Zur Feier der Liturgie in der Osternacht„Dies ist die Nacht …“

Von der Paschanacht wird im Judentum gesagt, wer diese Nacht kenne, habe das Wesen der jüdischen Religion verstanden. In Analogie dazu kann man sagen: Wer die Osternacht kennt, wer in die Tiefe ihres Geheimnisses eingedrungen ist, hat das Wesen und den Urgrund von Kirche und Christsein erfasst. Mit dem österlichen Bekenntnis zu Tod und Auferstehung des Herrn steht und fällt christliches Leben.

Das Christusgeheimnis wird in jeder Liturgie gefeiert bzw. vergegenwärtigt, aber in der Liturgie-dramaturgie der Osternachtfeier besonders anschaulich deutlich. Im feierlichen Osterlob am Beginn der Osternacht, dem Exsultet, wird mehrfach gesungen „Dies ist die Nacht …“ und damit die außerordentliche Bedeutung dieser Nacht für das Leben der Kirche hervorgehoben, die den Ostermorgen hervorbringt. Es ist die Nacht, in der die Eucharistie des Jahres gefeiert wird. Vor diesem Hintergrund fragt dieser Beitrag, wie die Osternacht so gefeiert werden kann, dass die gel tende liturgische Ordnung in ihrer Sinnhaftigkeit zum Tragen kommt.

Zeitansatz

Da die Osternacht „nach ältester Überlieferung eine Nacht der Wache für den Herrn“ (Ex 12,42) ist, in der die Gläubigen „mit brennenden Lampen in den Händen auf ihren Herrn“ warten sollen (vgl. Lk 12,35ff.), um mit ihm an seinem Tisch Platz nehmen zu dürfen, soll sie auch in der Nacht gefeiert werden, wie die einleitenden Rubriken im Messbuch in Erinnerung rufen. Das heißt, „sie soll nicht vor Einbruch der Dunkelheit beginnen und nicht nach der Morgendämmerung des Sonntags enden“, was – abhängig von der geographischen Breite des Feierortes – unterschiedliche Feierzeiten nahelegt.
Lichtsymbolik
Auf diese Weise kann die Lichtsymbolik dieser Nachtfeier ihre Wirkung entfalten. Es ist sinnvoll, wenn das Kerzenlicht allein vom Osterfeuer ausgeht und als das einzige Licht dieser Nacht genutzt wird. Besonders eindrucksvoll wird es vielfach erlebt, wenn es schließlich (am Ostermorgen) von der aufgehenden Sonne überstrahlt wird, also die Feier nicht vor der Morgendämmerung endet. Schon in der Alten Kirche wurden abendliche Gottesdienste mit der festlichen Begrüßung des Lichtes begonnen und mit dem Dank für Christus verbunden, der vor allem im Johannesevangelium (vgl. Joh 3,19; 8,12 u. ö.) als das Licht der Welt bezeichnet wird. In der österlichen Danksagung am Beginn der Osternachtfeier wird er als Sieger und erhabener König besungen. Dass in diesem Zusammenhangauch die Nacht und die – aus dem Wachs der Bienen bereitete – Osterkerze besungen werden, deutet die Lichtsymbolik von Beginn der Feier an christologisch. Das Osterlob bildet die Ouvertüre für alle zentralen Motive dieser Nacht.

Vigil

Die sieben alttestamentlichen Lesungen der Osternachtfeier sind nicht schon Teil des Wortgottesdienstes der Messfeier, sondern gehören ursprünglich zur Vigil. (Bis heute wird die Liturgie der Osternacht „Mutter aller Vigilien“ genannt.) Nach jeder dieser Lesungen folgt nicht nur ein Antwortpsalm, sondern auch eine abschließende Oration, was bereits auf den besonderen Charakter dieses Teils der Osternacht hindeutet.
„Aus pastoralen Gründen“ kann ihre Zahl auf drei vermindert werden, „in dringenden Fällen“ auf zwei. Dabei darf die Lesung vom Durchzug durch das Rote Meer (Ex 14) nie ausfallen, auch wenn manche Menschen Schwierigkeiten mit diesem Text haben. Die Sinnspitze der Perikope im Kontext der Osternachtfeier liegt jedoch nicht in Untergang und Vernichtung, sondern in der Befreiungserfahrung. Die Lesung von der Erprobung Abrahams (Gen 22) ist für viele verstörend, konfrontiert sie doch auf erschreckende Weise mit dem Vertrauen Abrahams auf Gott; die längere Fassung dieser Lesung enthält den Satz, der von den Kirchenvätern als prophetische Verheißung auf Jesus Christus hin gedeutet wurde: „Gott wird sich das Lamm für das Brandopfer ausersehen, mein Sohn“ (Gen 22,8). Selbstverständlicher erschließt sich dagegen die Lesung von der Erschaffung der Welt (Gen 1), die nicht nur in österlicher Deutung als Vorausbild der Neuschöpfung durch Christus, sondern selbst schon als Beginn der Heilsgeschichte gesehen werden kann, sowie die vier Lesungen aus den prophetischen Büchern, von denen in der Praxis häufig eine ausgewählt wird.
Wenn aus dem Ursprung der Vigil als „Wache für den Herrn“ am Ende allerdings nur noch ein Wortgottesdienst mit z. B. zwei alttestamentlichen Lesungen wird, wie dies „in dringenden Fällen“ liturgierechtlich sogar möglich ist, stellt sich die Frage, ob dies der Bedeutung und Würde dieser Nacht entspricht bzw. ob die Osterfeier dadurch nicht zu einer um eine Lesung erweiterte und mit einigen Elementen angereicherte „Vorabendmesse“ wird.

Eröffnung der Messfeier

Auf die sieben alttestamentlichen Lesungen als Elemente der älteren Vigil folgen nach der heutigen liturgischen Ordnung Gloria und Tagesgebet als „Eröffnungsteil“ der Messfeier in der Osternacht. Deshalb werden jetzt vor dem Anstimmen des Gloria die Altarkerzen entzündet. Wenn dabei zudem das volkstümlich beliebte Glockengeläut erklingt, entsteht mit dem feierlichen Gloriagesang ein emotionaler Höhepunkt, der in einer gewissen dramaturgischen Konkurrenz zum feierlichen österlichen Halleluja sowie zur anschließend verkündeten Osterbotschaft steht, die nach der Epistel (Röm 6) folgen.

Wortgottesdienst

Allerdings kann das österliche Halleluja, das traditionell vom Zelebranten der Osternachtfeier gesungen wird, dadurch ein besonderes Gewicht erhalten, dass es dreimal – in jeweils erhöhter Tonlage – angestimmt und der Psalm kantilliert wird. Dass zum Evangelium in der Osternachtfeier keine Leuchter vorgesehen sind und ggf. nur Weihrauch verwendet werden kann, macht es umso wichtiger, dass das Osterevangelium vom Gang der Frauen zum Grab am Morgen des Ostertages – je nach Lesejahr aus den Evangelien nach Mt, Mk oder Lk – ebenfalls nach Möglichkeit kantilliert wird. Ob es in dieser Nacht einmalig sinnvoll ist, dies auch von einem besonders exponierten Platz in der Kirche, z. B. von einer (historischen) Kanzel, aus zu tun, hängt von den baulichen Voraussetzungen der jeweiligen Kirche ab, könnte aber erwogen werden.
Wenn diese Möglichkeit für die Proklamation dieser außergewöhnlichen Botschaft genutzt wird, sollte die den Wortgottesdienst der Osternachtfeier abschließende Homilie vom Priestersitz aus gehalten werden. Keinesfalls sollte die Homilie aus Zeitgründen weggelassen werden. Sie kann sich sinnvollerweise entweder auf die heilsgeschichtliche Relevanz der – zum Teil für manche sperrigen – biblischen Texte oder auf Elemente der reichhaltigen Liturgie dieser Nacht beziehen.

Tauf- und Eucharistiefeier

Besonders eindrucksvoll ist es, wenn in der Osternacht eine Taufe stattfindet. Dazu wird – wenn möglich – ein Ortswechsel vorgenommen. Priester und Assistenz begeben sich dabei zum Taufbrunnen, „wenn dieser von den Gläubigen gesehen werden kann“. Gerade wenn es Erwachsene sind, die sich – nach altkirchlicher Tradition – als Katechumenen auf das Ereignis ihrer Initiation in dieser Nacht vorbereitet haben, können sie bewusst diesen Schritt hinein in eine konkrete kirchliche Gemeinschaft tun, die nach Taufe (und Firmung) ebenfalls ihr Taufversprechen erneuert. In diese Gemeinschaft aller Glaubenden aufgenommen ist eine Beteiligung der Neugetauften an den Fürbitten sinnvoll, die nicht entfallen dürfen, auch wenn die Allerheili genlitanei im Rahmen der Tauffeier bereits Fürbitten enthielt.
Zu Beginn der anschließenden Eucharistiefeier, in der die Neuinitiierten erstmals zum Tisch des Herrn herantreten, ist es empfehlenswert, dass sie Brot und Wein zum Altar bringen. In der Taufe zu Kindern Gottes geworden, können sie im gemeinsam gesprochenen Vaterunser Gott bewusst ihren Vater nennen. Zumindest ihnen sollte die Kommunion in dieser Eucharistiefeier unter beiden Gestalten gespendet werden. Wenn die Osternacht die Nacht ist, in der die Eucharistie des Jahres schlechthin gefeiert wird, wäre eine Heraushebung ihrer Feiergestalt aber auch dadurch wünschenswert, dass alle Gläubigen in ihr den Leib und das Blut des Herrn unter beiden Gestalten empfangen (können), zumal diese Möglichkeit häufig sonst nur in der Messe vom Letzten Abendmahl am Gründonnerstag gegeben wird, die von der Osternachtfeier jedoch überragt wird. Ebenfalls nicht nur am Gründonnerstag, sondern auch in der Osternachtliturgie wäre nach Möglichkeit eine Kantillation des Hochgebetes sinnvoll.
Abgeschlossen wird die Feier der Liturgie in der Osternacht durch den gesungenen feierlichen Schlusssegen und den gesungenen Entlassungsruf, der um das österliche Halleluja ergänzt wird.
Seit der Erneuerung der Osternachtfeier in den 1950er Jahren durch Papst Pius XII., die im Wesentlichen durch die Liturgiereform des Zweiten Vatikanischen Konzils übernommen werden konnte, ist die Ordnung immer wieder kritisch befragt worden. So hat etwa Georg Braulik auf dem Hintergrund der größeren Tradition die Frage nach den angemessenen Schriftlesungen für die Paschanacht aufgeworfen. Im Hinblick auf die Feierstruktur stören sich manche an den verschiedenen „Höhepunkten“ der Feier und vermissen eine linear verlaufende Dynamik. Die Logik der Osternachtfeier besteht allerdings darin, dass der Durchgang vom Tod zum Leben mehrfach begangen wird. Die damit verbundenen Spannungen in der liturgischen Dramaturgie dieser Nacht können produktiv sein, um sich dem Paschamysterium zu nähern und es lebenslänglich zu vertiefen, ohne es letztlich einfach liturgisch „auflösen“ zu können.
Schon an diesen wenigen Beobachtungen wird deutlich, dass es nicht unbedingt eine Liebe zum Neuen, sondern vor allem eine Liebe zum Detail braucht, um die Nacht des Christentums schlechthin immer tiefer in ihrem inneren Wesen zu erfassen und dadurch vom gefeierten Christusgeheimnis immer mehr geprägt zu werden.

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