Der Christ, ein verlorener Muslim

Als Christ und Christin muslimische Freunde zu haben, ist ein Geschenk! Und wenn der Glaube für den muslimischen Freund bzw. die muslimische Freundin alltagsrelevant ist, dann bleibt eine Freundschaft mit Muslimen über ihren „Eigenwert“ hinaus auch für christliche Seelsorgerinnen und Seelsorger nicht folgenlos.
Der „andere“ Glaube stellt sie nicht nur immer wieder neu vor die Herausforderung, über ihn nachzudenken und so zu reflektieren, was „Offenbarung Gottes“ bedeutet, sondern er schafft Emotionen mit Verletzungspotential.
Zum Freund geworden ist mir in meiner Tätigkeit als Hochschulpfarrer an einer mehr technisch ausgerichteten Hochschule ein muslimischer Student, nennen wir ihn Aschraf. In einem „Arbeitskreis“ der Hochschulgemeinde mit dem Titel „Unhöflicher Dialog“ trafen sich alle 14 Tage Studierende, Muslime und Christen, zum Austausch auch über das, worüber man eher selten spricht, weil zu prekär. So z. B. über den insgeheimen Generalverdacht – bezogen auf den Islam –, dass jeder Muslim zum Bombenbau neigt, oder warum gibt nicht jede Muslima einem Mann die Hand, und warum duscht ein muslimischer Student nach dem Sport nicht nackt unter der Sammeldusche.
Hinter diesen „vordergründigen“ Themen ging es dann oft in eine Tiefe, die die oberflächliche Bezeichnung des Treffens „unhöflich“ wandelte in eine Begegnung, in der alles ins Wort gebracht werden konnte und sollte.
Aus einer dieser Begegnungen stammt dieses Erinnerungsprotokoll:
„Eigentlich bist du als Muslim geboren“, sagt er.
Sagt der Muslim.
Zu mir.
Ich bin Christ.
Ist schon heftig, eigentlich ein verlorener Muslim, sprich, ein Christ zu sein.
Lässt Wut aufkommen.
Wohin damit?
„Ein Muslim“, musste ich kontern, „kommt nicht in den Himmel, zumindest nicht in den, an dem ich anstehen darf.“
Lässt Wut aufkommen.
Wohin damit?
Das haben wir uns gesagt.
So „unhöflich“ zu sein, muteten wir uns zu.
Uns verbindet Freundschaft.
Die Verschiedenheit trennte uns nicht, lässt uns aber auch nicht eins sein.
Wir diskutierten, erzählten, erklärten, ließen Gefühle zu, organisierten Verletzlichkeiten und verabredeten uns immer wieder neu.
Wir wollten das Schwierige nicht verschweigen.
Kann wehtun.
Verband und „ver-bindet“ unsere Verschiedenheit doch zur Freundschaft.
Deshalb hören wir nicht auf zu sprechen.
Es stimmt also: „Weiter ist der Mensch, seit ein Gespräch er ist.“
(Hölderlin/Hemmerle)

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