Haben Sie schon die Weihnachtsfeiern geplant: für die KAB, für die Frauengemeinschaft, die haupt und nebenamtlichen Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen, für die Lektoren, Kommunionhelfer, Ministranten …? Oder: Haben Sie schon die Weihnachtsfeiern, an denen teilzunehmen von Ihnen erwartet wird, in Ihren Terminkalender eingetragen? Und warum nennen sich diese Feiern im Advent eigentlich „Weihnachtsfeiern“? Und was wird da gefeiert? Warum nennen wir sie nicht „Adventsfeier“? Nachdem die Verkaufsindustrie schon die „vorweihnachtliche Zeit“ geschaffen hat, beginnt dann mit dem ersten Advent auch der erste vorweihnachtliche Besinnungsstress.
Ausgangspunkt
Wenn dem so ist, dann sind Sie im Advent angekommen. Aber in welcher Art von Advent sind Sie angekommen? Tja, in der Gestalt von Advent, zu der er verkommen ist.
Und worum geht es dann beim Advent? Sie können ja mal den Test machen. Fragen Sie in Ihrer Umgebung, wozu der Advent dient. Mit Sicherheit bekommen Sie zu 99 Prozent die Antwort, der Advent wolle auf Weihnachten vorbereiten. Nun ist das nicht ganz falsch. Und was sagt die Kirche und die Liturgie dazu, die uns ja eigentlich den Advent geschenkt hat?
Zielpunkt
Die Grundordnung des Kirchenjahres und des neuen Römischen Generalkalenders erklärt:
„Die Adventszeit hat einen doppelten Charakter: Sie ist einerseits Vorbereitungszeit auf die weihnachtlichen Hochfeste mit ihrem Gedächtnis des ersten Kommens des Gottessohnes zu den Menschen. Andererseits lenkt die Adventszeit zugleich durch dieses Gedenken die Herzen hin zur Erwartung der zweiten Ankunft Christi am Ende der Zeiten“ (Nr. 39). Die zwei charakteristischen Merkmale oder Dimensionen der Adventszeit sind nicht einfach vermischt, sondern zeitlich klar unterschieden: „Die Wochentage vom 17. bis zum 24. Dezember sind unmittelbar auf die Vorbereitungszeit von Weihnachten hingeordnet“ (Nr. 42). Wir sehen, dass die Vorbereitungszeit auf Weihnachten nur sieben Tage der gesamten Adventszeit ausmacht; hingegen lenken drei (in diesem Jahr zwei) Wochen der Adventszeit „hin zur Erwartung der zweiten Ankunft Christi am Ende der Zeiten“: damit ist die sogenannte eschatologische, die endzeitliche Dimension des Advents angesprochen. Wenn das zeitliche Maß ein Hinweis für die Bedeutsamkeit ist, dann hätte die eschatologische Dimension des Advents eine größere Bedeutsamkeit. Nun kann man nicht gerade sagen, dass in unserer pastoralen Landschaft, in der Verkündigung und im Bewusstsein der Gläubigen, diese Dimension besonders präsent sei, obwohl die alltägliche und sonntägliche Liturgie „adventliche“ Ausblicke bietet. Weihnachten als Feier eines Ereignisses der Vergangenheit passt besser zu unserem post-christlichen Zeitalter als die Erwartung eines zukünftigen Ereignisses.
Adventliche Ausblicke
Ausblick unseres Glaubens: „Er sitzt zur Rechten des Vaters und wird wiederkommen in Herrlichkeit, zu richten die Lebenden und die Toten …“ (Großes Glaubensbekenntnis). „Er sitzt zur Rechten Gottes, des allmächtigen Vaters; von dort wird er kommen, zu richten die Lebenden und die Toten“ (Apostolisches Glaubensbekenntnis).
Ausblick unseres Feierns: „Deinen Tod, o Herr, verkünden wir, und deine Auferstehung preisen wir, bis du kommst in Herrlichkeit“ (Akklamation nach der Wandlung). „Wir verkünden sein heilbringendes Leiden, seine glorreiche Auferstehung und Himmelfahrt und erwarten seine Wiederkunft“ (Drittes Hochgebet). „Wir verkünden den Tod deines Sohnes und sein Hinabsteigen zu den Vätern, bekennen seine Auferstehung und Himmelfahrt und erwarten sein Kommen in Herrlichkeit“ (Viertes Hochgebet).
Ausblick unseres Betens: Komm uns zu Hilfe mit deinem Erbarmen und bewahre uns vor Verwirrung und Sünde, damit wir voll Zuversicht das Kommen unseres Erlösers Jesus Christus erwarten“ (Weiterführung des Vaterunsers). Christus kommt nicht erst am Ende der Zeiten, sondern er kommt immer auf uns zu, in jedem Moment unseres Lebens und unserer Geschichte. So haben wir immer Zukunft, weil ER immer auf uns zukommt.
Die eschatologische Dimension unseres Glaubens wird in unseren Gemeinden in der Eucharistiefeier täglich zur Sprache gebracht, proklamiert und beantwortet. Es darf gefragt werden: Ist diese bewusst, gewusst, geglaubt, gelebt? Leben wir im Wissen um den auf uns zukommenden und am Ende der Zeiten wiederkehrenden Christus oder leben wir in diesseitiger Endgültigkeit?
Ungeachtet ihrer Präsenz in der alltäglichen und sonntäglichen Eucharistiefeier ist die eschatologische Dimension unserer christlichen Existenz eher unterbelichtet und wartet auf spirituelle Erneuerung.
Um uns dieser Vergessenheit zu entreißen, feiern wir diesen Aspekt des Advents. Es geht darum, uns das Glaubensgeheimnis der Wiederkunft Christi bewusst zu machen.
Wegbegleiter
Wenn wir dem kommenden Christus entgegengehen, begleiten uns dabei drei Personen.
Jesaja ist der Prophet der Hoffnung, nicht nur der Hoffnung des damaligen Israel, sondern Prophet, der die Hoffnung der Menschheit und meine Hoffnung zum Ausdruck bringt und verkündet, dass diese Hoffnung nicht ins Leere geht, sondern von Gott her ihre Erfüllung finden wird (Heimkehr des Gottesvolkes; das Friedensreich des Messias; der Wurzelspross aus Isai; das Immanuel-Zeichen).
Johannes der Täufer lädt zur Umkehr ein. Um Christus entgegenzugehen und um ihm zu begegnen, muss man den eigenen engen Horizont verlassen und aus seinen Selbstsicherungen aussteigen.
Maria ist die Frau der Verfügbarkeit, die im Gegensatz zu Eva den Plan Gottes annimmt. Darum ist sie Vorbild für mich, meine mir von Gott zugedachte und angebotene Berufung anzunehmen.
Adventliche Haltungen
Wenn wir uns von diesen drei Personen leiten und begleiten lassen, können wir uns jene Haltungen aneignen, mit denen wir uns auf die Wiederkunft Christi vorbereiten.
Es ist die adventliche Wachsamkeit im Glauben, im Gebet und in aufmerksamer Offenheit und marianischer Verfügbarkeit, um so die Zeichen für die Ankunft des Herrn in den verschiedenen Lebensumständen zu erkennen.
Es ist das Verlassen der ziellosen Irrwege und das Gehen der Wege Gottes, also eine echte Kehrtwendung, Umkehr: Nachfolge Jesu in Richtung auf das Reich Gottes.
Es ist die Bezeugung der Freude, mit der Jesus uns erfüllt. Die Bezeugung geschieht in der Nächstenliebe und in der Geduld gegenüber den Nächsten, sie geschieht in der Offenheit für alle guten Initiativen, mit denen jetzt schon das Reich Gottes errichtet wird.
Es ist die Bewahrung eines reinen, lauteren, demütigen Herzens nach dem Beispiel des hl. Josef, der Gottesmutter und des Täufers und der anderen sogenannten „Armen“ des Evangeliums; gerade sie konnten im Menschen Jesus den Retter, den Messias, den Christus erkennen, der von Gott her gekommen war, um die Menschen zu retten.
„Ankommen im Advent“ heißt für uns: zunächst den immer auf uns zukommenden Christus in den Zeichen der Zeit erkennen und aufnehmen; ihm folgen auf dem Weg, der zum Vater führt; damit er uns alle – wenn er einst bei der Vollendung der Zeiten endgültig und in Herrlichkeit kommt – ins Reich seines Vaters führt und uns mit allen Heiligen teilhaftig macht des ewigen Lebens. „Hilf uns, dass wir auf dem Weg der Gerechtigkeit Christus entgegengehen und uns durch Taten der Liebe auf seine Ankunft vorbereiten, damit wir den Platz zu seiner Rechten erhalten, wenn er wiederkommt in Herrlichkeit“ (Tagesgebet erster Adventssonntag).
Wegmarkierungen und Ruhepausen
Die Adventssonntage sind Wegmarkierungen und Ruhepausen im adventlichen Weg-Geschehen. Der Wortgottesdienst der Adventssonntage lenkt unsere Aufmerksamkeit zunächst besonders auf die endgültige Ankunft Christi, um so besser die Ankunft Christi im Laufe der Geschichte zu erkennen. In diesem Lesejahr B handelt es sich um folgende Aspekte:
Erster Adventssonntag: Der Herr kommt mit großer Macht und Herrlichkeit, aber nicht zu einem Datum, das in unserem Kalender steht. Wir müssen verantwortlich und wachsam leben. Zweiter Adventssonntag: Die Wiederkunft Christi überfällt uns nicht. Sie wird von uns vorbereitet, wenn wir uns ihm zuwenden. Wir müssen nicht tatenlos sein, sondern können praktisch werden. „Bereitet dem Herrn den Weg!“ (Evangelium) „Lass nicht zu, dass irdische Aufgaben und Sorgen uns hindern, deinem Sohn entgegenzugehen“ (Tagesgebet).
Der dritter Adventssonntag steht schon im Zeichen von Weihnachten: Der lebendige Gott ist die Erfüllung unserer tiefsten Sehnsucht. Die adventliche Frage dieses Sonntags: Was ersehnen wir? Diese oder jene Gabe oder ihn, den lebendigen Gott?
Vierter Adventssonntag: Gott hat auf Macht und Größe verzichtet und ist Mensch geworden. Der Weg unserer Umkehr kann nicht anders sein, wenn wir Gott erfahren wollen.
Praktische Ratschläge
Als Erstes wäre eine zweifache „Gewissenserforschung“ zu empfehlen. Wie steht es um meine persönliche Glaubenshaltung bezüglich der Wiederkunft des Herrn? Glaube und lebe ich die Parusie Christi? Erwarte ich ihn? Sodann überprüfe ich, was ich mit den sogenannten „Weihnachtsfeiern“ im Advent eigentlich feiern will oder zu feiern einlade.
Als Zweites überprüfe ich meine Terminologie. Ich überlege, ob es nicht sinnvoll wäre, das gesellschaftliche Diktat von „Weihnachtsfeiern“ zu durchbrechen und stattdessen von „Adventsfeiern“ zu sprechen und zu schreiben, um damit auch einen katechetischen Impuls zu geben.
Drittens lese und meditiere ich aufmerksam die liturgischen Texte auf Hinweise bezüglich der Parusie des Herrn im Unterschied zum Gedächtnis seiner Menschwerdung,
B. „Denn in seinem ersten Kommen hat er sich entäußert und ist Mensch geworden … Wenn er wiederkommt im Glanz seiner Herrlichkeit, werden wir sichtbar empfangen, was wir jetzt mit wachem Herzen gläubig erwarten“ (Präfation vom Advent 1). „Was du durch sein erstes Kommen begonnen hast, wirst du bei seiner Wiederkunft an uns vollenden“ (Präfation vom Advent IV).