In Bezug auf unterschiedliche ethnische, kulturelle und religiöse Herkunft weist das Stichwort der interkulturellen (und interreligiösen) Öffnung auf ein Defizit unserer Gesellschaft hin: Die Strukturen sind auf die Bedürfnisse Alteingesessener ausgerichtet und grenzen Menschen mit Zuwanderungsgeschichte aus.
Beispiel: Wie kann ein katholisches Krankenhaus sicherstellen, dass ein jesidischer, alevitischer, jüdischer Patient, der im Sterben liegt, die entsprechende religiöse Begleitung erfährt, die er braucht?
Wie können muslimische Kinder in einem katholischen oder evangelischen Kindergarten einbezogen werden, wenn gemeinsam vor dem Essen gebetet wird?
Institutionelle Strukturen, die sich in der Vergangenheit auf der Basis früherer Lebensumstände gebildet haben, besitzen eine Beharrungskraft, und es braucht Energie, Kraft und Anstrengung, alte Strukturen und institutionelle Gewohnheiten zu durchbrechen und die Strukturen von Organisationen und Einrichtungen zu öffnen.
Hier soll in einem ersten Punkt überlegt werden, was theologisch das Profil einer katholischen Einrichtung ausmacht. Ein wichtiger weiterer Punkt ist die Frage, inwieweit nichtchristliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in kirchlichen Einrichtungen angestellt sein können und abschließend wird überlegt, was für die Stärkung einer christlichen Spiritualität und Ausrichtung von kirchlichen Einrichtungen getan werden kann.
Theologische Aspekte zur Profilierung katholischer Einrichtungen in einer multireligiösen Gesellschaft
Die Kirche ist nicht eine Institution wie jede andere gesellschaftliche Institution auch. „Sie ist nie Selbstzweck, sondern steht immer im Dienst für das Reich Gottes“ (Impulse 15, S. 6).
Einige Theologen haben das mit der Formel der unsichtbaren und der sichtbaren Kirche beschrieben. Zur sichtbaren Kirche gehören alle Menschen mit einem Taufschein und zur unsichtbaren Kirche gehören alle Menschen, die durch Liebe und Hingabe helfen, das Reich Gottes zu verwirklichen. „ Kirche ist auf das Reich Gottes bezogen und zugleich von ihm zu unterscheiden.“ (Impulse 15, S. 6)
Fulbert Steffensky hat das Wort geprägt, dass die Kirche unsere Träume vom Reich Gottes verwaltet. Diese Spannung haben wir immer im Blick zu haben. Verwaltung ist nichts sonderlich Attraktives, aber Notwendiges. Sobald Menschen zusammenkommen und gemeinsam handeln, brauchen sie Regeln, Gesetze und so hat auch die Kirche ihre Kirchengesetze. Diese Kirchengesetze dürfen aber eben nicht mit der unbegrenzten Liebe Gottes verwechselt werden, die uns allen zugesagt ist und die in dem Bild des Reiches Gottes allen Menschen und Völkern und damit auch allen Vertreterinnen und Vertretern verschiedenster Religionen und Weltanschauungen zugesagt ist.
Die Pastoralkonstitution Gaudium et spes und die Erklärung über die Haltung der Kirche zu den nichtchristlichen Religionen Nostra aetate verweisen auf diese entgrenzende Perspektive und machen deutlich, dass Menschen auch in anderen Religionen das Heil Gottes erfahren können.
Der Pastoraltheologe Ottmar Fuchs beschreibt diese Dialektik und Spannung der Abgrenzung des eigenen Glaubens vom Glauben anderer und der im katholischen Glauben selber begründeten Entgrenzung gläubigen Handelns auf alle Menschen hin in der Reich Gottes Perspektive. Das katholische Profil ist nur in dieser Spannung von klarer Abgrenzung gegenüber anderen Religionen und auch Ideologien und der entgrenzenden Beziehung zu allen Menschen und deren Weltanschauungen und Religionen zu verstehen. Wenn Menschen unterschiedlicher religiöser Herkunft in einer katholischen Einrichtung zusammenarbeiten und leben, dann kann dies ein gemeinsames Handeln im Blick auf das Reich Gottes darstellen. Nichtchristliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter tun dies zwar nicht als Kirche, aber gemeinsam mit der Kirche in einer verbindenden Beziehung auf ein Leben in Frieden, Gerechtigkeit und zur Bewahrung der Schöpfung hin, was wir Christen als Leben auf das Reich Gottes hin bezeichnen.
Die Frage nach nicht-christlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in konfessionellen Einrichtungen
Es ist unbestritten, dass es in katholischen Einrichtungen katholische Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter braucht, die die Identität der Kirche weitergeben durch ihr Leben und Arbeiten. Wir brauchen sie heute mehr denn je. In der Volkskirche konnten sich die „Laien“ in kirchlichen Einrichtungen darauf verlassen, dass religiöse Bräuche, Rituale, Gebete allgemein bekannt waren. Wenn in einem katholischen Altenheim ein Bewohner verstirbt, dann ist es oft üblich, dass die Pflegenden am Bett des Verstorbenen den Rosenkranz beten. Heute ist es die Regel, dass junge Mitarbeiter/ -innen, selbst wenn sie katholisch getauft sind, den Rosenkranz nicht kennen. Dann stellt sich die Frage: Wird den neuen Mitarbeiter/innen der Rosenkranz nahegebracht? Finden sie einen Zugang dazu? Gibt es gegebenenfalls andere Gebete und Lieder, die am Bett des/der Verstorbenen gemeinsam gebetet und gesungen werden können? Wenn in den Einrichtungen die tradierten katholischen Rituale, Symbole, biblischen Geschichten nicht mehr vorkommen, dann verliert die Kirche ihr Gedächtnis und auch die ausdrückliche Beziehung zu dem Mysterium, das die Kirche als Überlieferung und Schatz weiterzugeben hat. Es braucht also immer einen Kern an christlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die mit der eigenen Tradition vertraut sind und diese in der Organisation auch weitergeben können.
Aus der Reich Gottes Perspektive heraus ist es aber überhaupt nicht schädlich, wenn es nichtchristliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gibt, die in Loyalität mit dem Auftrag der katholischen Einrichtung und im wirklichen Interesse an den Anliegen der katholischen Kirche mitarbeiten. Ausgeschlossen sind dabei natürlich Menschen mit extrem fundamentalistischen und exklusivistischen Haltungen, die quasi die Tradition der kirchlichen Einrichtung unterwandern wollen. Dabei sollte auch gesagt werden, dass katholische Extremisten in einer katholischen Einrichtung ebenso schädlich sind, weil sie die unbedingte und grenzenlose Liebe, die uns Jesus aufgetragen hat, ebenso wenig vertreten. Wenn nichtchristliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zugunsten eines gemeinsamen Zieles in kirchlichen Einrichtungen aktiv sind, dann können sie sogar das christliche Profil der Einrichtung stärken, indem sie beispielsweise aus ihrer Außenperspektive heraus konstruktive Fragen stellen. So fragte einmal eine muslimische Mitarbeiterin in einem katholischen Krankenhaus, weshalb denn zu Weihnachten so wenig Personal im Krankenhaus vertreten sei. Wenn Weihnachten ein so großes Fest für die Christen sei, dann müssten die Christen doch gerade den Patientinnen und Patienten zu Weihnachten nahe sein und ihnen diese frohe Botschaft durch ihre Nähe vermitteln. Nichtchristliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind möglicherweise auch besonders sensibel für die Schattenseiten der eigenen Religionsausübung und können in kritischer Solidarität darauf aufmerksam machen.
Zur rechtlichen Situation bezüglich nichtchristlicher Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in kirchlichen Einrichtungen
Das Allgemeine Gleichstellungsgesetz AGG zielt darauf ab, Diskriminierung von Menschen aufgrund ihres Geschlechts, ihrer ethnischen Herkunft, ihres Alters, ihrer sexuellen Ausrichtung, aufgrund einer Behinderung und auch aufgrund ihrer religiösen oder weltanschaulichen Herkunft zu verhindern. Die Kirchen haben hier ein Ausnahmerecht, dass sie nach ihren eigenen Regeln Personen einstellen dürfen. Es dürfte auch jedem einsichtig sein, dass ein muslimischer Bewerber sich nicht auf eine evangelische oder katholische Pastorenstelle bewerben kann. Die große Frage ist die, ob die Konfessionszugehörigkeit ein Ausschlusskriterium bei jedweder Tätigkeit in einer kirchlichen Einrichtung sein kann. Hier gibt es zunehmend Gerichtsbeschlüsse, insbesondere vom Europäischen Gerichtshof, die eine Abwägung zwischen dem Interesse der Kirche und dem Interesse der einzelnen Personen vornehmen. So wurde die Entlassung eines Organisten aufgrund von Scheidung und Wiederheirat durch den Europäischen Gerichtshof aufgehoben, weil gesagt wurde, dass der Organist auf kirchliche Stellenangebote angewiesen ist und auf dem Arbeitsmarkt sonst kaum Berufsmöglichkeiten hat. Wie sieht denn nun die Regelung seitens der Kirchen aus? Die Grundordnung des kirchlichen Dienstes im Rahmen kirchlicher Arbeitsverhältnisse wurde am 27. April 2015 neu gefasst und hier gibt es jetzt eine Lockerung dahingehend, dass erzieherische und leitende Aufgaben vom kirchlichen Dienstgeber in der Regel nur einer Person übertragen werden können, die der katholischen Kirche angehört (Artikel 3, Abs. 2).
In der Regel heißt, dass es Ausnahmen von der Regel geben kann, und so werden auch diese Ausnahmen immer häufiger, wenn keine anderen Bewerberinnen und Bewerber zur Verfügung stehen oder wenn beispielsweise eine muslimische Bewerberin besonders geeignet erscheint, in einem Kindergarten als Ansprechpartnerin für die muslimischen Kinder eine besondere Rolle zu übernehmen. Diese Öffnung ist zu begrüßen und sie ist noch viel zu wenig bekannt.
Mir persönlich reichen die Formulierungen in der Grundordnung nicht aus. Ich würde mir wünschen, dass der Beitrag nichtchristlicher Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in kirchlichen Einrichtungen dort positiv gewürdigt würde, weil solche Mitarbeitenden eben auch schon auf die Perspektive der Einheit aller 31 Menschen und Völker hinweist, die wir mit der Arbeit am Reich Gottes anstreben. Überhaupt ist die Grundordnung des kirchlichen Dienstes theologisch nicht fundiert. Bezeichnend ist, dass das Wort Reich Gottes kein einziges Mal vorkommt und damit auch nicht die entgrenzende Perspektive kirchlichen Handelns. Die Kirche wird hier nicht in ihrer Bezogenheit auf das Reich Gottes gesehen, sondern als eine Institution wie jede andere und ich würde mir sehr wünschen, dass dieses Papier noch einmal aus einer theologischen Perspektive grundlegend überarbeitet wird. Sie spiegelt mein Kirchenverständnis nicht wider.
Perspektiven für die Stärkung von Spiritualität in kirchlichen Einrichtungen
Ich empfinde es als einen grundlegend falschen Ansatz, die kirchliche Qualität von Mitarbeitenden auf der Basis eines Taufscheins und „sauberer“ Papiere bezüglich kirchlicher Eheschließung zu qualifizieren. Es gibt in Bewerbungsgesprächen durchaus Möglichkeiten, Menschen mit ihrer Herzensbildung in den Blick zu nehmen und auch nach ihren Motivationen, in einer kirchlichen Einrichtung zu arbeiten, zu fragen. Und da kann es sein, dass ein Bewerber jesidischen, muslimischen, jüdischen oder gar keinen Glaubens mehr Eignung für eine Arbeit in der Perspektive des Reiches Gottes mitbringt als ein Taufscheinkatholik. Gleichzeitig halte ich es aber auch in einer sich immer stärker säkularisierenden Gesellschaft für sinnvoll und notwendig, dass katholische Einrichtungen Fortbildungen anbieten, die das spezifisch katholische Profil der Einrichtung fördern und da dürfen auch Bewerberinnen und Bewerber gefragt werden, inwieweit sie ein Interesse an solchen Fortbildungen haben. Wir brauchen in jeder kirchlichen Einrichtung eine bestimmte Anzahl an Mitarbeitenden, die bezüglich ihres Glaubens sprachfähig sind. Wer dann eingestellt ist, muss aber absoluten Respekt für die eigene Person und für die eigene persönliche Religiosität spüren. Niemand darf gezwungen werden, über den eigenen Glauben reden zu müssen. Und zugleich heißt es, Räume zu schaffen, in denen die Mitarbeitenden die Möglichkeit haben, sich über ihre eigene Spiritualität, über Ihre Fragen und Zweifel bezüglich ihres Glaubens auszutauschen. Notwendig ist auch der Respekt für menschliche Lebenssituationen mit all ihren Brüchen und Problemen. Wenn Mitarbeitende aufgrund gescheiterter Beziehungen und neu eingegangener Beziehungen nach Trennung und Scheidung etwas verheimlichen müssen gegenüber ihrem katholischen Arbeitgeber, weil sie Sorge haben, dass das ihren Arbeitsplatz gefährden könnte, dann wird das Reden von einer christlichen Dienstgemeinschaft schnell hohl.
Dialog als Chance
Innerhalb der Kirche erleben wir unterschiedliche Reaktionen auf die durch die Globalisierung bedingte religiöse Vielfalt in unserem Land. In einem ersten Verständnis gibt es Kritik an einer multikulturellen Prägung der Gesellschaft überhaupt und dass die Kirche da auch mitmacht. Die katholische Kirche möge doch bitte ihr „altes“ katholisches Verständnis beibehalten und im Wesentlichen auch für die eigenen Katholiken ihre sozialen Dienste anbieten. In einem extremen Sinne hat der österreichische Vizekanzler Strache die Eigenorientierung in seiner Wahlwerbung auf die Politik bezogen so ausgedrückt: Liebe deinen Nächsten – das sind für mich die Österreicher. Übertragen auf unseren Zusammenhang hieße das: Liebe deinen Nächsten – das sind für mich die Christen oder gar die Katholiken. So etwas geht gar nicht und widerspricht dem christlichen Verständnis völlig, wie auch das politische Verständnis des Vizekanzlers Strache dem Christentum absolut widerspricht. Denn es ist gerade das Spezifikum des Christentums, dass Nächstenliebe keine Grenze kennt. Jesus hat dies in dem Gleichnis des barmherzigen Samariters sehr deutlich zum Ausdruck gebracht. Wer war dem zusammengeschlagenen verletzten Menschen der Nächste? Es war nicht der Priester, der vorbeiging. Es war auch nicht der Levit. Es war der Nichtjude, der Ausländer, der Heide, der Samariter, der der Nächste war und zum Nächsten wurde und so hat Jesus im Gleichnis alle Grenzen zu sprengen versucht.
Ein zweites Verständnis könnte so gedeutet werden, dass die säkulare Gesellschaft dazu führt, dass die kirchlichen Sozialeinrichtungen immer weniger von überzeugten Katholikinnen und Katholiken, die jeden Sonntag zur Kirche gehen, geprägt werden und es wird die Frage gestellt, wie sich kirchliche soziale Einrichtungen von anderen Einrichtungen unterscheiden. Wenn dann auch noch die Tatsache dazu kommt, dass Nichtkatholiken und Nichtchristen kirchliche Einrichtungen prägen, dass sie dort sogar als hauptamtliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter eingestellt werden, dann wird schnell die Frage gestellt: Ist es nicht besser, weniger kirchliche Einrichtungen zu haben, die dann von überzeugten Christinnen und Christen getragen werden, als viele Einrichtungen zu haben, in denen Nichtchristen mitarbeiten und in denen, so die Vermutung, das spezifisch Katholische nicht mehr deutlich wird? Hier wird der Rückzug in die überschaubare Nische angetreten. Es gibt aber keinen Weg zurück in eine geschlossene katholische Welt.
Hier wird, wie Sie gesehen haben, ein dritter Zugang gewählt. Unsere Lebensverhältnisse globalisieren sich immer stärker. Menschen unterschiedlicher Kultur und Religion leben in Nachbarschaft Tür an Tür und wir leben jetzt in einer Situation, in der das Katholische eigentlich richtig zum Tragen kommen könnte. Katholisch heißt übersetzt allumfassend, und jetzt leben wir in einer Situation, in der die christliche Botschaft wirklich allumfassend allen Menschen unterschiedlicher Herkunft weitergesagt werden kann. Der Volkskatholizismus, dem viele hinterhertrauern, war letztlich doch auch ein Katholizismus des katholischen Volkes für das katholische Volk, und man lebte meist friedlich-schiedlich mit den Protestanten und den nicht religiösen Menschen als eine eigene starke katholische Gruppe unter sich. Jetzt sind wir herausgefordert, das Katholische, das Christsein für alle zu leben.
Ottmar Volker Meißner sagt es so: „Eine Einbeziehung der neuen religiösen Vielfalt bedeutet kein Verwässern des katholischen Profils, sondern seine Aktualisierung.“ In der säkularisierten Welt sind Christinnen und Christen viel stärker als früher herausgefordert, ihr Christsein zu bezeugen und ihren Glauben auszudrücken. Dazu brauchen wir in kirchlichen Einrichtungen eine Pflege des Glaubens und der Spiritualität in einer Form, die alle Mitarbeitenden einbezieht und niemanden ausschließt. Wir brauchen mehr freiwillige Fortbildungen auch zu interreligiösen Fragen und wir brauchen Orte, an denen der Glaube aller gefeiert und die Spiritualität gepflegt werden kann. Der Dialog mit offenen und gegenüber der kirchlichen Einrichtung loyalen nichtreligiösen und andersreligiösen Mitarbeitenden stellt dabei eine Chance dar, den eigenen Glauben zu vertiefen, auszusprechen und zu leben.