Fazit
Die Gegenwart Christi will in der liturgischen Versammlung erlebt werden. Seine Verheißung wird auf verschiedene Weise im liturgischen Raum wahr. Seine Ausgestaltung muss die Erfahrung der Gegenwart Christi und seines Heiles unterstützen.
Sakrale Räume üben eine besondere Anziehungskraft aus: Viele Menschen besuchen sie, auch wenn sie mit Kirche und Glauben nichts oder nur wenig anfangen können. Die Stille, die Sammlung, das Licht, die Farben und viele weitere Wahrnehmungen lassen die Menschen einerseits den besonderen Ort spüren, aber auch so etwas wie Geborgenheit erfahren. Es ist eine Geborgenheit in etwas Unverfügbarem, dem Menschen eigentlich entzogenen. Es zeigt sich: Kirchenräume haben eine eigene Botschaft, die durchaus wahrgenommen und geschätzt wird. Woher kommt diese? Das Gebet vieler Generationen, das in den Mauern hängt? Die Ausstattung mit ihrer bewussten Andersartigkeit gegenüber anderen Bauten und Räumen? Die schiere Größe vieler Kirchen, die ein Mehr gegenüber dem sonst Gewohnten darstellen? Der Abstand zum Alltäglichen – und das doch im normalen Lebensumfeld?
Die hier vorgestellten Überlegungen möchten Ansätze zur Ausgestaltung von Sakralräumen aufzeigen und dabei versuchen, Liturgie als ein ganzheitliches Geschehen zu verstehen, in dem sich die Begegnung Gottes mit dem Menschen ereignen will. Der Sakralraum bietet das „Gehäuse“ für die Liturgie, in der Gott den Menschen heiligt und der Mensch Gott lobpreist (vgl. SC 7). Der Raum, in dem dies stattfindet, dient nicht nur zur Unterstützung der gefeierten Liturgie, er trägt schon selber eine Botschaft. Diese ist immer verfügbar, jeder Person zugänglich, die den Raum betritt. Somit wird der Raum selber zur Liturgie, zur Gegenwärtigsetzung des Paschamysteriums Christi, zum Zeugnis des Heilswirkens Gottes unter den Menschen. Der Raum kann entscheidende Weichen dafür stellen, ob es in einer liturgischen Feier gelingt, den Menschen die Begegnung mit Gott und seinem Heil zu ermöglichen.
Selten geschieht die Erfahrung sakraler Räume alleine. Getragene Bewegungen und Gesten im Raum, ehrfürchtiger Umgang mit seinen Einrichtungsgegenständen, liebevolle Blicke und Stille geben anderen Zeugnis vom Glauben, der in einem Raum wahrgenommen werden kann. So ist der Aufenthalt in einem liturgischen Raum immer auch Zeugnis für sich selber – im Sinne einer Selbstvergewisserung – und Zeugnis für andere.
Der Liturgische Raum als Ganzes
Christus verheißt seine Gegenwart: „Wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind, da bin ich mitten unter ihnen.“ (Mt 18,20) Der biblische Kontext zeigt eine Versammlung im Namen Jesu und zum Bitt-Gebet.
Diese Verheißung sieht die Liturgiekonstitution des II. Vatikanischen Konzils auf verschiedene Weisen in der Liturgie erfüllt: Christus ist in der Kirche immer gegenwärtig, besonders in der liturgischen Handlung und in der Versammlung der Gläubigen; er ist im Priester und in den eucharistischen Gestalten gegenwärtig. Gegenwärtig ist er in der Kraft der Sakramente; er selber spricht im Wort Gottes und ist gegenwärtig im Gebet und Gesang der Kirche (vgl. SC 7).
Der sakrale Raum bietet den Ort für die Gegenwart Christi, er ist für sie ein sinnfälliges Zeichen. Der Glaube an die Gegenwart Christi und seine Erfahrung zeigt sich in der Gestalt der liturgischen Räume. Sie bezeugen die Gegenwart und bieten ihr immer wieder Raum.
Ein Raum mit einer Aussage
Ein sakraler Raum hat im Idealfall eine Gesamtaussage. Den aus der Antike überkommenen Anlagen liegt eine Wegmetapher zugrunde, die einen Lebensweg darstellt: In einem Vorhof oder Vorraum geschieht die Vorbereitung auf das Christwerden, der Katechumenat. Der Taufbrunnen bzw. das Weihwasserbecken markiert den Eingang zur Kirche mit der Taufe oder die Erinnerung daran. Das Gläubigenschiff wird flankiert vom Wort Gottes, das den Weg des Lebens begleitet. Der Altar unter dem Triumphbogen ist der Schnittpunkt, an dem die göttliche Herrlichkeit sakramental in die Welt hineinreicht. Und die Apsis ist mit ihrer meist auch ikonographischen Ausgestaltung der geöffnete Himmel, wo Christus für uns einen Platz bereitet hat.
Heutige Kirchen bilden andere theologische Aussagen ab. So versuchen die Communio-Räume die Communio-Ekklesiologie aufzugreifen. In den Communio-Räumen sind Altar und Ambo in den Brennpunkten einer durch die Versammelten gebildeten Ellipse angeordnet. Damit wird die Versammlung um Christus in Wort und Sakrament ausgedrückt. Zeltförmige Kirchen zeigen die Versammlung als Volk Gottes unterwegs mit ihrem Herrn.
Diese wenigen Beispiele zeigen verschiedene Möglichkeiten. Die Ausstattung der Räume muss dem Gesamtentwurf stimmig eingeordnet sein; andererseits muss die Gesamtaussage der Kirche auch die liturgischen Orte berücksichtigen, sonst ist das Konzept als solches fragwürdig.
Der Altar
Schon seit der Zeit der Kirchenväter wird – gestützt durch die Aussagen des Hebräerbriefes – der Altar mit Christus gleichgesetzt. In verschiedenen liturgischen Texten wird dieses Verständnis aufgegriffen. So heißt es in der Präfation für die Osterzeit V: Jesus Christus „ist der Priester, der Altar und das Opferlamm“. Die Texte im Kirchweihritus des Pontifikale übernehmen dieses Verständnis und deuten Christus als den Altar des neuen Bundes, was sich an der rituellen und textlichen Ausgestaltung der Altarweihe erkennen lässt. Neben dieser theologischen Deutung des Altares haben die Berichte von Mählern Jesu mit seinen Jüngern aus den Evangelien Einfluss auf die Konzeption des Altares. Das letzte Abendmahl wurde an einem Tisch gefeiert (Mt 26,20). Dies blieb für die Feier der Eucharistie in den ersten Jahrhunderten üblich. Im 4. Jahrhundert kamen Steinaltäre auf, die aber erst im 12. Jahrhundert allgemein Verwendung fanden. Die Tischform wandelte sich ebenfalls und wurde eher zu einem Quader, wobei die Tischplatte (mensa) und zumindest angedeutete Tischbeine (stipes) blieben. Der Altar wurde ausgezeichnet durch ein Podest, auf dem er aufgestellt wurde und das über Stufen zugänglich war. Zudem gab es Ziborien oder Baldachine. Die Reliquienverehrung des Mittelalters führte zu riesigen Aufbauten, die den eigentlichen Altar immer mehr zurücktreten ließen: Der Altar wurde immer mehr zur bildlichen Darstellung des Heilsgeschehens verwendet, immer weniger als Darstellung Christi im theologischen Sinn verstanden. Ausgelöst durch die liturgische Bewegung des 20. Jahrhunderts kehrte man mit der durch das 2. Vatikanische Konzil angestoßenen Liturgiereform zur ursprünglichen Gestalt des Altares zurück. Wenn Christus der Altar ist, muss das bei seiner Gestaltung berücksichtigt werden. Die Liturgiekonstitution verlangt, dass die Riten den „Glanz edler Einfachheit an sich tragen“ (SC 34). Das kann man auf die Gestaltung der Sakralräume übertragen. Er braucht kein Bildprogramm, im Gegenteil, ein solches lenkt leicht von seiner Bedeutung ab.
Der Altar ist Christus. Wenn die Kirche der Leib Christi ist, der in der Versammlung sichtbar wird, gilt dies auch für den Altar: Er stellt auch dies dar.
Die Aufstellung des Altares sollte so erfolgen, dass er als Zentrum und Mitte des Raumes wahrgenommen wird. Christus ist Grund und Ziel unseres Glaubens, er begegnet uns im Altar.
Die Gestaltung des Altares muss hinweisend sein auf die tiefe Zeichenhaftigkeit dieses Ortes. Material und Verarbeitung sollten die Kostbarkeit erkennen lassen, eine bildhafte Gestaltung sollte sich in die Bedeutung einordnen und keine sekundäre Symbolik bereitstellen. Aus dem gleichen Grund verbietet sich Schmuck auf dem Altar, wie Blumen oder Kerzen. Sinngerecht ist ein Schmuck des ganzen Altares, der deshalb um ihn herum gestellt werden kann. So kommt der ganze Altar, also der ganze Christus besser zur Geltung. Die Mensa bleibt Christus vorbehalten, der auf seinen Thron kommt.
Der Ambo
Schon sehr früh hat es in der Eucharistiefeier eine Art Wortverkündigung gegeben: Zunächst hat man von den „Denkwürdigkeiten“ Christi erzählt, später dann vorgelesen. Bald hat sich auch dafür ein eigener erhöhter Ort herausgebildet, der Ambo, von griechisch „anabeinein“ – hinaufsteigen. Bis weit ins 2. Jahrtausend waren Ambonen in den Kirchen üblich. Die Ambonen verschwanden im Mittelalter immer mehr, als es in der Messe keine Wortverkündigung für das Volk mehr gab. An ihre Stelle traten die Kanzeln, die aber eine andere liturgische Funktion hatten. Die Neuentdeckung der Kostbarkeit der Heiligen Schrift in der Bibelbewegung des 20. Jahrhunderts und letztlich die Liturgiereform nach dem 2. Vatikanischen Konzil führten zur Wiedereinführung von Ambonen.
Christus ist das Fleisch gewordene Wort Gottes (vgl. Jes 61,1; Joh 1,1; Lk 4,18), der zu den Menschen spricht. Wenn das Wort Gottes verkündet wird, ist es also Christus, der zu seinem Volk spricht und in seiner Mitte gegenwärtig ist: „Gegenwärtig ist er in seinem Wort, da er selbst spricht, wenn die heiligen Schriften in der Kirche gelesen werden.“ (SC7) Die Hochschätzung des Wortes Gottes ist die Hochschätzung Christi und drückt sich durch einen besonderen Ort der Wortverkündigung aus. Auch kostbare Bücher und ein ehrfürchtiger Umgang mit ihnen zeigt die dahinterliegende Wirklichkeit: Christus will seinem Volk begegnen und sein Heil im Wort wirken.
Die Gestaltung heutiger Ambonen ist eher funktional ausgerichtet: ein Ort, von dem auch die Versammlung das Wort Gottes gut hören kann. Leider ist darüber die monumentale Bedeutung des Ambo in Vergessenheit geraten und selten ausgeprägt. Es gibt Beispiele mittelalterlicher Ambonen, die als leeres Grab gestaltet sind. Ein solcher Ambo verkündet den zentralen Inhalt unseres Glaubens, auch wenn niemand dort steht und das Wort Gottes vorträgt. Damit wird eine Parallele zum Altar deutlich: Auch wenn gerade keine Feier stattfindet, verkünden der Altar und der Ambo die frohe Botschaft jeweils durch ihr Dasein: Christus ist unser Erlöser und Heiland.
Entsprechend sollte die künstlerische Gestaltung eines Ambo sein: Sie sollte die Besonderheit dieses Ortes hervorheben, Christus als den Auferstandenen Heiland verkünden und natürlich auch funktional für die Verkündigung geeignet sein.
Der Umgang mit dem Ambo muss sich daraus ergeben: Alles, was nicht mit der Verkündigung des Wortes Gottes zu tun hat (z. B. die Begrüßung zur Feier, Ankündigungen, Grußworte usw.) hat daran nichts zu suchen und verletzt die Würde des Ortes. Für den Schmuck des Ambos gilt sinngemäß das zum Altar Gesagte. Es gilt den Ambo als Ganzes zu schmücken, um Christus hervorzuheben, der in seinem Wort gegenwärtig ist.
Die Sitze des Volkes und des Vorstehers
Die Kirche stellt sich als hierarchisch gegliedertes Volk Gottes dar. In der Initiation durch Taufe, Firmung und Erstkommunion empfangen die Glieder des Volkes Gottes die Gabe und Aufgabe des allgemeinen Priestertums, das zur Liturgie befähigt. Daraus entspringen alle Dienste und Ämter, die verschiedene Aufgaben übertragen. Ein Einzug des Priesters mit seiner Assistenz durch den Gläubigenraum macht dies deutlich.
Für seine Aufgabe braucht der Vorsteher einen Ort, von dem aus er die Versammlung leiten kann. Dazu sollte er von allen gehört und gesehen werden können. Ein schlecht gestalteter Vorstehersitz führt häufig dazu, dass die Leitungsfunktion der Feier vom Altar oder Ambo aus wahrgenommen werden muss. Das verletzt die Zeichenhaftigkeit dieser beiden Orte. Oft kann das Aufstellen eines Mikrofons und eine kleine Veränderung des Sitzes eine deutliche Verbesserung bewirken. Auch wenn der Priester Christus gegenüber der Gemeinde repräsentiert, darf der Vorstehersitz nicht zu einem Thron werden. Denn andererseits steht der Priester für und mit der Gemeinde vor Gott. Es geht also um eine funktionale Hervorhebung für den priesterlichen Dienst, nicht um eine Überhöhung.