betroffene Mensch selbst aktiv und „findet“ eine „Lösung“. Jesus betont in V. 52 sogar ausdrücklich: „Dein Glaube hat dir geholfen.“
Dass der Mediator als Vermittler aktiv wird, ergibt sich bereits aus der rechtlichen und sprachlichen Definition. Dabei bemüht er sich, mittels eines bestimmten „Handwerkszeugs“, verschiedene Interessenlagen zwischen den Parteien einem Ausgleich, einer Lösung zuzuführen. Daher ist es sinnvoll, Gräben, die aufgrund von Streitigkeiten zwischen Menschen entstanden sind, mittels Mediation zu über-brücken, wobei die Brücke selbstredend stabil und nachhaltig sein muss.
Da der Mediator unabhängig, neutral und allparteilich sein muss, unterbreitet er den Medianden keine Lösungsvorschläge. Aufgrund des Prinzips der Freiwilligkeit der Mediation engagieren sich die Parteien deutlich stärker als dies bei Gericht der Fall wäre. Daraus resultiert auch, dass die Medianden mit dem Verfahren deutlich zufriedener sind als mit einem gerichtlichen Prozess. Ebenso folgt hieraus ihre sehr große Bereitschaft, das vereinbarte Ergebnis auch dauerhaft einzuhalten.
Bei Gericht geht es klassischerweise um sogenannte Ansprüche, also das „Recht, von einem anderen ein Tun oder Unterlassen zu verlangen“ (§ 194 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch). Wenn man auf derartigen (rechtlichen) Ansprüchen oder anders formuliert auf Positionen beharrt, ist regelmäßig keine Annäherung zwischen den streitenden Menschen möglich. Im Gegensatz hierzu stehen bei der Mediation, wie bereits einleitend im Kontext mit der Heilung des Blinden im Markusevangelium erwähnt, Interessen, Bedürfnisse, Wünsche im Zentrum. Erst dadurch, dass man z. B. erfährt, was dem anderen wichtig ist, aus welchen Gründen etc. er/sie/es sich so verhalten hat/verhält, werden Schritte aufeinander zu und damit letztlich ein gemeinsamer „Brückenbau“ möglich. Brücken verbinden, Mauern trennen. Um Trennendes zu überwinden und eine nachhaltige Verbindung zwischen Menschen zu schaffen, ist Kommunikation zwischen ihnen unabdingbar. Kommunikation geht nicht zufällig auf das lateinische com-municare zurück. Die Vorsilbe „com“ betont das Miteinander, das auch für die Mediation zentral ist. Dadurch, dass sich die Medianden im geschützten Raum der Mediation einander (wieder) zuwenden, können sie vom Gegeneinander zum Miteinander gelangen. Um eine nachhaltige Wirkung zu erzielen, können und sollen in der Mediation alle Aspekte, die für den jeweiligen Konflikt bedeutsam sind (nicht nur Gesetz und Recht, wie bei Gericht), berücksichtigt werden. Dies können beispielsweise emotionale, psychologische, wirtschaftliche oder technische Aspekte sein. So werden sehr flexible Lösungen, die auf die jeweiligen Menschen und ihren Konflikt individuell zugeschnitten sind, möglich. Flexibel können auch Ort und Zeit der Mediationsverfahren vereinbart werden. Denn die Mediation stellt ein nicht-förmliches Verfahren dar, d. h., etwaige Ladungs- oder Zustellungsfristen oder andere Formalien wie bei Gericht, existieren hier nicht.
Wertschätzung von allen Menschen als unabdingbare Voraussetzung
In der Mediation geht es nicht um die Frage, wer Schuld an einem Konflikt trägt. Denn die Schuldfrage führt immer wieder nur in die Vergangenheit. Wer ausschließlich um die Vergangenheit und in ihr „kreist“, kann keine interessengerechten Lösungsoptionen für die Zukunft entwickeln. Auch Jesus hat Menschen nicht „schuldig gesprochen“, wie etwa das berühmte Zitat „Wer von euch ohne Sünde ist, der werfe den ersten Stein“ aus dem Johannesevangelium (Joh 8, 12) belegt. Biblisch gesprochen sind alle Menschen Sünder. Irdisch formuliert unterlaufen jedem Menschen Fehler; den fehlerlosen Menschen kann es gar nicht geben. Fehler zu machen, ist eine ur-menschliche Eigenschaft. Auch deshalb sind Schuldzuweisungen in Konflikten nicht lösungsorientiert und damit nicht zielführend. Die Vergangenheit ist nicht mehr zu ändern. Es ist nur möglich, für die Gegenwart und Zukunft im gemeinsamen Austausch Alternativen für eine dauerhafte, friedliche Kooperation zu suchen und zu finden. Genau hierum geht es in der Mediation. Dabei sind Achtsamkeit und Wertschätzung des Mediators gegenüber allen Menschen unabdingbare Voraussetzung für ein gelingendes Mediationsverfahren. Anders formuliert kann ein Mediator ohne die Grundeinstellung „Liebe“ höchstens einen „Job“ ausüben, sicher aber nicht einer Berufung folgen. Im Markusevangelium (MK 12,28-34) betont Jesus auf die Frage nach dem höchsten Gebot neben der Gottesliebe die Nächstenliebe (V. 31). An anderer Stelle (Lk 6,27-35) wird auch die Feindesliebe thematisiert.
Daher soll vor Mediatoren, die sich aus rein finanziellen Gründen zu einer Mediationsfortbildung entschlossen haben, gewarnt werden. Es wird jedem potentiellen Medianden empfohlen, sich nach dem fachlichen Hintergrund, der Ausbildung und der Mediationserfahrung des künftigen Mediators sowie nach seinen Motiven für das Mediator-Sein zu erkundigen. Auf die drei erstgenannten Aspekte hat der Interessent sogar einen rechtlichen Auskunftsanspruch (§ 3 Abs. 5 MedG). Aufgrund der in Deutschland lange völlig ungeregelten Situation und nach wie vor aus Sicht des Verbrauchers in diesem Bereich nicht zufriedenstellenden Rechtslage „tummeln“ sich nämlich als „Mediatoren“ nicht nur solche, die dem Ideal entsprechen.
Anwendungsbereiche der Mediation
Die Einsatzgebiete der Mediation sind dabei so vielfältig wie die Konflikte selbst. Sie reichen von A wie Arbeitsrecht bzw. Arbeitsplatz, B wie Behörden oder Bauvorhaben über E wie Erbschaft und F wie Familie, weiter über H wie Handel, G wie Gesellschaft oder Gesellschafter, K wie Kirche oder Konzern, N wie Nachbarschaft, P wie Politik, bis hin zu U wie Unternehmen oder Unternehmensnachfolge und schließlich zu Z wie zivilrechtliche Konflikte, um nur einige Beispiele zu nennen. Besonders hingewiesen wird aufgrund der internationalen Vernetzung im heutigen Zeitalter auf die Bedeutung der Mediation im interkulturellen Kontext. Nicht nur werden damit u. U. zeit- und kostenaufwendige Streitigkeiten vor Gericht vermieden, sondern vielmehr ist der Großteil der Konflikte auf interkulturellem Terrain gar nicht justiziabel, also nicht vor Gerichten einklagbar. Dies zeigt z. B. folgendes Klischee bzgl. der unterschiedlichen „Zeitvorstellungen“: Ein Deutscher und ein Spanier verabreden sich zu einem Termin für 17 Uhr. Der Deutsche kommt um 16.45 Uhr oder spätestens punkt 17.00 Uhr. Der Spanier erscheint frühestens um 17.30 Uhr. Für einen derartigen Konflikt bezüglich der „richtigen Zeit“ ist gar kein Gericht zuständig. Dasselbe gilt für viele andere Probleme oder gar Streitigkeiten auf internationaler Ebene. Da diesen meist unterschiedliche kulturelle, zum Teil auch verschiedene religiöse Werte, zugrunde liegen, gibt es kein „Richtig“ oder „Falsch“ im rechtlichen Sinne. Die Frage, was „richtig“ oder „falsch“ ist, ist unabhängig vom Anwendungsbereich der Mediation typischerweise nicht Gegenstand dieses Verfahrens, wie auch die bereits erwähnte Schuldfrage nicht „geprüft“ wird.
Nur erwähnt werden soll an dieser Stelle, dass Mediation selbstverständlich auch präventiv (also, um evtl. Streitigkeiten vorzubeugen) oder auch begleitend (z. B. bei Umstrukturierungen) eingesetzt werden kann.
Biblische bzw. religiöse Bezugnahme
Auch wenn der Begriff „Brücke“ in den Evangelien nicht vorkommt, geht es Jesus stets um das „Miteinander“ der Menschen, unabhängig von ihrer gesellschaftlichen, politischen, religiösen Stellung, unabhängig von sonstigen Merkmalen der Personen und unabhängig davon, ob sie jung, alt, groß, klein, krank oder gesund usw. sind. Dies belegen zahlreiche Stellen, in denen unterschiedliche Auffassungen aufeinanderstoßen und Jesus letztlich zwischen diesen vermittelt.
Jedoch ist der Titel „Pontifex Maximus“, der im Laufe der Geschichte den Päpsten verliehen wurde, bekannt. Wörtlich übersetzt bedeutet dies ja der oberste Brückenbauer. Damit trägt der aktuelle Papst Franziskus diesen Titel. Möge es ihm gut gelingen, weltweit möglichst viele Brücken zu bauen und damit zum Frieden zwischen Menschen, aber auch zwischen Mensch und Schöpfung, beizutragen!