Lohnt der Aufwand für die jährlichen Kindergottesdienste und Krippenspiele an Weihnachten?Nur eine schöne Oper?

Am Heiligen Abend und an den Weihnachtsfeiertagen feiern so viele Menschen die christlichen Gottesdienste mit wie kaum sonst im Jahr. Darunter sind viele Familien mit Kindern. Für manche sind die Weihnachtsgottesdienste im Laufe eines Jahres einige der wenigen oder auch die einzige Erfahrung mit der Liturgie – das ist eine große Chance.

Fazit

Intensive Vorbereitung der Familienliturgien an Weihnachten durch Haupt- und Ehrenamtliche ermöglicht eine innere und aktive Beteiligung der Kinder und mitfeiernden Erwachsenen. Dadurch kann sich ihnen auch die religiöse Bedeutung des Festes erschließen. Die Kinderkrippenfeiern und Familiengottesdienste zu Weihnachten tragen so wesentlich dazu bei, Familien die christliche Botschaft weiterzusagen und mit ihnen zu feiern.


Es ist wieder soweit: In den Gemeinden wird spätestens mit Beginn der Adventszeit für die Kinder und Familiengottesdienste sowie für die Krippenfeiern und Kinderchristmetten viel Zeit und Engagement investiert: Von der Krippenfeier für die Allerkleinsten über die Krippenspiele und Familienmette am Abend bis hin zum Familiengottesdienst am ersten und zweiten Weihnachtsfeiertag wird viel geboten. Haupt- und Ehrenamtliche sind in diese Vorbereitungen und Feiern intensiv eingebunden.
Und genau deswegen gibt es auch immer wieder kritische Stimmen: Diese Vorbereitungen würden eben zu viel Zeit jener Hauptund Ehrenamtlichen in Anspruch nehmen und es wäre eine Reduzierung nötig. Einige meinen, dass die Kirche die Suche nach vordergründig-emotionalen Gottesdiensten als Event am Familienweihnachtstag, dem Heiligen Abend, nicht befriedigen sollte. Es ist ja wahr, kaum ein anderer Gottesdienst im Jahr ist derart mit emotionalen Erwartungen und Sentimentalität belegt wie der Heilig-Abend-Gottesdienst. Und bei den meisten Familien wird das Hochfest entsprechend nicht mehr am Weihnachtsfeiertag in der Liturgie gefeiert, sondern am Vorabend, dem Heiligen Abend.

Der Weihnachtsgottesdienst nur als „schöne Oper“?

Aber gerade das Phänomen, dass so viele Kinder und Eltern an der Weihnachtsliturgie teilnehmen, bietet doch außergewöhnliche Anknüpfungspunkte für die Verkündigung. Für Kinder ist es überaus wichtig, dass Jesus auch einmal ein Kind war und dass sein Geburtstag jedes Jahr gefeiert wird. Über das Kind in der Krippe lassen sich auch viele Erwachsene ansprechen, die mit der christlichen Botschaft sonst vielleicht nicht (mehr) viel anfangen können. Die Feier um Maria und Josef mit dem Kind ist für viele Eltern heute das Fest der Familie, und sie meinen damit ihre Familie. Weihnachten ist für viele auch das Fest der Nächstenliebe und der Hoffnung auf Frieden auf Erden. Davon lebt die Weihnachtsidylle. Diese Vorstellungen und Gefühle haben durchaus ihre Berechtigung; sie sind auch ein Teil der Geschichte und der Gegenwart des Weihnachtsfestes. Die Kirchengemeinden bieten für die Menschen mit den Familiengottesdiensten an Heilig Abend also einen Dienst an. „Der Gottesdienst sammelt die gegebenenfalls aus verschiedenen Orten zusammenkommende Familie an einem Ort und bindet sie in eine die Zeiten und Orte transzendierende Geschichte ein, denn nahezu gleichzeitig finden im ganzen Land Menschen zum Gottesdienst zusammen und bilden zu einer ganz bestimmten Zeit eine Gemeinschaft, die über die Familie hinausgeht und bei aller Vielfalt verbindet.“ (Stephan Wahle) Aber wenn die Feier der Weihnachtsliturgie dabei stehen bliebe, könnte man sich tatsächlich fragen, was das Fest eigentlich mit Gott und Religion zu tun hat. Schon Berthold Brecht warf der Kirche vor, dass „die Menschwerdung immer nur verkündigt ist in anerkannt schönen Hirten- und Dorfgesängen. Die Gestalten von Jesus, Maria und Josef erscheinen als nicht endender Anlass für Kinder- und Kirchenchöre. Aber sonst ist das Weihnachtsfest eine schöne Oper.“ (Zitiert nach E. Achtnich (Hg.), Für Advent und Weihnachten in der Familie – Gruppe – Gemeinde, Freiburg 1979, S. 19) Es ist in der Verkündigung in Familienliturgien eben oft leichter, den Aspekt der Menschwerdung und Erlösung durch Jesus herauszulassen.

Weihnachten: neue Lebensqualität – für alle

Die Lesung der Liturgie am Heiligen Abend aus dem Titusbrief spricht dagegen davon, dass mit der Menschwerdung die Gnade Gottes erschienen ist, um alle Menschen zu retten – auch und gerade die mit gebrochenen Lebensgeschichten. Dass Gott Mensch geworden ist, ruft zur Umkehr zu einem Leben in Gerechtigkeit und Glaubenszuversicht. Zur Erlösung des Menschen gehört dazu, dass Jesus den Zusammenhang von Gewalt und Gegengewalt mit seinem Tod durchbrochen hat und dass die Auferstehung Jesu das Leben neu geschaffen hat. Weihnachten ist zwar auch, aber nicht nur ein Fest des Jesuskindes. Und das hat auch seinen Platz in den Weihnachtsgottesdiensten mit Kindern. Kinder (und ihre Eltern) dürfen aber nicht den Eindruck bekommen, dass das Christkind nie erwachsen wird und dass die Hirten beim Anblick des Jesuskindes selig waren, nur weil das Baby gar so niedlich war. Die Geburt Jesu gehört untrennbar zu seinem Leben, zu seinem Tod und zu seiner Auferstehung dazu. Nur deshalb feiern wir sie. Diese Botschaft ist für die Krippenfeiern so wichtig, damit die Kinder erleben, dass sich Gott mit Jesus den Menschen damals wie heute zuwendet. Diese Erfahrung gibt die Kraft, dass Menschen ihr Leben heute schon anders leben können. Die zentrale theologische Aussage ist die von der Menschwerdung Gottes. Und Jesu Geburt als Kind kann dann auch dafür stehen, dass allen, insbesondere den Schwachen und Unterdrückten, eine neue Lebensqualität zugesprochen wird – und dafür haben Kinder ein besonderes Gespür.

Kinder erleben die Weihnachtsgeschichte

Um Kindern diese Erfahrungen zu ermöglichen, ist es hilfreich, wenn sie sich in die Vorbereitungen dieser liturgischen Feiern aktiv einbringen können. In vielen Gemeinden, pastoralen Räumen, Seelsorgeeinheiten bzw. Großpfarreien gibt es da verschiedene Möglichkeiten: Besonders eindrückliche Erfahrungen machen Kinder, wenn sie aktiv beim Krippenspiel mitmachen. Wenn Kinder selbst eine Rolle im Weihnachtsevangelium spielen, dann erleben und erfahren sie ganz persönlich etwas von dieser biblischen Erzählung und der Weihnachtsbotschaft. Im Spiel können sie sich selbst als Hirte zum Stall begeben oder als Schaf die Hirten begleiten, sie können sich als König auf den Weg machen oder als Engel etwas von Gottes Liebe und der Geburt des Sohnes Gottes verkünden. Nicht nur für Kinder kann zum Beispiel die Verheißung des Engels Gabriel die Persönlichkeitsentwicklung positiv prägen. Gabriels Name zeigt übrigens schon, dass keiner eine Neuorientierung alleine schaffen muss: Der Name Gabriel bedeutet Kraft Gottes. Gott unterstützt uns. Diese Zusage gilt nicht nur für Kinder. Wenn auch in diesem Jahr wieder Jungen und Mädchen landauf landab den Verkündigungsengel in Krippenspielen des Kindergartens, der Schule und der Gemeinde spielen, dann hören die Erwachsenen die Frohe Botschaft aus dem Mund der Kinder wieder neu: Gott ist Mensch geworden. Als Kind geboren, das wie alle Kinder gewickelt, gefüttert und geliebt wird. Die Verkündigung der Geburt Jesu zeigt, dass Gott Neues schaffen möchte. Auch die mitfeiernden Erwachsenen werden angesprochen: was steckt an Entwicklungsmöglichkeit in uns? Haben wir schon abgeschlossen oder sind wir offen für neue, unerwartete Verheißungen und Entwicklungen?

Aktiv in der Vorbereitung: tätige Teilnahme, participatio actuosa

Auch denjenigen Kindern, die nicht im Krippenspiel selbst eine Rolle spielen, können Möglichkeiten angeboten werden, sich aktiv in die Feier einzubringen: Oft wird für die Gottesdienste gebastelt, werden Gebete und Fürbitten formuliert, der Raum geschmückt, kleine Aufgaben verteilt, Dankgebete für das Hochgebet aufgeschrieben und mit Kindern die musikalische Gestaltung eingeübt, z. B. in einem kleinen Projektchor oder in einer Musikgruppe. Die aktive Beteiligung der Kinder an der Feier der Liturgie kann ganz vielfältig sein. Und natürlich ist auch das reine Mitfeiern selbst eine Form der partizipierenden Teilnahme – für Kinder und Erwachsene.
Ausgehende von den zahlreichen Aktivitäten in der Weihnachtszeit ist es – nebenbei bemerkt – lohnend, sich als Haupt- und Ehrenamtliche in den Gemeinden dafür einzusetzen, dass diese Beteiligung nicht auf Weihnachten beschränkt bleibt.

Sentimentalität oder tiefes Berührtsein?

Die Emotionen, mit denen der Heilige Abend belegt ist, macht für Kinder die Atmosphäre so besonders. Selbst wenn sie nicht selbst aktiv in die Gestaltung der Weihnachtsgottesdienste eingebunden sind, so spüren sie doch genau, wie ihre Eltern sich ergreifen lassen – von Erinnerungen an frühere Weihnachtsfeste und an die Geburt der eigenen Kinder, vom aktuellen Geschehen im Gottesdienst oder gegebenfalls auch von der Trauer darüber, dass sie Weihachten wegen Brüchen in der Partnerschaft nicht als Familie zusammen feiern können. Die Heilige Familie bietet in der biblischen Überlieferung allerdings auch nicht das Bild eines idyllischen Festtagsideals. Wegen der Steuererhebung der Besatzungsmacht muss Maria nach beschwerlicher Reise ihr Baby ohne vertrauten Beistand unterwegs zur Welt bringen. Anschließend kann die Familie nicht nach Hause, sondern muss vor König Herodes flüchten. Auch Kinder haben schon eine Vorstellung davon, was es heißt, keine Herberge zu finden – in diesem Jahr nach der Aufnahme der vielen Familien mit Fluchterfahrung wahrscheinlich mehr denn je. Auch die Erwachsenenjahre von Jesus zeigen kein glattes, angepasstes Leben. Jesu Weg ist steinig, und er endet nach der Verurteilung zur Kreuzigung zunächst mit dem Tod. Aber Gott hat Jesus nicht im Tod gelassen, er hat ihm neues Leben geschenkt.

Die Weihnachtsbotschaft aufs Jahr öffnen

Die Zusage, dass der Tod nicht das letzte Wort hat, zeigt Kindern wie Erwachsenen, dass Gott sich den Menschen damals wie heute zuwendet. Jesus bringt auch in die schweren Lebenssituationen die Hoffnung auf ganzheitlichen Frieden, auf Versöhnung und auf ein neues Leben. Auch das ist Teil der Weihnachtsgeschichte und gehört zum Weihnachtsfest.
Der Freiburger Liturgiewissenschaftler Stephan Wahle erkennt die wichtige Rolle der Familienliturgie und Krippenspiele zu Weihnachten „als Auftakt für die häusliche Familienfeier [weil sie] der Sinnentleerung des Weihnachtsfestes entgegen wirken.“ (Stephan Wahle) Wenn also die christliche Botschaft in diesen Kinder- und Familiengottesdiensten in der Weihnachtszeit weitergesagt und gefeiert wird und wenn Kinder (auch schon an der Vorbereitung) aktiv beteiligt werden, dann ist keine Stunde des oft großen Engagements der Haupt- und Ehrenamtlichen verschwendet. Und es kann weiterwirken: Die Weihnachtszeit endet am Sonntag nach Dreikönig mit der Taufe des erwachsenen Jesus. Wenn wir auch das mit Kindern im Gottesdienst feiern und die Kinder sich da an ihre eigene Taufe erinnern, dann wird Weihnachten auf das ganze Jahr hin geöffnet. 

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