Ministrantin, Ministrant sein kann man eigentlich nicht alleine, denn Minis können ihren Dienst nur in Gemeinschaft tun: mit anderen Ministrant/-innen, dem Priester bzw. den Zelebrierenden, der Gemeinde und natürlich für und mit Jesus Christus. Diese Koinonia ist konstitutiv für den Dienst. Pastoraltheologisch reflek tiert, tragen Ministrantinnen und Ministranten zur Verwirklichung aller Grunddimensionen, sozusagen der Hauptaufgaben von Kirche bei, indem sie Liturgie, das Dienst-Tun am anderen Menschen und auch das Zeugnis-Geben ganz persönlich miteinander verbinden. Dieser Dienst endet nicht an der Kirchentür: Durch ihren Dienst und durch ihr Engagement rund um diesen Dienst herum, im Tun verkünden sie unmittelbar ihren Glauben bis hinein in ihre Alltagswelt; ihr Dienst bedingt schon in seiner konkreten Ausübung Offenheit für das Miteinander, Achtsamkeit im Füreinander, und gewinnt eine diakonische Entfaltung, die sich in Gruppenstundenbesuchen im Altenheim bis hin zum Sternsingen der meisten Minis aufspannt und die ebenfalls in den Alltag hineinwirkt.
359.633 Ministrantinnen und Ministranten, davon mehr als 53 Prozent Mädchen, bilden aktuell diese Gemeinschaft; eine außerordentliche Zahl von Kindern, Jugendlichen, jungen und älteren Erwachsenen, die dazu beitragen, in bunten Strukturen durch ihren Dienst die Gemeinschaft Kirche in ihren genannten Grunddimensionen konkret und lebendig werden zu lassen. Zugleich auch ein außerordentliches Zeichen des Vertrauens in die Ministrantenpastoral und darauf, dass die in der Jugendpastoral umfassend implementierten Konzepte zur Prävention sexueller Gewalt (bei allen nötigen weiteren Aufarbeitungen auf verschiedenen Strukturebenen wie der fortdauernden Weiterarbeit an der Umsetzung) tragfähig sind.
Die überwiegende Mehrheit der Minis ist zwischen neun und 13 Jahren alt, doch ist die Zahl erwachsener Ministrant/-innen in der Folge von gesellschaftlichen, lebensweltlichen und kirchlichen Entwicklungen gestiegen (konstruktive pastorale Chancenbetonung und liturgische (Wieder-)Erschließung auch im Blick auf die unterschiedlichen im aktiven Ministrantendienst vorhandenen Lebensphasen, nicht als je etwa mit dem Label „defizitär“ versehene Entwicklungseinschätzungen, sind daraus zu folgern).
Regelmäßige wöchentliche Gruppenstunden sind immer noch wesentlich, doch weniger geworden, monatliche und altersübergreifende Treffen sowie besondere Aktionen wie Ausflüge und Zeltlager, liturgische Übungsnachmittage o. Ä. überwiegen mittlerweile. Viele Ehrenamtliche (v. a. ehemalige Minis, die sozusagen eine hohe Verpflichtung für die eigene Dienstgemeinschaft zeigen, aber auch Pfarreiangehörige oder Eltern) begleiten die Ministrantinnen und Ministranten. Das Prinzip „Jugend leitet Jugend“ ist noch immer häufiger anzutreffen als die Realität „Erwachsene leiten Jugend“, geht jedoch zurück. Hauptberuflich wie ehrenamtlich Begleitende sind Teil einer Ministrantenpastoral, die eine umfassende liturgische Bildung, pastorale und pädagogische Begleitung anvisieren muss, die die Minis sowohl in ihrem Dienst in der Liturgie, aber auch als Menschen in einer Gemeinschaft und mit ihrer persönlichen Spiritualität, in ihrer Lebensphase der „riskanten Chancen“ und in ihrem Glauben und Suchen als Personen ernst nimmt.
Mit Christus leben: Dienst als Freundschaft
Wesenskern und Geschichte des Ministrantendienstes bis heute weisen ihn als „wahrhaft liturgischen Dienst“ aus, die Aufgaben von Ministrantinnen und Ministranten sind dabei spezifischer Ausdruck der participatio actuosa (Sacrosanctum Concilium); so weit, so klar. „Ministrant/- innen“ tun Dienst an der theologia prima, dass „Christus lebt!“ ist durch die Feier der Liturgie Anfang 11 und Mitte der Aufgaben ihres Dienstes, entsprechend ist liturgische Bildung zur Korrelation von Leben und Dienst das lebendige Zentrum der pastoralen und pädagogischen Begleitung. (Nebenbei bemerkt, so groß der Respekt vor der regionalen Üblichkeit von „Messdiener/-innen“ ist und unbedingt bleibt, so transportiert „Ministrant/-innen“ doch treffend, dass Minis nicht „nur“ in der Heiligen Messe Dienst tun, sondern auch bei Feiern von Sakramenten oder Sakramentalien, in liturgischen Feiern von Kasualien oder bei Wort-Gottes- Feiern und anderen Gelegenheiten spezifische Aufgaben übernehmen).
Entsprechend geht es dabei, diesen Dienst zu tun, Diener/-in zu sein, nicht einfach um eine rechte Erfüllung von Aufgaben, Laufwegen oder Aufträgen, sondern um eine innere Haltung und um echte Beziehung aus dem eigenen Leben heraus; es geht nicht um Unterwürfigkeit Menschen gegenüber, sondern um das „Training“ der Liebe zu Gott, um Freundschaft mit Jesus Christus durch diesen Dienst. Anders gesagt, nicht douloi, sondern immer wieder diakonoi, wie einige johanneische Beispiele beschreiben können: Bei der Hochzeit zu Kana Joh 2,5–9 „ministrieren“ nicht Sklaven oder Knechte, sondern Diener – sie wissen, woher das zu Wein gewordene Wasser kommt; bei der Brotvermehrung Joh 6,1–13 ist es das Kind als „Ministrant“, das die dann überreichen Gaben bringt. Jesu Aufforderung zur Nachfolge Joh 12,26 „Wer mir dienen will, folge mir nach“ ist getragen gerade vom Ja zum eigenen Selbst, zum „echten“ Leben, zu dem er auch die Dienenden ruft – nicht als einen Herrn bedienende Knechte, sondern als „im Auftrag“ Fortsetzende, Dienende. Und so sind es explizit nicht mehr Knechte, sondern Freunde, denen Joh 15,15 das eine, alle umschließende Gebot gegeben ist: Jesu Freundschaft und Liebe mit der eigenen Freundschaft und Liebe zu antworten, diese also zu feiern, ihr zu dienen.
Aus ihr erwächst die Aufgabe für unsere Ministrantenpastoral von der Liturgie zu einer eigenen Spiritualität solchen Dienens Brücken zu bauen, um darin mystagogisch Leben, Dienst und Liturgie zu korrelieren und Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene durch ihren Ministrantendienst in Feier und Gebet eines solchen Dialoges der Freundschaft zu begleiten; so verstanden: zu evangelisieren.
Christus im medialen Leben: Pastoral digital
Ministrantinnen und Ministranten sind ganz dicht dran an Ambo und Altar und stehen zugleich mitten im Leben. Sie sind Kinder, Jugendliche oder junge Erwachsene, die nicht anders als ihre Altersgenossen sind, deren Lebenswelt sie teilen, und die doch einen besonderen Dienst tun, der sie auszeichnet. Ihre Lebenswirklichkeit ist digital: JIM, der Basisstudie „Jugend, Information, Multimedia“ 2018 zum Umgang von 12- bis 19-Jährigen mit Medien und Informationen folgend, sind in praktisch allen Familien Smartphones, Computer/ Laptop und Internetzugang vorhanden, mehr als 97 Prozent der Jugendlichen nutzen (nahezu) täglich das (nahezu immer eigene) Smartphone und ebenso viele das Internet; die hauptsächliche Onlinenutzung dient u. a. der Kommunikation, sodann z. B. der Unterhaltung mit Streaming von Musik und Videos oder auch Games etc.
Es ist absehbar, dass gerade für junge Menschen die Verschränkung von virtueller und sogenannter realer, physischer Erfahrungswelt weiter zunehmen wird – einen Gegensatz gibt es sowieso nicht, da das Subjekt der jeweiligen Erfahrung der eine Mensch ist. Medial gesehen sind Smartphones mittlerweile direktes oder indirektes Medium für scheinbar alles soziale Tun, das Internet wiederum interagiert mit allen Lebensbereichen, es verändert alles, die Art, wie wir kommunizieren, genauso wie die Art, wie wir leben – auch mit Gott. Eine (Ministranten-)Pastoral, die sich mit den erwachsenden Chancen und Risiken auseinandersetzt, muss zunächst gerade diese lebensweltlichen Entwicklungen erkennen und anerkennen, um miteinander zu kommunizieren, in Beziehung zu treten.
Junge Menschen dabei zu begleiten, Christus in ihrem Leben zu entdecken und mit ihm auch jenseits des Ministrantendienstes durch den Alltag zu gehen, bedeutet, dafür auch ihre Alltagsmedien und -geräte einzubeziehen oder dabei medial spielerischer, unverkrampfter zu sein – gerade, um die persönliche Beziehung untereinander wie die Freundschaft mit Jesus Christus ernsthaft zu stärken. Polemisch-praktisch formuliert, ist es kein Zeichen des Besonderen, Zeitlosen, sondern eher des aus der Zeit Gefallenen, Absonderlichen, das restliche Leben über Smartphone und Internet zu organisieren, die eigenen Ministrantendiensttermine oder Gruppenstundeninhalte jedoch vom Smartphone fernzuhalten. Es gilt, pastoral auszuprobieren und zu lernen: Schritte zur spielerischen Immersion der Wallfahrtserfahrung unternahm z. B. die App goRome!, von der afj für den Internationalen Ministrantenbund CIM entwickelt. Sie verband als Hybrid einen Education- Adventure-Game-Bereich rund um den heiligen Tarcisius, dem Schutzpatron der Ministrant/-innen, mit einem Pilgerbereich, u. a. mit täglichen Gebetsimpulsen, Grundgebeten, interaktiven Pilgerwegen und organisatorischen Informationen – neben der Freunde-Finden-Funktion und der Pushfunktion z. B. für ein Grußwort des Papstes; für den Nachhauseweg kam noch der Bereich goHome! dazu, der Anregungen zum Gebet, zur geistlich geleiteten Entscheidungsfindung im eigenen Leben sowie zu Engagementmöglichkeiten in unterschiedlichen pastoralen Feldern anbot (die App ist übrigens weiter downloadbar). Die nächste Evolutionsstufe bietet die goHome! zum Ausgang nehmende und steigend beliebte Berufungsapp Vocaris der afj, die jungen Menschen auf der Suche nach ihrer Berufung helfen will. Ministrantenpastoral, die die kreativen Medien oder gar einen medialen Coolnessfaktor für den Dienst am lebendigen Jesus nutzt, ist ein Gebot der Stunde.
CV – Lauf des Lebens und Dienst in Gottes Ruf
Berufliche Bewerbungen für eine Stelle o. Ä. zu verfassen, heißt, dem Kürzel „CV“ zu begegnen, bisweilen ist es ein entscheidender Teil der Lebensphase „riskanter Chancen“ junger Menschen. „CV“ steht für „Curriculum Vitae“, je nach Ver ortung der Stelle für eine Variante 13 des Lebenslaufs: für das, was mich in diesem Kontext ausmacht, was ich erlebt habe, aber auch für das, was Perspektiven darauf eröffnet, womit ich mein Leben verbringen will, was ich daraus an Handlungsoptionen entwickle, an einem bestimmten Ort beitragen will und kann. Eine schöne Fügung: CV ist seit April 2019 auch das Schreiben Christus vivit: wie z. B. beim Konzil oder päpstlichen Schreiben üblich, wohl als CV abgekürzt. Seine Kernbotschaft ist der lebendige Christus, eines seiner Kernanliegen die Berufungsunterscheidung – provokant formuliert, Pastoral nicht darauf reduziert, ein reiner Sammelpool für mögliche klerikale Berufungen oder zukünftiges Pfarrgemeindemitarbeitspotenzial zu sein, sondern als Beitrag zur Befähigung junger Menschen, Protagonisten ihres CV und ihrer Klärung des Rufes Gottes zu sein, in aller Weite des Berufungsbegriffs zu verstehen.
Ministrantendienst ist die Bereitschaft, sich zu engagieren, Dienst zu tun am lebendigen Christus, er steht mitten in seiner Freundschaftsanfrage und in seinem Ruf zur Nachfolge. Nur wenn demnach aus dem Ineinander von Dienst und Leben folgt, den oder die Einzelne(n) zuerst als Mensch zu sehen, der Offenheit, Ermutigung und Begleitung für den je eigenen Weg des Engagements in Gemeinde und Gesellschaft braucht, dafür, die eigene Berufung im Leben zu entdecken wie für die Wege, das eigene Engagement in der Gemeinde auch nach dem aktiven Ministrantendienst z. B. an anderer Stelle fortzusetzen, dann können sich auch die Möglichkeiten entfalten, die aus der Minipastoral für die Jugendpastoral erwachsen.
So verstanden, ist das Kürzel CV zugleich die beste Markierung für das Angebot seiner Freundschaft: CV steht dafür, dass Christus lebt und dass er mir in meinem Leben begegnet, dass er mir seine Nähe schenkt, um zu ihm zu gehören, ihm zu dienen. CV zugleich als die Benennung der zentralen Fragen junger Menschen: Was soll mein Leben ausmachen, was will ich tun und was gibt mir Sinn? Und schließlich CV als das Ineinander von Berufungspastoral und Ministrantentenpastoral, weil es beschreibt, was auch im Dienst als Ministrant/-in geschieht: dass ich mein Tun, mein Leben öffne für Jesus Christus und es ausrichte durch ihn. Darin ist ersichtlich, dass Ministrantenpastoral genuin Berufungspastoral ist: Gott ruft jeden Menschen zum Leben in Fülle Joh 10,10 und lädt ihn auf den je persönlichen Weg dorthin ein. Dafür wünschen sich junge Menschen Begleitung mit dem „Charisma des Zuhörens“, das ist die Weite von CV und das ist der Auftrag unserer Pastoral.
Christus lebt, Dein Dienst erzählt davon – Missionarische Ministrantenpastoral
Liturgische Bildung, pädagogische Arbeit und pastorale Begleitung sind die Säulen, die die Ministrantenpastoral tragen; sie erwachsen aus der o. g. Entfaltung des Ministrantendienstes in den Grunddimensionen kirchlichen Handelns, während diese umgekehrt im Dienst der Ministrant/-innen sichtbar werden. Missionarische Ministrantenpastoral meint deshalb keine Verzweckung etwa der Jugendlichen, sondern beschreibt das Geschehen umgekehrt: Minis legen durch ihren Dienst an der gottesdienstlichen Gemeinde und der Schönheit der Feier Zeugnis für uns „nach innen“ ab, wie sie das auch durch ihr Engagement den Altersgenossen gegenüber in ihrer Lebenswelt tun. Der Dienst wirkt durch die Jugendlichen und ihr Leben als Personen mitten in diese Gesellschaft hinein: Ganz evident, weil das Mini-Sein – auch, wenn es bisweilen schwer ist, dazu zu stehen – Teil ihres Lebens ist, in welchem Lebenszusammenhang auch immer sie gerade unterwegs sind (einschließlich der ebenso oft vorhandenen Schmähungen oder Anfeindungen von außen für ihren Dienst); beides gilt auch für die rund um ihren Dienst erwachsende oben beschriebene diakonische Dimension, die dem eigenen Dienst im sozialen Tun für andere Menschen von der Botschaft der Freundschaft Jesu und davon erzählt, dass Christus lebt. Auch hier gilt wieder, ministrantenpastorales Handeln auf die Person der Ministrantin, des Ministranten und das Wachstum deren eigener Spiritualität auszurichten – mit der Spiritualität des Dienens ist untrennbar jene missionarische Spiritualität verbunden, die Papst Franziskus im Schreiben Evangelii Gaudium als so wesentlich für das Gebets- und Glaubensleben beschreibt, weil sie offen ist für den anderen Menschen und die Liebe zu ihm in der Antwort auf die Liebe Jesu Christi, der mit uns lebt.