Thematische Zusammenarbeit von personalen und organisationalen Akteur/ -innen im Sozialraum ist ein Wesensmerkmal gemeinwohl- und zielgruppenorientierten Arbeitens. In organisierten sozialen Netzwerken ist die Kooperation eine Beziehungsform. Eine Kooperation stellt die projekthafte, also zeitlich begrenzte und zielorientierte Zusammenarbeit mehrerer formal unabhängiger Akteur/innen dar. Dabei geht es darum, die jeweils verfügbaren Ressourcen so einzusetzen und zu ergänzen, dass ein konkretes gemeinsames Ziel erreicht wird. Hierfür sind klare Vereinbarungen und kontinuierliches Controlling unabdingbar. Welche Faktoren das Zustandekommen und Gelingen von Kooperationen begünstigen, aber auch verhindern, konnten wir in unseren Studien analysieren.
Die Erkenntnisse speisen sich aus dem Forschungsprojekt „Denken in Netzwerkdynamiken als Steuerungsmodell großer pastoraler Räume“, das das Zentrum für angewandte Pastoralforschung (zap) in Kooperation mit dem Erzbistum Paderborn seit 2014 durchführt. In diesem Projekt werden reale Beziehungsnetzwerke zwischen verschiedenen Akteur/innen auf dem geografischen Gebiet eines pastoralen Raumes erhoben und ausgewertet. Gegenstand der Interviews waren reale Kooperationserfahrungen der Netzwerkakteur/innen, aus denen Bedingungen und Hürden gelingender Kooperationen extrahiert wurden. Im Folgenden wird dargestellt, wie Kooperationen im Sozialraum gelingen und woran sie scheitern.
Begegnungen schaffen – Wie kommen Kontakte zustande?
Passende Kooperationspartner/ -innen müssen erst mal gefunden werden oder ins Blickfeld geraten. Dieser Faktor ist nicht so banal, wie man zunächst denken mag. Denn es geht nicht um die üblichen Kontakte zu ähnlichen Akteur/innen, die oft gut bekannt sind und wenige neue Informationen bieten, sondern um neue Möglichkeiten der Kooperation mit Kooperationspartner/innen, die anders sind, das heißt andere Tätigkeitsbereiche abdecken, andere Zielgruppen ansprechen, andere individuelle Ziele verfolgen und dadurch die eigene Arbeit ergänzen können. Ein gewisser Grad der habituellen Fremdheit ist daher bei solchen Kontakten vorprogrammiert. Das heißt eben auch, dass diese potenziellen Partner/innen normalerweise nicht im unmittelbaren Arbeitsumfeld zu finden sind. Die Entstehung solcher Kontakte wird begünstigt, wenn Begegnungen zwischen potenziellen Partner/innen aktiv gestaltet werden, indem Situationen der Nähe geschaffen werden. Räumliche Nähe (am selben Ort sein), soziale Nähe (einen Bezug zueinander haben) und inhaltliche Nähe (ein ähnliches Thema haben oder finden und „voneinander und der Arbeit des jeweils anderen wissen“) begünstigen die Begegnung potenzieller Partner/innen im Netzwerk. Wenn die Nähe nicht per se vorhanden ist, dann ist es auch hilfreich, immer wieder an gemeinsamen Orten zu sein, bzw. Orte aufzusuchen, an denen Kontakte erwartbar sind. Schon die bloße gemeinsame Präsenz, z. B. auf einer Stadtteilkonferenz oder einer thematischen Veranstaltung, erzeugt emotionale Nähe und erhöht die Wahrscheinlichkeit für inhaltlichen Austausch.
Prinzipiell ist für den Aufbau von Beziehungsstrukturen zudem eine Haltung der Kontaktfreudigkeit hilfreich, die sich im Arbeitsverhalten niederschlägt. Dazu gehört Empfänglichkeit für Anfragen, Interesse an den Tätigkeiten und Bedarfen anderer, die Suche nach Gemeinsamkeiten und gegenseitiger Ergänzung. Die Freude an neuen Kontakten und ein offener Umgang sind hierfür essentiell. Beziehungen entstehen und bestehen fort, wenn es schnelle und unkomplizierte Kontaktmöglichkeiten gibt. Dazu zählen z. B. konkrete Ansprechpartner/innen, ein aktives und offenes Kommunikationsverhalten sowie unkomplizierte Erreichbarkeit.
Vor allem persönliche Kontakte sind für Beziehungen und gemeinsame Projekte ausschlaggebend. Nicht zu gering zu schätzen ist hierfür Sympathie. Man kennt sich, die jeweiligen Kompetenzen und schätzt diese. Im Falle eines konkreten Bedarfs kann man sich dann schnell und gezielt kontaktieren. Mit dem Blick auf die ganze Person werden auch deren unterschiedliche Rollen im Netzwerk sichtbar und gewinnen Relevanz. So können mit offenem Blick z. B. Teilnehmer eines Angebotes in einer anderen Rolle auch zu Kooperationspartner/innen werden.
Was macht Kooperationen attraktiv?
Primär macht der erwartete Nutzen für die eigene Arbeit die Zusammenarbeit mit potenziellen Partner/innen und die Investition in ein solches Projekt attraktiv. Soll eine Kooperation nicht schon in ihrem Aufbau scheitern, müssen Erwartungen und die möglichen Erträge schon zu Beginn herausgearbeitet werden.
Grundsätzlich sollten die Kooperationspartner/ innen daher ein gemeinsames, also überindividuelles Interesse teilen, das auch allen Beteiligten bewusst und für sie relevant ist. Das gemeinsame überindividuelle Interesse impliziert wiederum konkrete Ziele, die nicht von einer/einem Akteur/ in allein erreicht werden können, wozu es also einer Zusammenarbeit mit anderen Beteiligten bedarf.
Attraktiv sind daher mögliche Kooperationspartner/innen, wenn diese die eigene Arbeit auf das gemeinsame Anliegen hin ergänzen. Kooperationspartner/innen sollten daher über eine Tätigkeit, eine Leistung oder Kontakte verfügen, die man selbst nicht anbieten kann oder auf eine andere Erfahrung bzw. Ausbildung für einen relevanten Bereich der eigenen Arbeit zurückgreifen. Zudem bieten Kooperationen eine Erweiterung der eigenen finanziellen und materiellen Ressourcen. Die Kooperation prägt daher wesentlich das Arbeitsergebnis. Somit wird mit den Kooperationspartner/innen zusammen eine umfassende Betreuung/ Versorgung bzw. Bearbeitung des gemeinsamen Themas möglich. Über den Kooperationspartner/innen wird ein breiteres Publikum erreicht.
Über die konkreten Arbeitsziele hinaus sind Kooperationen dann attraktiv, wenn sie den Bekanntheitsgrad, das Vertrauen und Ansehen der eigenen Organisation in der Öffentlichkeit steigern. Zwischen den beteiligten Akteur/innen sorgt die enge Zusammenarbeit zudem für ein besseres Kennenlernen von Personen, Strukturen, Prozessen und Kulturen. Eine erste Kooperation kann damit dazu dienen, den Weg einer weiteren Zusammenarbeit zu ebnen.
Über das Erreichen eines Arbeitszieles hinaus, äußerten einige Befragte durchaus den Wert von Kooperationen an sich. Es sei grundsätzlich besser, zusammenzuarbeiten als allein oder gar in Konkurrenz zu anderen Akteur/innen zu stehen. Organisationen sehen es zudem als ihre gesellschaftliche Verantwortung an, mit anderen Organisationen zu kooperieren. Dieser innere Antrieb impliziert, dass nicht prinzipiell zuerst ein Bedarf oder ein überindividuelles Interesse identifiziert werden muss, um eine Kooperation anzubahnen. Vielmehr kann auch eine Kooperation angedacht werden, um daraufhin gemeinsame Ziele zu entwickeln. Diese kooperationsfreudige Haltung fördert vor allem auch die Motivation, zu Beginn in eine Kooperation zu investieren. Sie trägt allerdings nur, solange auch hier alle Beteiligten einen Nutzen aus der Kooperation ziehen können.
Wie wird aus Kontakt eine Kooperation?
Kontakte zu anderen Akteur/innen im eigenen Handlungsfeld erweitern das eigene Wissen und den Zugang zu Informationen. Konkrete Kooperationsprojekte zwischen zwei oder mehreren Partner/innen sind jedoch voraussetzungsreicher. Sie verlangen eine große Verbindlichkeit, gegenseitiges Vertrauen und klare Absprachen über die gesamte Dauer des Projektes. Diese Voraussetzungen müssen bei der Anbahnung der Kooperation gezielt hergestellt werden.
Um aus einem Kontakt eine Kooperationen zu entwickeln, braucht es eine(n) Initiator/in. Eine Person muss die Idee haben, dass zur Lösung eines Problems eine Kooperation sinnvoll ist. Dazu muss die Initiatorin aktiv werden, den Kontakt zu möglichen Kooperationspartner/ -innen suchen, für die Kooperation werben, gemeinsame Ziele ansprechen und am Ball bleiben. Erfolgsversprechend sind hierfür bereits bestehende Kontakte aus bewährten Kooperationen. Wenn die Kooperation neu eingegangen wurde, ist auch ausschlaggebend, dass die Kooperationspartner zumindest in der Öffentlichkeit einen guten Ruf haben. Zudem bringt eine offizielle Legitimität (bspw. in Form eines bekannten Qualitätssiegels) für einige Partner die nötige Sicherheit, um eine Kooperation einzugehen.
Es lohnt sich, potenzielle (auch dezidiert potente) Unterstützer/innen für ein Projekt ganz konkret zu suchen, anzusprechen und ihnen eine Kooperation anzubieten. Dabei empfiehlt es sich, im Vorhinein zu überlegen, was diese möglichen Kooperationspartner/innen einbringen sollen und wie diese von einer Kooperation profitieren können sowie, inwiefern die Arbeitsweisen der Partner/innen zusammenpassen bzw. integriert werden können.
Eine wesentliche Voraussetzung ist, dass Ressourcen für die Kooperation zur Verfügung stehen und deren Umfang geklärt ist. Kooperationen macht man, wie auch Netzwerkarbeit im Allgemeinen, nicht nebenher. Arbeitszeiten, Personen und Zuständigkeiten, Räume und Material müssen bereitgestellt und unter Umständen Prioritäten neu geordnet werden. Somit müssen Kooperationen auf allen Seiten gewollt, projektiert und in die bestehenden Strukturen der Organisationen eingebettet werden.
Da Kooperationen zwischen formal unabhängigen Kooperationspartner/innen geschlossen werden, ist die Anerkennung der freien und gleichwertigen Verhandlungsposition aller Beteiligten eine essentielle Voraussetzung. Damit gehen die gegenseitige Wertschätzung und die Bereitschaft der Investition in die Kooperation einher.
Welche Faktoren hemmen oder verhindern den Aufbau von Kooperationen?
Der Aufbau einer Kooperation in einem Netzwerk kann viele Potenziale und Energien freisetzen. In der kritischen Anfangsphase werden Sympathien hergestellt, Arbeitsgrundlagen geklärt und gemeinsame Ziele vereinbart. Schon hier können daher Kooperationen durch verschiedene Faktoren gehemmt werden und gar nicht erst zustande kommen.
So kann schon die äußere Erscheinung oder der Ruf, nicht ansprechbar, überlastet, inkompatibel mit den eigenen Werten oder unfähig zu sein, mögliche Kooperationspartner/ innen an der Kontaktaufnahme hindern, ohne einen direkten Kontakt hergestellt zu haben. Auch neue, bisher unbekannte Akteur/innen haben es schwer. Allein Unbekanntheit und Fremdheitsempfinden hemmen die Kontaktaufnahme. Es empfiehlt sich daher auch für Akteur/innen mit wenigen Mitarbeiter/innen und Ressourcen, das eigene Auftreten in der Öffentlichkeit zu beobachten und für sich im positiven Sinne zu werben.
Gerade hier spielt die Einschätzung und Bewertung der eigenen Handlungskompetenzen und -kapazitäten sowie der Fähigkeiten der potenziellen Partner/innen eine große Rolle. Eine negative oder geringe Einschätzung der eigenen und fremden Kompetenzen sowie zeitlichen, emotionalen und materiellen Ressourcen hemmt Kooperationen.
Gerade wenn die eigenen Ressourcen als zu begrenzt eingeschätzt werden, besteht meist wenig Kooperationseuphorie. Dann ist mit einem Rückzug aus Netzwerken und Kooperationen zugunsten der eigenen Kerntätigkeit zu rechnen. Begünstigt wird dieser Effekt dadurch, dass die potenzielle Kooperation bei einem der Partner/ -innen nur eine geringe Relevanz einnimmt. Je weniger Relevanz dem Kooperationsprojekt und seinen Ergebnissen von Seiten der Organisation beigemessen wird, umso geringer sind dessen Investment, Selbstverpflichtung und Gelingenswahrscheinlichkeit.
Darüber hinaus hindert wenig oder keine Initiative seitens eines Partners das Entstehen und die Kontinuität einer Kooperation. Es wird der Eindruck vermittelt, dass der/die potenzielle Kooperationspartner/in für das Projekt und zur Erreichung des gemeinsamen Ziels nichts beiträgt und damit auch kein zukünftiges Engagement erwarten lässt.
Starkes Konkurrenzdenken und persönliche Konflikte zwischen Schlüsselpersonen verhindern grundsätzlich jede Form von Kooperation oder führen zu ihrem Abbruch. Sie führen zur Abgrenzung, zur Zurückhaltung von Informationen und Abwertung von potenziellen Kooperationspartner/ innen.
Warum werden Kooperationen abgebrochen?
Immer wieder kommt es zu Konflikten und Abbrüchen von Kooperationsprojekten. Gründe hierfür sind in verschiedenen Phasen und auf verschiedenen Ebenen zu suchen. Kooperationen sind zumindest in ihrem Aufbau stark von einzelnen Personen abhängig. Daher kann der Ausfall einer zentralen Person durch Stellenwechsel oder Rente zu deren Abbruch führen. Ständig wechselndes Personal innerhalb einer Organisation ist daher keine gute Voraussetzung für langfristige Zusammenarbeit.
Machtspiele, der Versuch, Macht trotz formaler Unabhängigkeit auszuüben, und dabei Kooperationspartner/ innen in eine inferiore Position zu verweisen oder ihnen den eigenen Willen aufzudrängen, kann ebenfalls zum Abbruch von Kooperationen führen. Dazu gehört auch, in Entscheidungen nicht einbezogen zu werden und Informationen nicht zu erhalten. Ähnlich verhält es sich mit Unzuverlässigkeit, z. B. bei der Einhaltung von Terminen. Hierbei wird fahrlässig über Ressourcen anderer verfügt, was sich ein unabhängiger Partner nicht zu oft gefallen lässt. Auslöser für Kontaktabbruch kann zudem sein, wenn die Organisation, das öffentliche Ansehen, Produkte von gemeinsamen Projekten oder Projekte des Kooperationspartners von einem der Kooperationspartner/ innen vereinnahmt und z. B. als eigene Errungenschaft präsentiert werden.
Auch Uneinigkeiten und Streitigkeiten sind in Kooperationen und generell in der Netzwerkarbeit sensibler als innerhalb von Organisationen. Ihr Aufflammen führt schnell zum Abbruch der Zusammenarbeit. Auch hier gilt: Je relevanter für die Organisation das Kooperationsprojekt und dessen Ergebnis sind, desto konfliktresistenter ist die Partnerschaft.
Welche Faktoren begünstigen die Kontinuität von Kooperationen?
Einzelne Kooperationsprojekte zwischen Akteur/innen sind immer zeitlich begrenzt und werden abhängig von ihrem Output im Nachhinein von den beteiligten Personen und deren Organisationen bewertet. Weitere Kooperationsprojekte und damit eine längerfristige Partnerschaft werden nur eingegangen, wenn die Beteiligten auf bereits erreichte Ziele zurückblicken und sich auch weiterhin Erfolg von der Zusammenarbeit versprechen. Für die Kontinuität von Partnerschaften sind daher folgende Kriterien von Belang:
Der/die Kooperationspartner/in ist relevant für das eigene Image, die Kontinuität der eigenen Arbeit oder die Erreichung der eigenen Arbeitsziele. Das kann auch dazu führen, dass die Arbeit der Kooperationspartner/ innen so essentiell wird, dass die eigene Arbeit gar nicht möglich wäre ohne deren Kooperation. Zudem begünstigt eine längerfristige Erwartung des gegenseitigen voneinander Profitierens und Zusammenarbeitens an einem gemeinsamen, übergeordneten Ziel eine längere Partnerschaft.
Langer Atem ist die Voraussetzung für länger dauernde Kooperationsprojekte und langfristige Partnerschaften. Das gilt in jeglicher Hinsicht. Es gilt, immer wieder präsent zu sein, nachzuhaken, langfristige Ziele zu stecken, zu überprüfen und den Projektverlauf anzupassen. Nur mit diesem über den normalen Betrieb der eigenen Arbeit hinausgehenden Einsatz gelingt es, die Nachhaltigkeit von Kooperationen zu sichern.
Durch die Institutionalisierung von Kooperationen, z. B. durch Verträge und klare Absprachen wird die Wahrscheinlichkeit der Kontinuität der Beziehung gesteigert, auch wenn z. B. ein Personalwechsel oder ein struktureller Umbau bei einem der Kooperationspartner/innen stattfindet.
Pfarreien für sozialräumliche Kooperationen aufstellen
Für die Anbahnung und das Gelingen von Kooperationen in sozialräumlichen Netzwerken lassen sich wesentliche Merkmale kondensieren, mit Hilfe derer sich Pfarreien als potenzielle Partner aufstellen, ihre Attraktivität steigern und gelingende Kooperationen eingehen.
Der äußere Eindruck zählt! Werde ich als verlässlich, zielorientiert und erreichbar wahrgenommen? Ist der Umwelt klar und verständlich, was die eigenen Inhalte und Ziele sind? Es ist wichtig, auch aktive Arbeit in die Kommunikation im Sozialraum zu investieren.
Persönlichkeiten prägen die Beziehung zu anderen Organisationen! Persönlichkeitseigenschaften, Haltungen, meine unterschiedlichen Rollen und das Beziehungsverhalten leiten das Handeln im Sozialraum. In Kooperationen sollten diese personalen Faktoren bewusst eingesetzt werden.
Planungs- und Kommunikationsfähigkeit sind Grundkompetenzen für Zusammenarbeit im Netzwerk! Kooperationen gelingen durch explizite, klare und von allen Seiten akzeptierte Planung und Projektsteuerung.