Urlaub mit tierisch guten ReisebegleiternPhysiologus-Travel

Den Urlaub als spirituelle Auszeit erleben – das kann zum einen heißen: sich ganz allein in die Stille eines Klosters zurückziehen; keine Kreuzfahrt buchen, sondern an Exerzitien teilnehmen; eine Etappe auf dem Pilgerweg nach Santiago gehen; zuhause bleiben und die Zeit bei geistlicher Lektüre verbringen. Es kann aber auch heißen: meiner Reise oder meinem Ferienaufenthalt einen besonderen Akzent geben; mir vornehmen, auf Dinge zu achten, an denen ich im Alltag vorbeigehe; in der entspannten Atmosphäre freier Tage mein Glaubensleben wieder einmal genauer anschauen. Ein uraltes Buch könnte dazu interessante Anregungen geben …

Die einen schwören, wenn sie ihren Urlaub planen, auf „Studiosus-Reisen“. Sie möchten ihr Wissen erweitern, die Natur und die Kultur eines Landes intensiv kennenlernen und auch ab und zu einen Blick hinter die Kulissen werfen.
Andere buchen bei „Ikarus Tours“, weil sie in ihren freien Tagen etwas erleben, den Reiz des Risikos spüren und atemberaubende Erfahrungen machen wollen.
Ich möchte Ihnen in diesem Jahr einen Urlaub mit „Physiologus-Travel“ schmackhaft machen. Dieses traditionsreiche, etwas andere Reiseunternehmen hat sich spezialisiert auf ganz besondere Fahrten: Es lädt dazu ein, den Urlaub einmal ganz bewusst als „spirituelle Auszeit“ zu erleben. „Physiologus-Travel“ geht zurück auf einen bibelfesten „Naturkundler“, der am Ende des 2. Jahrhunderts im Nahen Osten gelebt und ein interessantes Büchlein verfasst hat. Darin beschreibt er – auf dem Wissensstand seiner Zeit – zuerst die Eigenschaften und die Verhaltensweisen verschiedener Tiere, um sie dann in einem zweiten Schritt christlich-spirituell-symbolisch zu deuten und mit Ratschlägen an die Gläubigen zu verbinden.
Es könnte nicht nur amüsant, sondern auch sehr reizvoll sein, sich das eine oder andere dieser Tiere als Reiseführer für die kommende Ferienzeit zu wählen,

  • weil sie uns die Augen öffnen für Dinge, die wir im Alltag oft übersehen;
  • weil sie uns zu Aktivitäten anregen, die in unserem dicht gefüllten Terminkalender manchmal keinen Platz mehr finden;
  • weil sie uns auf Haltungen aufmerksam machen, die wir wegen unserer vielen Aufgaben vernachlässigen;
  • weil sie uns zeigen, wie unser geistliches Leben wieder mehr Farbe und Profil bekommen kann.

Vertraute und neue Kraftquellen aufsuchen

Der Hirsch bietet sich als geistlicher (Urlaubs-)Begleiter vor allem dann an, wenn wir „ausgepowert“ sind und wieder zu unseren Kraftquellen finden wollen. Schon in den Psalmen wird sein „Durst“ als Bild für die menschliche Sehnsucht nach Gott beschrieben: „Wie der Hirsch lechzt nach frischem Wasser, so lechzt meine Seele, Gott, nach dir“ (Ps 42,2). Und das „Physiologus“- Büchlein schildert, wie der Hirsch einen Drachen tötet, der sich vor ihm in eine Erdspalte flüchtet: Er füllt sich den Bauch mit frischem Quellwasser und spritzt es dann in die Spalte. Damit zwingt er den Drachen, herauszukommen und kann ihn dann niederschlagen.
Wer den Stress-Drachen bekämpfen und unschädlich machen will; wer in seinen Ferien aus dem Hamsterrad des Alltags aussteigen und bewusst das geschäftige Leben unterbrechen möchte; wer zur Besinnung kommen, innere Ruhe finden und sich wieder auf das Wesentliche besinnen will – der hätte im Hirsch einen idealen Animateur.
Als Quellwasser, mit dem wir dem Zeitfresser-Drachen zu Leibe rücken könnten, bietet sich an: Wieder einmal in der Bibel lesen; die Psalmen neu für sich entdecken; regelmäßig Zeit für das Gebet aussparen; Gottesdienste fest einplanen; Menschen besuchen, die uns durch ihre Ruhe und Freundlichkeit aufbauen und wieder Lust am Leben vermitteln; dem Schlaf genügend Raum geben.
Mit dem Hirsch an die Quelle – ein erfrischendes Angebot!

Den „alten Menschen“ ablegen

Auch die Schlange macht – laut „Physiologus“ – interessante Vorschläge zur Urlaubsgestaltung: „Wenn sie sich verjüngen will, lebt sie asketisch und fastet vierzig Tage und vierzig Nächte, bis ihre Haut faltig wird. Und sie sucht einen Felsen mit einer engen Spalte. Dort kriecht sie hinein und reibt ihren Leib. So wirft sie die alte Haut ab und wird wieder jung.“
In diesem Fall könnte es sich lohnen, auf den Rat der Schlange zu hören. Mit ein wenig Phantasie finden wir die Felsspalte, in die wir uns eine Zeitlang verkriechen möchten – den Rückzugsort, den wir für unsere Regeneration, für unsere „Verjüngungskur“ brauchen: sei es eine Almhütte, in der wir die Ruhe der Berge genießen; eine Kirche, in der wir für einige Augenblicke dem Lärm der Stadt entgehen; oder ein Kloster, in dem wir uns auf einen wohltuenden Tagesrhythmus einlassen.
An solchen Orten bekommen wir die Chance, unsere „alte Haut“ abzustreifen – die „Zwangsjacke“ mancher Verpflichtungen und Verabredungen; das starre Korsett unseres Terminkalenders; die Kruste unserer eingefahrenen Gewohnheiten. Hier haben wir die Gelegenheit, darüber nachzudenken, von welchem überflüssigen Ballast wir uns trennen wollen. Und wir können uns einüben in die Kunst der Entschleunigung. „Leben sie schneller, dann sind sie eher fertig“ – dieser doppeldeutige Slogan kann uns in einer ruhigen Stunde vor Augen führen, wie hektisch unser Leben schon geworden ist und wie befreiend eine Geschwindigkeitsbegrenzung wäre.
Sich mit der Schlange wieder auf Linie bringen – es lohnt sich!

Das Gift des Alltags zurücklassen

Im „Physiologus“ findet sich noch eine zweite Anregung der Schlange, dieser sonst eher negativ charakterisierten Reisebegleiterin: „Wenn die Schlange zum Wassertrinken an die Quelle geht, so bringt sie ihr Gift nicht mit sich, sondern lässt es in der Höhle zurück.“
Ein wertvoller Rat für die bevorstehenden Urlaubstage: Das Gift des Alltags zurücklassen – z. B. die vergiftete Atmosphäre in der Abteilung oder im Betrieb; ungesunde Spannungen im Bekanntenkreis; krankmachende Abhängigkeiten von Handy, Smartphone oder PC; die gefährliche Vorstellung, immer und überall erreichbar sein zu müssen; die fragliche Kunst des „Multi tasking“, also mehrere Dinge gleichzeitig tun zu können.
Gerade der Verzicht darauf, die freie Zeit mit Alltagssorgen und zu vielen Aktivitäten zu überladen – die Konzentration auf eine Sache könnte als wertvolles Entgiftungsprogramm den Urlaub zu einer Phase der geistigen Gesundung machen.
Das Gift im Schrank lassen – und dann ab in den Urlaub!

Sich einen neuen Blick schenken lassen

Mit dem Adler, wie er im Katalog des „Physiologus“ beschrieben wird, könnte ich mir einen Urlaub als spirituelle Auszeit auch sehr gut vorstellen: Wenn seine Augen trübe werden und er nichts mehr sieht, setzt er sich auf eine Felsspitze und dreht sich der Sonne zu. Ihre Wärme strahlt auf ihn ein, und dadurch wird sein Blick scharf und klar – er bekommt wieder im wahrsten Sinn des Wortes „Adleraugen“.
Wer immer funktionieren muss, wird mit der Zeit „betriebsblind“ oder bekommt zumindest einen getrübten Blick. Wer froh ist, gerade noch das wahrzunehmen, was unmittelbar vor ihm liegt oder jetzt als Nächstes getan werden muss, der verliert den Durchblick und dessen Gesichtsfeld schränkt sich ein.
Die wärmende Sonne entspannter Ferientage genießen und sich dabei den Blick wieder weiten und schärfen lassen – das könnte ein sinnvolles Urlaubsziel sein: die eigenen Talente klarer sehen und sich daran freuen; die Signale des persönlichen Wohlbefindens oder Unbehagens bewusster wahrnehmen und darauf reagieren; bei Spaziergängen innehalten und Dinge entdecken, an denen ich bisher achtlos vorübergegangen bin; in Ruhe die Menschen betrachten, denen ich viel verdanke – und die Aufmerksamkeit für sie wieder ins Auge fassen.
Mit Adleraugen nach Hause kommen – Ferien als Sehschule!

Spielend auftanken

Der Delphin könnte ebenfalls ein hervorragender Reisebegleiter sein. Er ist verspielt und gesellig, er schwimmt – so schreibt „Physiologus“ – mit den Segelschiffen um die Wette. Mit seiner Schnelligkeit und Geschicklichkeit, mit seiner Sprungkraft, die ihn selbst große Hindernisse leicht überwinden lässt, wird er in der frühen Kirche zum Sinnbild für die Christen, die mit Eifer, Schwung und Begeisterung ihren Glauben leben.
Die Freude am Spiel, die er verkörpert, dürfte in einem Urlaub, der sich als „Auszeit“ deutlich von unserer sonst so verzweckten und verplanten Zeit unterscheiden soll, nicht zu kurz kommen. „Bei selbstvergessenem Spielen, das nicht verbissen auf Gewinn und Erfolg fixiert ist, sind wir ganz in der Gegenwart – heiter, glücklich und gelassen. Was halten Sie davon, im Urlaub wieder einmal so entspannt zu spielen …? Vielleicht können Sie ein wenig von dieser spielerischen Gelassenheit, diesem selbstvergessenen, freudigen Ganzbei- der-Sache-Sein auch auf den Alltag und die Lösung von Problemen übertragen“ – meint die Theologin Gisela Baltes.
Spielen hat keinen Zweck – deshalb macht es Freude!

Das Schöne genießen – ohne die Bodenhaftung zu verlieren

Den oft nur als Symbol der Eitelkeit dargestellten Pfau beschreibt der „Physiologus“ sehr ausgewogen: den schönen Flügeln und dem prachtvollen Gefieder stellt er die kreischende Stimme und die verbogenen Füße gegenüber. So zeichnet er in diesem hübschen Vogel ein Bild des Menschen: begabt und hinfällig, kreativ und sündig, Krone der Schöpfung – und erbärmlich zugleich. Und er rät uns, vom Pfau zu lernen: „Wenn du deine Aufgaben siehst und das Gute, das du hast, freue dich von Herzen und jauchze in deiner Seele. Wenn du aber deine Füße siehst, das sind deine Fehler, rufe klagend zu Gott und hasse die Ungerechtigkeit wie der Pfau seine Füße …“
Mit dem Pfau als ungewöhnlichem, aber tierisch gutem Urlaubsbegleiter könnten wir in diesen Tagen zu einer inneren Balance finden: für das Angenehme und Erfreuliche in unserem Leben danken – und gleichzeitig Ja sagen zu unseren Grenzen und Unzulänglichkeiten; zufrieden auf das zurückschauen, was uns in den vergangenen Wochen gelungen ist – und trotzdem das im Auge behalten, was noch verbessert werden muss; Schönes ohne schlechtes Gewissen, mit allen Sinnen und frohen Herzens genießen – ohne abzuheben und Negatives einfach zu verdrängen.
Der Pfau bestärkt uns darin, uns selbst in den Ferientagen einmal etwas Gutes zu tun und uns zu begeistern für Dinge, für die uns sonst die Muße fehlt: für die Farben und Formen in der Natur, für herrliche Landschaften, für interessante Architektur und für die Schätze in unseren Museen; für Töne und Klänge im Freien oder im Konzertsaal; für Bewegung beim Wandern oder Spazierengehen. Und er bewahrt uns gleichzeitig davor, diese kostbaren Augenblicke für die einzige Wirklichkeit zu halten.
Urlaub mit Pfauen-Augen-Maß – die Auszeit mit Kultur!

Die Großen des Glaubens imitieren

„Er kann die Stimmen des Menschen nachahmen, er spricht auch selbst in gleicher Weise und unterhält sich wie ein Mensch.“ So kurz und prägnant wird im „Physiologus“ der Papagei charakterisiert. In anderen antiken Schriften werden sein Hörvermögen, seine Lernfähigkeit und seine Gelehrsamkeit gelobt, teilweise schreibt man ihm sogar menschlichen Verstand zu. Allen, die in ihrem Urlaub noch dazulernen und sich auch in ihrem Glaubensleben weiterbilden wollen, wird der Papagei als Vorbild empfohlen: „Ahme auch du, Mensch, die Stimme der Apostel nach, die Gott priesen, und preise auch selbst, ahme den Wandel der Gerechten nach, damit du gewürdigt werdest, ihre lichtglänzenden Sitze zu erreichen.“
Auch das würde unseren Ferientagen einen spirituellen Charakter verleihen: In den Kirchen, die wir besuchen, die Statuen und Bilder der Apostel und Heiligen betrachten; sich ihre Lebensgeschichte vergegenwärtigen; die Art und Weise, wie sie die Nachfolge Jesu verstanden und gelebt haben, auf sich wirken lassen – und so dem eigenen Glaubensleben neue Impulse geben.
Der diskrete Charme alter Kirchen – eine neue Motivation für unser Christsein!

Offen sein für Neues

Inzwischen arbeitet „Physiologus- Travel“ auch mit einigen Gast- Reiseführern zusammen. Etwa mit dem Schmetterling. Während man ihn heute meist als Bild für ein kurzlebiges, flatterhaftes Dasein sieht, stand früher ein anderer Aspekt im Vordergrund: seine Fähigkeit, sich aus einer scheinbar leblosen Puppe in ein schönes, farbenfrohes, geflügeltes Wesen zu verwandeln; seine Offenheit für etwas ganz Neues.
Im Urlaub wieder das Staunen lernen, neugierig sein, sich interessieren für Neues, für andere Menschen und andere Kulturen, kreativ werden und Ungewohntes ausprobieren – dazu könnte uns dieser tierische Wegbegleiter animieren.
Heute hier, morgen dort – mit dem Schmetterling auf Neues fliegen!
Ich hoffe, dass die kleine Auswahl aus dem Programm von „Physiologus- Travel“ Ihre Phantasie für die kommenden Urlaubswochen angeregt hat …

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