Im Rahmen von Begegnungsreisen, Fachkräfteaustauschen, Nord-Süd-Partnerschaften, Jugendaktionen und internationalen Freiwilligendiensten werden globale Fragestellungen greifbar und entstehen Netzwerke. Jugendverbände entwickeln Materialien, beteiligen sich an Veranstaltungen, führen Fortbildungen durch und fassen politische Entschlüsse für eine nachhaltige Entwicklung in der Welt(-Kirche). Gute Beispiele hierfür sind die Teilnahme an den Weltjugendtagen, die entwicklungspolitischen Aktionen zur Weiterentwicklung des Fairen Handels und der Beschluss der BDKJ-Diözesanversammlung im Erzbistum München-Freising im März 2018 zur Weiterführung und personellen Verbesserung der internationalen Freiwilligendienste. Der BDKJ und seine Jugendverbände verjüngen bestehende Strukturen, um den bisherigen Umfang und die Qualität weltkirchlichen Engagements zu erhalten. Zudem hinterfragen sie bestehende Strategien und machen auf blinde Flecken aufmerksam.
Über das Profil von Freiwilligendiensten christlicher Prägung
Im Gegensatz zu pädagogisch inszenierten Begegnungssituationen in internationalen Jugend- oder Schü- 19 ler/innenaustauschen, die wegen ihrer Gruppenzusammensetzung und der kurzen Dauer eher Züge einer Urlaubs- und Freizeitveranstaltung haben, kennzeichnet internationale Freiwilligendienste ein authentischer Ernstcharakter, welcher zu einer spürbaren Veränderung von Denkmustern beiträgt. Freiwilligendienste im Ausland ermöglichen jungen Menschen, sich – als Ausdruck des christlichen Glaubens – für Frieden, Versöhnung, Gerechtigkeit und die Bewahrung der Schöpfung einzusetzen, einen Teil ihrer eigenen Lebenszeit und Kraft dafür zur Verfügung zu stellen und dabei Solidarität zu erfahren. Im Profilpapier der Kath. BAG FWD ist notiert: „Freiwilligendienste sind Teil des diakonischen Auftrags der Kirche. Durch ihr Engagement erbringen die Freiwilligen einen Dienst an Kirche und Gesellschaft“.
Jugendverbände als anerkannte Träger
Der BDKJ und seine Jugendverbände engagieren sich seit vielen Jahren als Träger von internationalen Freiwilligendiensten, werben in ihren eigenen Reihen für die Programme und beteiligen sich an Debatten zur Stärkung und Weiterentwicklung der Freiwilligendienste. Während zu Beginn lediglich junge Menschen aus Deutschland ins Ausland entsendet wurden, kam schnell die Forderung auf, in selber Weise Jugendliche aus den Partnerorganisationen für einen Freiwilligendienst in der BRD aufzunehmen.
Meilensteine und Kennzahlen in der Entwicklung der internationalen Freiwilligendienste
Vor zehn Jahren begannen die ersten jungen Menschen im Rahmen des entwicklungspolitischen Freiwilligendienstes ihr Abenteuer im Ausland. Auch wenn „weltwärts“ nicht das einzige Förderprogramm darstellt, welches einen staatlich geförderten Freiwilligendienst im Ausland ermöglicht, ist es doch das größte und als Marke etabliert. Mit der Einführung dieses Programms, das vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) bezuschusst wird, wuchs seit 2008 auch die Zahl der katholischen Entsendeorganisationen auf 55 Träger rasant an. Neben den Verbänden auf Diözesan- und Bundesebene sind es vor allem Hilfswerke, Ordensgemeinschaften und Bistümer, die als Entsendeorganisationen agieren – teilweise in Kooperation oder als Zusammenschluss, um Stärken zu bündeln. In gleicher Weise stieg durch die öffentliche Förderung die Anzahl der Freiwilligen, die jedes Jahr zu einem Freiwilligendienst im Ausland aufbrechen und als Botschafter/ innen für Fragen von globaler Gerechtigkeit reichlich beschenkt zurückkehren.
Gleichwohl ist die Tradition von Freiwilligendiensten im Ausland und der Wunsch von jungen Menschen, andere Kulturen und Lebensweisen getreu dem Motto „Mitleben – Mitarbeiten – Mitbeten“ kennenzulernen, viel älter. Der BDKJ Rottenburg-Stuttgart wählt bspw. bereits seit 1983 junge Menschen aus der Diözese für einen längerfristigen Freiwilligendienst im Ausland aus, entsendet die jungen Erwachsenen im Rahmen eines feierlichen Gottesdienstes und begleitet die Teilnehmenden des Weltkirchlichen Friedensdienstes (WFD) mit einem Team aus hauptberuflichen Mitarbeiter/innen und zurückgekehrten Freiwilligen.
630 „weltwärts“-Freiwillige wurden 2017 durch einen katholischen Träger auf den Dienst vorbereitet. Im Vergleich dazu wurden im letzten Jahr insgesamt 3.710 Freiwillige im Rahmen von „weltwärts“ entsendet. Der entwicklungspolitische Freiwilligendienst ist nicht vollfinanziert. Die Förderung wird lediglich anteilig gewährt. Deshalb müssen die Entsendeorganisationen gemeinsam mit den Freiwilligen Eigenmittel einwerben. Eine gute Öffentlichkeitsarbeit ist dazu der erste Schritt. Die Unterstützung für den Lerndienst kommt nicht selten von Eine-Welt- Gruppen aus Kirchengemeinden, von Eltern und Großeltern. Hinzu kommen nicht-monetäre Beiträge der Partnerorganisationen im Globalen Süden, welche in der Bilanz leider nicht erfasst sind.
Verschiedene Einsatzfelder und jugendpastorales Angebot
Im Ausland engagiert sich die Mehrzahl aller Freiwilligen, ganz gleich ob er/sie sich für eine evangelische, katholische oder nicht konfessionelle Organisation entschieden hat, in kirchlich-karitativen Einsatzstellen. Säkulare Einsatzplätze, in welchen die jungen Menschen für 6 bis 24 Monate unterstützende Tätigkeiten verrichten, finden sich in der Minderheit. Natürlich hängt das auch damit zusammen, dass die Rolle der Kirchen im Globalen Süden im Bereich des Sozialwesens nach wie vor elementar ist. Dennoch soll dieser Aspekt herangezogen werden, um zu verdeutlichen, weshalb Freiwilligendienste als jugendpastorales Feld anerkannt sind (https:// jugendpastoral.de/handlungsfelder/ freiwilligendienste) und sie in dem Abschlussdokument zur Vorbereitung der Jugendsynode des Vatikan (http://www.synod2018.va/ content/synod2018/de/abschluss dokument-des-vorbereitungstref fens-der-bischofssynode.html) explizit Erwähnung finden. Jungen Menschen eröffnet sich in einem internationalen Freiwilligendienst, der von einem katholischen Träger verantwortet wird, die Möglichkeit der Auseinandersetzung und der positiven Identifikation mit dem Glauben; solche Orte stellt die Kirche nur begrenzt bereit. Sie erfahren den Dienst am Menschen in den Einrichtungen konkret und nicht nur in Sonntagsreden. Sie lernen neue Ausdrucksformen von Glauben kennen, die Vitalität atmen, und treffen Gleichaltrige im Gottesdienst. Auch kirchenferne junge Menschen können in einem internationalen Freiwilligendienst individuelle Zugänge zum christlichen Glauben und zur Kirche finden und eigene religiöse Vorstellungen formen. Selten ist Kirche präsenter im Leben dieser Altersgruppe als im Rahmen eines Freiwilligendienstes im Ausland. Für Jugendliche, die bereits vor dieser Unterbrechung in katholischen Jugendverbänden, als Sternsinger oder in der Ministrantenarbeit engagiert gewesen sind, verbinden sich durch einen Freiwilligendienst im Ausland mit der Weltkirche Gesichter und persönliche Schicksale.
Wirksamkeit und Nachhaltigkeit der internationalen Freiwilligendienste
Zugleich geben die Freiwilligen der Weltkirche Gesichter, ihre Gesichter. Sie schreiben Rundbriefe und Blogs. Dadurch lassen sie ihre Freunde und Familien an den Erfahrungen teilhaben und werden zu wichtigen Multiplikator/innen. Auf diese Weise wird das Fremde bekannter und verständlicher, möglicherweise sogar attraktiv. Empathie lässt sich eben nur bedingt aus Büchern erlernen. Freiwilligendienste eröffnen für alle Beteiligten, in besonderer Weise jedoch für die Freiwilligen, Experimentierfelder und Räume zur Orientierung, um wichtige Schlüsselqualifikationen für berufliche und private Lebenszusammenhänge zu erlernen. Zwar ist die Begegnung mit Menschen anderer Nationalitäten und Kulturen in unserem Land selbstverständlich geworden, doch gehen diese Entwicklungen mit einem Rückzug ins Private und Nationale einher, bis hin zu einem Wiederaufflammen von Ausländerfeindlichkeit und Rechtsextremismus. Der BDKJ wünscht sich ein buntes Land und widerspricht jeder Form von Menschenfeindlichkeit deutlich. Die internationalen Freiwilligendienste setzen diesen Tendenzen und Gefahren etwas entgegen.
Freiwilligendienste haben dauerhaft einen wichtigen Platz in der (Glaubens-)Biographie derer, die solch ein Engagement geleistet haben. Das zeigen Studien zur Wirksamkeit und Auswirkungen auf die Lebensentwürfe und Überzeugungen von ehemaligen Freiwilligen (https://www.deval.org/ de/weltwaerts- freiwillige-nord-suedund- ihr-engagement-in-deutschland. html). Die Studie attestiert dem entwicklungspolitischen Freiwilligendienst „weltwärts“ und seinen Trägern zudem, dass junge Menschen ihr persönliches Umfeld sensibilisieren und zu einem Umdenken auffordern. Dass die Erfahrungen nach einem Aufenthalt im Ausland meist dauerhaft wirken, kann an vielen persönlichen Geschichten von Rückkehrenden nachvollzogen werden. Das Zitat eines Freiwilligen, der seinen Dienst mit dem BDKJ Rottenburg-Stuttgart in Argentinien absolviert hat, fasst dies gut zusammen: „Gottes Auftrag endet nicht an Grenzen, noch nach einem Jahr: Nach dem Dienst ist vor dem Dienst.“ Viele Ex-Freiwillige setzen sich für die Menschen, mit denen sie ein Jahr lang gelebt und gearbeitet haben, auch weiterhin ein. Manche verändern ihr bisheriges Leben komplett und schlagen andere berufliche Richtungen ein als vor dem Einsatz geplant oder schon begonnen.
Die Begleitung und Kontakte zu anderen Menschen während eines internationalen Freiwilligendienstes sind dazu essentiell. Qualitätsstandards, die von den Trägern mitentwickelt wurden und einen Orientierungsrahmen bilden, innerhalb dessen katholische Träger ihren Freiwilligendienst eigenverantwortlich ausgestalten, sehen vor, dass jeder Teilnehmende auf eine/n Mentor/in, der bzw. die im Umgang mit jungen Menschen versiert ist, zurückgreifen kann. Oftmals handelt es sich um pastorale Mitarbeitende. In persönlichen Gesprächen und Seminaren werden Erfolge und Misserfolge im Dienst verarbeitet, Sinnfragen, die sich die Freiwilligen stellen, besprochen und der Erwerb von Schlüsselqualifikationen unterstützt. An dieser Stelle erhält also die Seelsorge ihren Raum. Die hohe Intensität der Begegnungen und das positive Klima der Treffen auf freiwilliger Basis stellt eine günstige Form dar, damit Lernprozesse gelingen und die Bereitschaft wächst, sich langfristig für ein Anliegen stark zu machen.
Jugendverbandliche Konzepte für die Rückkehrarbeit
Viele Erlebnisse können erst nach der Heimkehr aufgearbeitet werden; manche Sehnsucht, die im Ausland geweckt wurde, und bestimmte Pläne können erst im nächsten Lebensabschnitt realisiert werden. Jugendverbände organisieren Rückkehrseminare und schaffen tolle Anschlussangebote, bei denen das Engagement der Freiwilligen während ihres Dienstes in ein langfristiges Engagement überführt wird und gemeinsam Strategien entwickelt werden, um mit dem umgekehrten Kulturschock, der manchmal zurück in Deutschland einsetzt, umzugehen. Eine Umfrage des Entwicklungspolitischen Ausschuss (EPA) des BDKJ hat im Jahr 2017 eine Vielzahl an Ange boten identifiziert und auf einem sich anschließenden Fachtag sogenannte Gelingensfaktoren für gute Rückkehrendenarbeit in Jugendverbänden erörtert (https://www.bdkj. de/themen/rueckkehr-nach-demfreiwilligendienst/ engagementvon- rueckkehrenden-staerken/). Jugendverbände sind bundesweit aktiv und bieten viele Freiräume, in denen zurückgekehrte Freiwillige ihre Erfahrungen einbringen können. Diese Rahmenbedingungen sind begünstigend, da ehemalige Freiwillige häufig nach dem Auslandsaufenthalt umziehen und die Gemeinde wechseln. Die wichtigste Erkenntnis hierbei besteht darin, dass es verschiedene Typen von Rückkehrenden gibt. Ein universales Rezept für alle ist nicht denkbar. Stattdessen muss jeder Freiwillige nach der Rückkehr dort abgeholt werden, wo er gerade steht. Beim BDKJ Rottenburg-Stuttgart funktioniert dies hervorragend dank hauptamtlicher Mitarbeiter/innen und einem starken Wir-Gefühl, das trägt.
Zukunft der internationalen Freiwilligendienste gestalten
In der Interessensvertretung gegenüber staatlichen Stellen fordert der BDKJ die Harmonisierung von Bestimmungen für die verschiedenen Programme und die Verbesserung der Anerkennung der Freiwilligendienste, weil wir davon überzeugt sind, dass Freiwilligendienste einen wertvollen Beitrag zur Völkerverständigung leisten. Eine weitere Bemühung konzentriert sich darauf, die religiöse Dimension der Dienste anzuerkennen. Im innerkirchlichen Kontext geht es dem BDKJ-Bundesverband darum, eine stetige Aufmerksamkeit für das Thema herzustellen und das Fördervolumen der Bistümer in diesem Bereich zu erhöhen. Es ist wichtig, dass die Träger mit ausreichenden hauptamtlichen Mitarbeitenden ausgestattet sind, damit die im Freiwilligendienst angestoßenen Lernprozesse sich entfalten können. Denn: Wir haben die Chance Ex-Freiwillige zu begeistern für ein weiteres soziales Engagement oder zukünftig vielleicht auch hauptberuflich. Das ist ein großes Hoffnungspotenzial für die Weltkirche. Als trägerübergreifende Maßnahme, welche zuletzt ergriffen wurde, ist ein Internetauftritt (www.welt-weit-freiwillig.de) zu erwähnen, welcher auch pastoralen Mitarbeitern einen Überblick bieten soll. Offline funktioniert die Werbung jedoch am besten. Deshalb ist es gut, wenn ehemalige Freiwillige innerhalb und außerhalb der Verbandsstrukturen berichten.