Die Rede von einem Dialog mit der Jugend hat in der Kirche durchaus Tradition. Das Konzil, möglicherweise noch beeindruckt von den lebendigen Formen der Katholischen Aktion in vielen Ländern und der Katholischen Jugendbewegung der Zwischen- und Nachkriegszeit im deutschsprachigen Raum, spricht im Dekret über das Laienapostolat „Apostolicam Actuositatem“ von der notwendigen Sorge der Erwachsenen, „mit den Jugendlichen in ein freundschaftliches Gespräch zu kommen, das beiden Teilen erlaubt, den Altersabstand zu überwinden, sich gegenseitig kennenzulernen und die je eigenen reichen Werte einander mitzuteilen. Die Erwachsenen mögen die Jugend zunächst durch ihr Beispiel, bei gegebener Gelegenheit auch durch klugen Rat und tatkräftige Hilfe zum Apostolat anregen. Die Jugendlichen mögen sich um Achtung und Vertrauen gegenüber den Erwachsenen bemühen; und wenn sie auch von Natur aus dem jeweils Neuen zuneigen, mögen sie doch auch lobenswerte Überlieferungen geziemend achten“ (AA 12).
Der wechselseitige Dialog, in dem die je unterschiedlichen Kompetenzen – sicherlich auch ein wenig holzschnittartig geraten – respektiert werden, wird zum Modell des Generationenverhältnisses. So auch im Beschluss der Würzburger Synode zu „Zielen und Aufgaben kirchlicher Jugendarbeit“ (1975): „Wo Erwachsene zur Mitwirkung in der Jugendarbeit bereit sind, sollte das vor allem ein Angebot der Kommunikation sein, das heißt: zum Gespräch und zu echter Teilnahme […]. Ihre Lebenserfahrung soll die Erfahrung des jungen Menschen deuten, seine Probleme lösen helfen, aber sie kann nicht von vornherein die einzig gültige Deutung, die einzig richtige Lösung sein.“
Dialog – ein Modell für das Verhältnis von Kirche und Jugend?
Andernorts wird dieses Modell auf das Verhältnis der Kirche (unbewusst damit in eins mit der Generation der Erwachsenen gesetzt) zur Jugend übertragen, etwa im Nachsynodalen Apostolischen Schreiben Johannes Pauls II. „Christifideles Laici“ (1988), das einen „offenherzigen, klaren und mutigen Dialog“ fordert, denn: „Die Kirche hat der Jugend viel zu sagen, und die Jugend hat der Kirche viel zu sagen“ (CL 46).
Dieses Ideal – so ist letztlich doch einzuräumen – besteht den Praxistest selten. Älteren mögen Dialogveranstaltungen von Bischöfen und Jugendgruppen noch in Erinnerung sein. Oder Briefwechsel von Bischöfen an ihre Bistumsjugend bzw. – umgekehrt – der Aufruf, ihnen zu schreiben. Wirkliche Diskurse mit der Kirchenleitung führten in der Vergangenheit allenfalls die (Vertreter der) Jugendverbände. Auch Begegnungen im Rahmen der bischöflichen Predigten während der Weltjugendtage werden nur in seltenen Fällen als wirklich dialogisch erlebt.
Demgegenüber bestünde auf der lokalen Ebene regelmäßig Gelegenheit zum gegenseitigen Kennenlernen und zum Austausch mit jungen Menschen. Zunächst sind es die in gemeindenahen Gruppen und Angeboten Engagierten, sodann aber auch jene, die weniger regelmäßig am Gemeindeleben teilnehmen (das Vorbereitungsdokument des Vatikans hat auch diese im Blick!). So kommt etwa bei der Vorbereitung auf das Firmsakrament immer noch eine große Zahl junger Menschen unterschiedlicher sozialer bzw. lebensweltlicher Milieus in die Mitte der Gemeinde, darunter nicht wenige, die nur punktuell den Kontakt suchen und kaum religiös bzw. kirchlich sozialisiert sind. (Freilich ist auch hier die Tendenz zur Homogenisierung aufgrund der innerkirchlichen Zentripetalkräfte zu beobachten; will sagen: Auch die Firmkandidaten stellen keinen repräsentativen Durchschnitt katholischer Jugendlicher, geschweige denn der Jugendkohorte insgesamt mehr dar.)
Schließlich sind Schulen, Einrichtungen der Offenen Kinder- und Jugendarbeit oder der Jugendsozialarbeit (z. B. Jugendwohnheime), Einrichtungen der Caritas, der Jugendmigrationsdienste etc. Orte, an denen der Dialog mit sehr unterschiedlichen jungen Menschen geführt werden kann. Allein: Wer – jenseits der dort angestellten Fachkräfte – sucht das Gespräch mit ihnen und lässt sich von ihren Lebensgeschichten, ihren kulturellen Ausdrucksformen, ihren Sehnsüchten und Hoffnungen herausfordern und inspirieren? Und: Inwieweit hätten ihre Ansichten wirklich Einfluss auf das Geschehen in einer Pfarrei? Wie sollen sie dann Einfluss auf ein Bistum und jetzt gar auf die Entwicklung der Weltkirche haben?
Die Synode an ihren Grenzen
Was auf und im Anschluss an die „Familiensynode“ (2014/15) zu lebhaften Auseinandersetzungen führte (vor allem die Frage nach der Zulassung von wiederverheirateten Geschiedenen zu den Sakramenten), ist beim Thema „Jugend“ nicht zu erwarten. Die sich im Anschluss an die Familiensynode offenbarende grundlegende Problematik aber ist die gleiche: Die Situation ist weltweit derart unterschiedlich, dass kaum mit konkreten Antworten zu rechnen ist. Viel eher wird es bei allgemeinen Appellen und wohlmeinenden (vielleicht auch wohltuenden) Ermutigungen bleiben, solange man nicht das umsetzt, was Papst Franziskus in „Evangelii Gaudium“ eine „heilsame ‚Dezentralisierung‘“ (EG 16) nennt. Denn genauso wie nach dem Nachsynodalen Schreiben „Amoris Laetitia“ (2016) verschiedene Bischofskonferenzen nicht nur unterschiedliche, sondern einander widersprechende Regelungen trafen, wird auch das Thema Jugend sehr unterschiedliche Konkretisierungen in den verschiedenen Ländern und Kontinenten erfordern.
Während Kirchen in Gesellschaften mit einem hohen Anteil junger Menschen, etwa in Lateinamerika oder Afrika, kaum umhin können, die „Stimme der Jugend“ zu hören (immer noch beispielhaft formuliert im Dokument der Lateinamerikanischen Bischöfe „Jugend, Kirche und Veränderung“ [1984]), tun sich demographisch alternde Gesellschaften, etwa in Mitteleuropa, deutlich schwerer. Jugendliche wären hier mancherorts unter Artenschutz zu stellen. Dass sich ein fairer Dialog auf Augenhöhe zunehmend schwieriger gestaltet, liegt auf der Hand. Denn entweder finden – da eine Minderheit – Jugendliche kein Gehör, oder aber sie werden derart hofiert, dass das Gespräch wiederum in Schieflage kommt.
Die Themen werden es schwer machen
Tatsächlich sind die Erwartungen, die Jugendliche an die Kirche richten, unspezifischer Natur. So ließ die Shell-Jugendstudie 2015 erkennen, dass Kirche zwar durchaus wertgeschätzt wird, in gleichem Maße aber wird sie für modernisierungsbedürftig erachtet. Zwei Drittel der Jugendlichen sind gar der Meinung, dass die Kirche auf Fragen, die sie wirklich bewegen, keine Antwort habe.
Kirchennahe Jugendliche sind da etwas weniger kritisch und erleben (oder erhoffen sich) durchaus eine Beheimatung in der Kirche, wünschen sich dazu aber gleichwohl eine glaubwürdige und zugleich zeitgemäße Kirche, „eine Kirche, die in ihrem Bezug zur Welt nicht defensiv orientiert ist, sondern gemeinsam mit der Wissenschaft Fortschritt und Zukunft mitgestaltet. Viele fordern von der Kirche Neuaufbrüche und konkrete Veränderungen auch in dogmatischen Fragen“ (aus dem Antwortschreiben der deutschen Bischöfe zur Vorbereitung auf die Synode vom 3. November 2017). Darunter wird man noch konkreter verstehen dürfen: einen offeneren Umgang der Kirche mit den verschiedenen Formen von Partnerschaft und sexueller Orientierung, lebendigere und persönlich ansprechendere Formen von Liturgie und Verkündigung, bessere Möglichkeiten der Mitgestaltung und Mitbestimmung des lokalen Gemeindelebens und durchaus auch eine stärkere Gleichberechtigung von Frauen und Männern hinsichtlich von Leitung und der Zulassung zu den Weiheämtern.
In ihrer die Synode vorbereitenden Antwort der deutschen Bischöfe heißt es aber zutreffend: „Eine große Anzahl Jugendlicher in unserem Land erbitten aber auch einfach nichts von der Kirche. Die Meinung der Kirche ist für sie bei der Bildung ihrer Identität von keinerlei Interesse.“ In den meisten Fällen leidet die Beziehung zur Kirche an einer Glaubwürdigkeitslücke: eine nach wie vor reiche deutsche Kirche, die wenig Rücksicht zu nehmen scheint auf die tatsächlichen Lebensbedürfnisse der Menschen, der es nur selten gelingt, eine Praxis zu entwickeln, die als „lebensrelevant und alltagsnah“ (Antwortschreiben der deutschen Bischöfe) erlebt wird.
Was ist also zu erwarten?
Die heutige Jugendgeneration – zumindest in Deutschland – stellt kaum noch die Speerspitze von Innovation und Kirchenentwicklung dar. Die letzten Jugendstudien zeichnen uns eher ein Bild von an die Gegenwart angepassten jungen Menschen, die pragmatisch mit den Herausforderungen umgehen, die sich ihnen persönlich stellen. Das Interesse, Kirche nach ihren Vorstellungen umzugestalten oder weiterzuentwickeln, mag noch die Kinder und Jugendlichen der 1960er bis 1980er Jahre geprägt haben. Heutige Jugendliche stellen mögliche Ideale hinter dem konkret Realisierbaren zurück. Füllten damals die Konflikte zwischen Jugendverbänden und Bischöfen selbst überregionale Nachrichtenmagazine, herrscht heute friedliche Koexistenz. Kirchenkritik assoziiert man eher mit Vertretern der Generation 60plus, die an der vor allem durch Papst Johannes Paul II. gebremsten Euphorie des konziliaren Aufbruchs leiden.
Auf der Synode sind große Konflikte – anders als bei der Familiensynode – nicht zu erwarten. Es hängt auch mit der breiten Themenstellung (Jugend, Glaube und Berufungspastoral) und der noch diffus wirkenden Zielsetzung zusammen. Denn es stehen keine theologischen Klärungen an, sondern eher eine Vergewisserung über den Sachstand und der Versuch, mögliche Ableitungen zu finden.
Eine Ansage aber lässt sich bereits im Vorbereitungsdokument erkennen: Neben dem Bereitstellen von Räumen und Orten der Begegnung und des Engagements ist die persönliche Kontaktaufnahme und die individuelle Begleitung in der Pastoral (mit jungen Menschen) unverzichtbar. Die deutsche Kirche wird sich diesbezüglich kritisch fragen lassen müssen, wie bei aller (notwendigen) Professionalisierung und damit einhergehender Aufgabenteilung die persönliche (geistliche) Begleitung junger Menschen (und zwar nicht nur jener, die schon unmittelbar an der Kirchentüre stehen) durch glaubwürdige Zeuginnen und Zeugen Christi gewährleistet werden kann.