Fazit
Spätestens nachdem sich der exklusive Monotheismus im 6. Jahrhundert v. Chr. in Israel durchgesetzt hat, können Erkrankungen und Leiden, somit auch depressive Verstimmungen und Depressionen, nicht auf andere Götter oder Dämonen zurückgeführt werden. Wenn der Leidende eigenes Fehlverhalten ausschließen kann wie Ijob und manche Beter von Psalmen, somit auch der sogenannte „Tun-Ergehen-Zusammenhang“ als Erklärungsursache ausfällt, wird Gott als Verursacher des Leidens angesehen, eventuell direkt angeklagt. Da aber Gott zugleich der Einzige ist, von dem man Rettung aus Todesgefahr und Heilung erhoffen kann, bleibt dem Glaubenden nur, sich immer wieder an ihn zu wenden, auch wenn – anders als bei den Heilungswundern Jesu im Neuen Testament – die Erhörung unserer Bitten nicht garantiert ist.
Obwohl seit der hellenistischen Zeit in Israel auch der Beruf des Arztes bekannt ist, kommt Ärzten in den Schriften des Alten und Neuen Testaments keine besondere Bedeutung zu, wohl weil ihre Therapiemöglichkeiten gering waren. Besonders die Diagnose innerer und psychischer Erkrankungen war kaum möglich, so dass die Heilung eines Kranken im Grunde von Gott abhing, zumal nach Jesus Sirach 38,1–15 auch die Ärzte und Apotheker auf Gottes Hilfe angewiesen sind. Während Jesus die Menschen, die ihn darum bitten, alle heilt, leidet der Apostel Paulus wohl bis zu seinem Tod an einer unbekannten Krankheit. Paulus kann jedoch auf die Befreiung von seinem Leiden nach der Auferstehung der Toten hoffen. Zeugnisse für diese Erwartung finden sich im Alten Testament erst in späten Schriften ab dem zweiten Jahrhundert v. Chr. wie Dan 12,1–3; 2 Makk 7; 12,42–45 und in Weisheit 3–5. Den Kranken und damit auch den Depressiven in früheren Jahrhunderten blieb im Judentum nur die Hoffnung auf Rettung aus Todesnot und Heilung durch Jahwe. Dies ist auch die Situation von Christen, die auf Heilung von schweren Erkrankungen hoffen oder auf Befreiung von unerträglichen Leiden und Schmerzen, wenn sie nicht den Suizid als Zugang zu einem besseren, leidfreien Leben ansehen, das sie ebenfalls von Gott erhoffen.
Hermeneutische Vorbemerkungen
Wenn im Alten Testament depressive Verhaltensweisen geschildert werden, handelt es sich in der Regel nicht um autobiographische Berichte oder Augenzeugenberichte. Die meisten Texte der Bibel sind erst lange nach den geschilderten Ereignissen entstanden und ihre Verfasser/ innen sind unbekannt. Daher kann man auch nicht feststellen, ob die Autoren entsprechender Erzählungen selbst depressiv veranlagt waren (anlagebedingte Psychopathie) oder aufgrund irgendwelcher Erfahrungen in ihrer Lebensgeschichte erkrankten (neurotische Entwicklung zu störendem Fehlverhalten).
Beim Thema Erkrankung bzw. Krankheit in der Bibel steht nicht der medizinische Aspekt im Vordergrund, sondern die Frage nach dem „Warum?“ oder dem „Wozu?“ (vgl. Ps 22,2), also nach der Ursache oder dem Zweck der Krankheit. Noch stärker als bei physischen, körperlichen Erkrankungen, für die man manchmal konkrete Ursachen (Verletzung, Ansteckung bei einer Seuche) angeben konnte, stellt sich bei psychischen Erkrankungen, zu denen die Depression gezählt wird, die Frage nach der Beteiligung Gottes an der Erkrankung. Wenn man in der Frühzeit Israels wie bei den Nachbarvölkern Götter oder Dämonen für solche Erkrankungen verantwortlich machte, so kommt in monotheistischen Religionen nur Gott als Verursacher in Frage. Damit besteht das Dilemma, dass Gott als Krankheitsverursacher und damit gleichsam als Feind des Kranken angesichts fehlender medizinischer Heilungsmöglichkeiten zugleich die einzige Hoffnung auf Rettung für den Kranken ist. Vom Kranken wird somit Vertrauen auf Gottes Hilfe gefordert. „Glauben“ bedeutet demnach „trotzdem hoffen“, das heißt trotz der Vermutung, dass Gott etwas mit der Erkrankung zu tun hat. Im Alten Testament wird in Erzählungen und besonders auch in Gebeten aufgezeigt, wie Menschen sich in Situationen der erlittenen „Gottesferne“ oder „Gottverlassenheit“ an Gott wenden und dieser reagiert.
Der bekannteste Depressive der Bibel: König Saul
Da die ersten Könige Israels Saul, David und Salomo meist schon im Religionsunterricht vorgestellt werden, ist Saul vermutlich die bekannteste Gestalt, an die man beim Thema Depression in der Bibel denkt. Die Saulerzählungen in 1 Sam 9 bis 2 Sam 1 sind wegen der Spannungen im Textablauf literarkritisch auf verschiedene Autoren bzw. Redaktoren zu verteilen. Das hier interessierende theologische Grundproblem ist aber auch ohne Quellenscheidung erkennbar. Der in 1 Sam 9,2 wegen seiner Schönheit gerühmte junge Saul wird durch den Propheten Samuel im Auftrag Jahwes zum König gesalbt und gerät, nachdem der Geist Gottes über ihn gekommen ist, in prophetische Verzückung. Depressive Züge treten bei ihm zunächst nicht auf, sondern erst nachdem er die Amalekiter geschlagen hatte, aber entgegen der Weisung Jahwes deren König Agag am Leben ließ. Samuel muss Saul die Strafe Gottes für seinen Ungehorsam ankündigen: „Weil du das Wort des Herrn verworfen hast, / verwirft er dich als König“ (1 Sam 15,23; EÜ 1980/2016). Obwohl Saul mehrmals bekennt, „Ich habe gesündigt“ (V. 24 und 30), verzeiht Gott ihm nicht, sondern sucht sich David als neuen König aus und lässt diesen durch Samuel salben, so dass der Geist des Herrn nun auf David liegt. Die Auswirkungen dieser Verwerfung schildert 1 Sam 16,14: „Der Geist des Herrn war von Saul gewichen und ein schlechter/böser Geist von JHWH überfiel ihn plötzlich“, der Saul nach 1 Sam 18,10 sogar in eine mit Kontrollverlust verbundene Raserei treiben konnte. Aufgrund der sich bei Saul zeigenden Veränderungen 11 schlagen seine Diener eine Art „Musiktherapie“ vor, für die ausgerechnet der junge, von Gott bereits als Nachfolger ausgewählte David als Leierspieler an den Hof Sauls geholt wurde, der durch sein Leierspiel den „bösen Geist“, den manche als „Schwermut“ deuten, zeitweise vertreiben kann. Da der junge David aber auch in den Auseinandersetzungen mit den Philistern erfolgreich war, wurde Saul auf seine Erfolge neidisch und versuchte mehrfach, ihn auszuschalten. Doch David kann fliehen, Saul dagegen wird in einer Schlacht mit den Philistern verwundet und tötet sich selbst. Da der Totengeist Samuels den Tod Sauls angekündigt hatte (vgl. 1 Sam 28,16–19), ist dieser auf Gott zurückzuführen. Man kann zweifeln, ob Saul an Depressionen litt, da er sich nicht dauernd passiv verhielt, sondern aktiv blieb, z. B. David verfolgte und gegen die Philister in den Krieg zog. Seinen Suizid kann man mit der aussichtslosen Lage des Verwundeten erklären und entschuldigen. Deutlich ist jedoch bei dieser „Verwerfungsgeschichte“, dass die Autoren Jahwe als strafenden Gott darstellen, der kein Mitleid mit dem Sünder Saul zeigt, obwohl dieser sein Vergehen, das aus heutiger Sicht kein Vergehen ist, da Gefangene nicht getötet werden dürfen, als Verstoß gegen Gottes Gebot mehrfach bekannt hat.
Depression im Dienst der Verkündigung: Klagen des Propheten Jeremia
Auch andere Menschen, die Gott selbst in seinen Dienst gerufen hat, klagen in der Bibel über ihre Situation, unter der sie offensichtlich sehr leiden. Da sie wegen der Verkündigung des Wortes Jahwes von ihren Zeitgenossen angefeindet werden, ihr Dienst nicht besonders erfolgreich zu sein scheint, weil die Adressaten sich nicht an Gottes Wort halten, und sie oftmals allein dastehen, sind sie gefährdet, depressiv zu werden. Besonders der Prophet Jeremia klagt über die negativen Folgen, die ihn als Verkünder von Unheilsbotschaften Gottes treffen. In den sogenannten „Konfessionen“ (Jer 11,18–12,6; 15,10–21; 17,12–18; 18,18–23; 20,7–18), die von vielen Exegeten allerdings ganz oder teilweise dem Propheten abgesprochen werden, also nicht unbedingt als biographische Zeugnisse Jeremias, aber dennoch als Ausdruck von an Gottes Auftrag Leidenden zu verstehen sind, wird dies deutlich ausgesprochen. Jeremia äußert schon bei seiner Berufung Bedenken, ob er für den Dienst geeignet sei, jedoch werden diese von Gott nicht anerkannt (vgl. Jer 1,6f.). In der letzten „Konfession“ Jer 20,7–10 versteht er seine Berufung als eine Art Vergewaltigung, zumal er wegen der Aufdeckung von „Gewalt und Unterdrückung“ in der Gesellschaft nur Spott und Hohn erntet. Jedoch kann er seinen Auftrag nicht einfach aufgeben, da er dann in seinem Herzen Qualen erleidet, die nicht auszuhalten sind. Er fühlt sich verfolgt, selbst von seinen nächsten Bekannten im Stich gelassen. Seine Verzweiflung ist so groß, dass er in 20,14– 18 den Tag seiner Geburt verflucht (vgl. schon Jer 15,10) und sich wünscht, nie aus dem Mutterschoß hervorgegangen zu sein – womit eventuell Suizidgedanken umschrieben werden, wie man mit Blick auf die „Todessehnsucht“ als Sehnsucht nach Ruhe in Ijob 3 vermuten darf. Bedenklich ist, dass diese letzte Steigerung nach den vermutlich später eingefügten Versen Jer 20,11–13 folgt, die schon das Vertrauen des Beters auf das Eingreifen Jahwes bekräftigen und zum Lob Gottes aufrufen: „Singt dem Herrn, rühmt den Herrn; / denn er rettet das Leben des Armen aus der Hand der Übeltäter“ (Jer 20,13; EÜ 1980/2016). Denn dies zeigt, dass Jeremia weiterhin leiden musste, wie die Antwort Gottes auf die erste Klage schon ankündigt (vgl. Jer 12,5–6).
Depressive Verstimmung mit Sterbewunsch nach Erfolgen: Elija und Jona
Während Jeremia daran litt, dass sein Wirken wenig erfolgreich war, werden andere Berufene trotz erzielter Erfolge depressiv, vielleicht weil die Erfolgserwartungen immer weiter ansteigen, was heute manchmal zum sogenannten „Burn-out“ führt. Zu diesen kann man den Propheten Elija zählen, der nach 1 Kön 17 als Wundertäter wirkte, beim Gottesurteil auf dem Berg Karmel von Jahwe als wahrer Prophet bestätigt wurde und die Propheten des Baal und der Aschera ausschalten konnte, also mit Gottes Hilfe sehr erfolgreich war (vgl. 1 Kön 18). Da er deswegen von der Königin Isebel verfolgt wurde, musste er in die Wüste fliehen, wo er sich den Tod wünscht (1 Kön 19,4), aber vom Engel des Herrn für den weiteren Weg gestärkt wird und von Gott neue Aufträge erhält (19,14– 18). Elija geht gestärkt aus der Krise, der depressiven Phase hervor. Bekanntlich stirbt er nicht, sondern wird nach 2 Kön 2 im Wirbelsturm in den Himmel aufgenommen, so dass Gott ihn nach der Ankündigung in Maleachi 3,23–24 erneut als Warner und Mahner vor dem Tag Jahwes zu Israel senden kann.
In der kurzen Jona-Erzählung „steckt der Wurm drin“. Der Prophet Jona flieht zunächst vor dem Auftrag Gottes, den Einwohnern der assyrischen Hauptstadt Ninive wegen ihrer Schlechtigkeit ein Strafgericht anzukündigen. Nach seiner wunderbaren Rettung aus den Fluten des Meeres reist er schließlich nach Ninive und erfüllt seinen Auftrag. Wohl entgegen seinen Erwartungen hören die Einwohner Ninives auf seine Botschaft, glauben an Gott, tun Buße und ändern ihr Verhalten, so dass Gott das angedrohte Unheil nicht ausführt. Jona war also sehr erfolgreich. Umso unverständlicher erscheint seine in Jona 4 geschilderte Reaktion: Er wird zornig, beschwert sich bei Gott über sein barmherziges Verhalten gegenüber Ninive und wünscht sich von Jahwe den Tod. Jahwe weist ihn zunächst zurück und schickt ihm – vermutlich mit einem ironischen Lächeln – einen Wurm, der dafür sorgt, dass Jona wirklich einen Grund hat, sich über den ihn daraufhin treffenden Sonnenstich zu beklagen. Jahwe behält sich das Recht vor, sich denen gegenüber als gnädig und barmherzig zu erweisen, die sich vom Bösen abwenden und von ihm Rettung erwarten. Ob Jona wie Gott im Hinblick auf Ninive seine Meinung ändert und wieder einsatzfähig wird, bleibt ebenso offen wie die Frage, ob man ihn als depressiv ansehen kann oder als notorischen Querulanten.
Gott als Hoffnungsträger in Gebeten Depressiver
Dass Gott für gläubige Juden gerade auch in einer psychischen Notlage der einzige Hoffnungsträger bleibt, der sie aus Todesgefahr retten kann, wird an Formulierungen in manchen Psalmen und den Klageliedern deutlich. Bernd Janowski bietet in seiner Studie „Das erschöpfte Selbst“ eine Zusammenstellung hebräischer Verben, die für depressive Verhaltensmuster typische anormale Körperhaltungen und Körperbewegungen zum Ausdruck bringen, allerdings oft auch zum Ausdruck der Trauer gebraucht werden, also mehrdeutig sind (ebd. S. 100–105). Unter Berücksichtigung des Kontextes wertet Janowski folgende Stellen als Hinweise auf depressives Verhalten: Ps 38,7–9; 42,10; 43,2 und Ijob 30,28–31 jeweils mit dem Verb qdr (Grundstamm) in der Bedeutung „schwarz/finster werden“ für das Schwinden der Lebenskraft, gleichsam als den „psychosomatisch erlebte[n] Einbruch der ‚Finsternis‘ im Gegensatz zur ‚Aufhellung‘ durch die Zuwendung JHWHs“ (ebd. S. 111). Auch das „ziellose Umherirren“ in Ps 55,3b.8a und Ps 56,9 soll ein Anzeichen für Depression sein (ebd. S. 119–123). Die bei Depressiven auftretenden Symptome „Appetitlosigkeit“ in Ps 102,5, „Schlafstörungen“ in Jes 38,15(?); Ijob 7,4; Ps 102,8, „Niedergeschlagenheit“ in Spr 15,13; 17,22(?) und „Verstummen“ in Klgl 2,10; 3,28; Ps 38,14–15 sind nach Janowski (ebd. S. 123–135 mit ausführlicheren Katalogen von Symptomen aus dem Alten Orient) dementsprechend zu verstehen, wobei in Ps 102,2– 12 die „Einsamkeit“ hinzukommt.
Als „Gebet eines Depressiven“ bezeichnet der Alttestamentler Timo Veijola, der selbst bis zu seinem frühen Tod an Depressionen litt, Psalm 88. Der Beter hat sich mehrfach an „Jahwe, Gott meiner Rettung“ (V. 2) gewandt, aber bisher keine Hilfe erfahren. Er macht für seine Erkrankung, die ihn in Todesgefahr bringt, eindeutig Gott verantwortlich (vgl. V. 7–9 und 16–19), der sogar seine Bekannten von ihm fernhält, also den „sozialen Tod“ schon herbeigeführt hat. Da der Beter in V. 16 klagt: „Elend bin ich und sterbend von Jugend an; / ich habe getragen deine Schrecken; ich muss erstarren“, darf man von einer vielleicht anlagebedingten Depression ausgehen, die zur sozialen Isolation geführt hat. Tiefe Enttäuschung über Gott drückt der Schlussvers aus: „Du hast entfernt von mir (den) Liebenden und (den) Gefährten; / meine Bekannten – Finsternis“ (V. 19; Übersetzung von J. Schnocks, Psalmen, S. 101). Johannes Schnocks sieht in Psalm 88 „ein Gebetsangebot für den Extremfall der äußersten Gottesferne. Gott hat sich der Erfahrung entzogen … Hier betet ein Mensch seinen theologischen Protest“ (Psalmen, S. 105).
Timo Veijola fügt nach seiner Auslegung von Ps 88 als „Klagegebet eines an Depression Erkrankten“ als Ausdruck der dort fehlenden Hoffnung Psalm 30 als „Dankgebet eines von Depression Geheilten“ an (vgl. Veijola, Depression, S. 184–190). Auch hier wird Gott als Urheber von Krankheiten angesehen (V. 6), jedoch hat er schon das Flehen des Beters (V. 3; 9; 11) erhört und ihn aus dem Bereich des Todes gerettet. Der von Gott aus der Tiefe gezogene, aus dem Totenreich heraufgeholte Beter ist offensichtlich von der Depression befreit, wie man seinem Dank entnehmen kann: „Du hast mein Klagen in Tanzen verwandelt, / mein Trauergewand hast du gelöst und mich umgürtet mit Freude“ (Ps 30,12; EÜ 2016). Offenbar kann eine Depression auch vitaler machen (vgl. Veijola, Depression, S. 189f.).
Befreiung von / aus der Depression durch Gottes Eingreifen
Ein besonderes Problem, das vor allem bei Frauen eine Depression hervorrufen kann, ist die Kinderlosigkeit. Da Kinder als Geschenk Gottes betrachtet werden, ist Gott auch der Adressat der Gebete um Nachwuchs. Die Bibel berichtet von der Unfruchtbarkeit bekannter Frauen, die nach zum Teil sehr langer Wartezeit noch ein Kind, meist einen Sohn, erhielten: Sara den Isaak (Gen 21,1–8); Rebekka die Zwillinge Esau und Jakob (Gen 25,19–26); Rahel den Josef (Gen 30,22–24) und später den Benjamin, bei dessen Geburt sie stirbt (Gen 35,16–20); die namentlich nicht genannte Frau des Manoach den Simson (Ri 13); Hanna den Samuel (1Sam 1,1–20) bis zu Elisabet mit Johannes den Täufer (Lk 1,57–80). Obwohl in diesen Fällen die Gebete erfolgreich waren, darf man nicht vergessen, dass bis heute viele Frauen auf die Erhörung ihrer Gebete vergeblich warten, depressive Phasen sich dann eventuell verstärken.
Die redaktionsgeschichtlich umstrittene Entstehung des Ijobbuches erschwert die Frage, ob man Ijob als depressiv bezeichnen darf. Da der über den plötzlichen Tod seiner Kinder durch ein Unwetter trauernde und an bösartigen Geschwüren leidende Ijob am Ende der einleitenden Rahmenerzählung seine nicht mehr an Gott glaubende Frau zurechtweist mit der rhetorischen Frage „Nehmen wir das Gute an von Gott, sollen wir dann nicht auch das Böse annehmen?“ (Ijob 2,10; EÜ 1980/2016), wird Ijob einerseits als „Dulder“ angesehen, wegen seines Aufbegehrens gegen Gott im Dialogteil andererseits aber als „Rebell“, der sich als von Gott bestraft ansieht, obwohl er sich keines Vergehens bewusst ist. Wie Jeremia bedauert er, überhaupt geboren zu sein (Ijob 3) und führt auch das Leid, das ihn getroffen hat, auf Gott selbst zurück, z. B. in Ijob 6,4: „Die Pfeile des Allmächtigen stecken in mir, / mein Geist hat ihr Gift getrunken, / Gottes Schrecken stellen sich gegen mich“ (EÜ 1980/2016). Wegen der quälenden Träume und Angst einjagenden Visionen, die ihn nicht zur Ruhe kommen lassen, bittet er Gott: „Ich mag nicht mehr. Ich will nicht ewig leben. / Lass ab von mir; denn nur ein Hauch sind meine Tage“ (Ijob 7,16; EÜ 1980/2016). Man kann solche Äußerungen als Anzeichen von Resignation verstehen, jedoch kämpft Ijob weiter mit den Freunden und letztlich mit Gott, bis dieser ihn in den Gottesreden (Ijob 38–41) tadelt und zur Einsicht führt, dass Gott gegenüber dem klagenden Menschen sein unbegreifliches Verhalten nicht rechtfertigt – wenn Menschen dies ersatzweise probieren, nennt man dies Theodizee. Die Prüfung der Treue Ijobs zu Gott geht dank des Eingreifens Gottes glücklich aus, aber nur, wenn man die toten Kinder Ijobs vergisst. Der geprüfte Ijob ist angeschlagen, auch wenn er neues Glück erfährt (vgl. Ijob 42,10–17), ähnlich dem mit einem Flußdämon bzw. einem schlagenden Gott ringenden Jakob in Gen 32,23–33, der deshalb den Namen „Israel“ erhält.
Dass Gott auf vielerlei Weise vor Unheil schützt, Dämonen vertreibt, Leidende heilt und eventuell einen besonderen Schutzengel wie Rafaël (= Gott heilt) schickt, bezeugt auch das Buch Tobit. Aufgrund seiner Erfahrungen mit Gott fordert Tobit im Lobgesang 13,1–8 dazu auf, sich mit ganzem Herzen dem Herrn zuzuwenden, wenn man seine Zuwendung erfahren möchte (V. 6; EÜ 1980/2016).
In manchen Klageliedern wird nach der Schilderung der Not und des Leids plötzlich schon zum Lob Gottes aufgerufen, obwohl noch nicht von der Erhörung der Bitten des Klagenden berichtet wurde. In dem von Jesus am Kreuz angestimmten Psalm 22 folgt auf die Klagen in den Versen 23–30 ein Lobgelübde vor der Gemeinde mit der Erwartung, dass „alle Enden der Erde“ und „die Mächtigen der Erde“ Gott wegen seines helfenden Eingreifens anerkennen werden. Diesen sogenannten „Stimmungsumschwung“ (vgl. z. B. Ps 3,8; 6,9) hat man oft mit einem der Hanna-Erzählung in 1 Sam 1 vergleichbarem institutionsgebundenen Geschehen – z. B. Zuspruch eines Priesters am Tempel – zu erklären versucht. Nach Uwe Rechberger sind die Individualpsalmen mit Stimmungsumschwung jedoch als Paradigmagebete komponiert, die „gezielte und zielorientierte Prozesse der Gebets- und ‚Vertrauensarbeit‘“ (Stimmungsumschwung, S. 344) anstoßen möchten, die zu einer „Wende“ (ebd., S. 351f.) führen sollen, allerdings in der Regel ein Grundvertrauen in Gott voraussetzen. Rechberger sieht die vom Beter des Psalms geleistete „Vertrauensarbeit“ aber nicht als das Entscheidende an, sondern betont: „Ausschlaggebend für den ‚Stimmungsumschwung‘ bleibt jedoch immer Gottes Gnade und sein Eingreifen. Vertrauen und Lob bedingen Gottes Eingreifen nicht, sondern resultieren aus diesem. Ohne die Vertrauensschritte des Psalmbeters außer Acht zu lassen, liegt trotzdem in Gottes Person, in seinem Wort und Handeln die entscheidende Begründung für den „Stimmungsumschwung“ (ebd., S. 350). Diese Erkenntnis mag auch jenen Menschen Trost und Hoffnung spenden, die in ihrer Depression die „Vertrauensarbeit“ nicht mehr leisten können.