Bonifatiuswerk als BegleiterHoffnungszeichen aus der Diaspora

Das pastorale Förderprogramm „Räume des Glaubens eröffnen“ des Bonifatiuswerkes fördert innovative christliche Projekte, die Evangelium und Lebenswelt zusammenbringen. Damit setzt es ein starkes Hoffnungszeichen für die katholische Kirche in ganz Deutschland – gerade angesichts der Corona-Krise.

Während ich diesen Artikel schreibe, treibt das Corona-Virus ganz Deutschland um. Schulen, Kitas, Theater und Kinos sind geschlossen, alle öffentlichen Veranstaltungen sind abgesagt, Versammlungen von mehr als zwei Personen sind verboten. Der Gipfel der Infektionswelle steht laut Experten noch bevor und leider sind wohl noch viele tödlich verlaufende Erkrankungen zu erwarten. Die Gesellschaft befindet sich im Krisenmodus.
Die Kirchen sind ebenfalls in Schockstarre: Fast alle Gottesdienste und Veranstaltungen fallen aus, Sakramentenfeiern werden langfristig abgesagt, die Prediger der frohen Botschaft stehen plötzlich ohne die physische Anwesenheit von Zuhörern da. Vielerorts versuchen die Bistümer und Gemeinden, den Kontakt zu den Gläubigen über digitale Medien aufrechtzuerhalten. Aber auch hier spürt man eher Verunsicherung als Zuversicht. Ratlosigkeit macht sich breit. Wie das kirchliche Leben nach der Krise weitergehen soll, steht noch in den Sternen.
In dieser Lage streben die meisten pastoralen Akteure erstmal danach, den „Normalzustand“ wiederherzustellen: Die ausgefallenen Erstkommunion- und Firmfeiern sollen nachgeholt, der Sonntagsgottesdienst wieder eingeführt, die Gemeindegruppen wieder versammelt werden. Das sind, wenn man sich in der pastoralen Landschaft umhört, die obersten Prioritäten bis Ende 2020, wenn die Pandemie sich hoffentlich abgeschwächt haben wird. Sehnsucht nach Normalität auf weiter Flur.
Aber ist das schon alles?

Mission heißt Hoffnung

Es ist schon fast eine Binsenweisheit, dass die Kirche viel eher von der Mission lebt als von der Selbsterhaltung. Das bringen nicht nur Papst Franziskus („Evangelii Gaudium“, 2013) und die deutsche Bischofskonferenz („Evangelisierung und Globalisierung“, 2019), sondern auch die aktuellen Strategiepapiere der meisten deutschen Bistümer (z. B. das „Zukunftsbild“ des Erzbistums Paderborn, 2014) seit langer Zeit klar zum Ausdruck. Es sind im Wesentlichen die missionarischen Aufbrüche, die die Kirche lebendig und für Außenstehende attraktiv machen. Kreative Verknüpfungen von Evangelium und Lebenswirklichkeit in unterschiedlichsten Formen sind heute die maßgeblichen Hoffnungszei chen für die katholische Kirche in Deutschland und erklärtes Ziel aller pastoralen Akteure.
Warum sollte also nur der vorkrisenhafte Status quo Maßstab für die nachkrisenhafte Kirche sein? Wird sie dadurch ihren Auftrag besser erfüllen? Eher nicht. Tatsächlich sollte bei aller Sehnsucht nach stabilen Strukturen und geordneten pastoralen Angeboten nicht vergessen werden, dass ein wesentlicher Auftrag der Kirche das Experimentieren ist. Sie hat immer wieder neue Wege zu suchen, um das Evangelium im Hier und Jetzt erfahrbar zu machen. Gerade das macht sie lebendig. Normalität allein reicht nicht aus.
Das Bonifatiuswerk als Hilfswerk für den Glauben und die Solidarität hat das Förderprogramm „Räume des Glaubens eröffnen“ 2019 mit dem Ziel gestartet, Freiräume für innovative christliche Projekte zu schaffen. Initiativen, die die Kirche vor Ort offen, einladend und lebendig gestalten, sollte mit einem Bündel von Fördermaßnahmen zum Durchbruch verholfen werden. Und es hat sich gelohnt: 11 Projekte von Bayern bis Vorpommern haben es Stand April 2020 in die Förderung geschafft und leisten mit einer Vielzahl von Aktivitäten einen Beitrag zur kirchlichen Innovation.
Auch während und nach der Corona- Krise will das Bonifatiuswerk mit „Räume des Glaubens eröffnen“ den Freiraum für Experimente offenhalten. Kirche sollte es sich nicht wieder im Status quo bequem machen, sondern Wege finden, das Evangelium heute glaubwürdig zu bezeugen – als Hoffnungszeichen für die Welt.

Klare Kriterien für zielgenaue Förderung

Um eine zielgenaue Förderung zu gewährleisten, legt „Räume des Glaubens eröffnen“ bei der Bewertung von Projektideen klare Kriterien an. Von den Projekten wird erwartet, dass sie einen Beitrag zur kirchlichen Innovation leisten und dafür mit ungewöhnlichen Aktionen, Initiativen und Orten experimentieren. Die Idee soll von lebendigem Pioniergeist zeugen. Doch Kreativität allein genügt nicht: Alle Projekte müssen den Kriterien der Kontextualität, Professionalität, Spiritualität und Intentionalität genügen.
Kontextualität meint, dass die Projekte in den jeweiligen Lebens-, Sozial- und Pastoralraum eingebettet sind und dort einen spürbaren Beitrag für das Leben der Menschen leisten. Kooperation mit kirchlichen wie nichtkirchlichen Partnern ist dabei ein gutes Indiz dafür, dass sich ein Projektteam wirklich auf die Lebensbedingungen vor Ort einlässt.
Professionalität bedeutet, dass das Projektteam in der Lage ist, seine gute Idee in die Tat umzusetzen. Klare Kommunikation in der Projektgruppe sowie eine präzise Vorstellung vom Projektziel sind dafür ebenso Voraussetzungen wie das Vorhandensein der nötigen finanziellen und personellen Ressourcen. Das Kriterium der Spiritualität fragt nach den geistlichen Quellen des Projekts: Welches geistliche Profil ist darin erkennbar, welche Spiritualität bildet das Fundament für das Handeln der Akteure? Ohne Spiritualität droht jedes christliche Projekt in seinen Wurzeln zu verdorren oder zumindest seine Erkennbarkeit als Initiative aus dem Geist des Evangeliums einzubüßen.
Die Intentionalität fragt schließlich nach der Vision, die das Projekt einrahmt: Welche Bilder von Kirche und Welt treiben das Projektteam an und wie wird es mit Fehlern und Scheitern umgehen? Klarheit über die Vision ist entscheidend, wenn die Projektarbeit nicht im Laufe der Monate und gegebenenfalls Jahre ins Undefinierbare zerfasern soll.
Diese Kriterien wurden durch das Zentrum für angewandte Pastoralforschung in Bochum (zap) als wichtige Grundlagen der kirchlichen Projektarbeit identifiziert. Es ist selbstverständlich, dass kein Projektteam alle Kriterien gleichermaßen erfüllen kann. Entscheidend ist jedoch, dass es sich über die wesentlichen Rahmenbedingungen seines Projektes im Klaren ist und darüber reflektierte Auskunft geben kann. Nur so wird das Projekt seine volle Wirksamkeit entfalten können.

Wirksamer handeln – Erfolge multiplizieren

Die finanziellen Ressourcen sind heute nur ein Baustein von vielen, um Projekten die nötige Durchschlagskraft zu verleihen. Mindestens genauso wichtig ist es, öffentliche Aufmerksamkeit für das eigene Anliegen zu gewinnen. Daher rückt die Kommunikation des Bonifatiuswerkes die Projekte von „Räume des Glaubens eröffnen“ in den Mittelpunkt und präsentiert sie bundesweit über print- und online-Kanäle wie über social media. Dadurch wird die bundesweite Öffentlichkeit auf die spannenden Projekte aufmerksam gemacht. Die gleiche Intention verfolgen die Netzwerktreffen: Ein- bis zweimal im Jahr treffen sich die geförderten Projektteams an einem zentralen Ort in Deutschland zum Kennenlernen und Austausch. Dadurch werden Synergieeffekte erzeugt, denn gute Ansätze und Methoden lassen sich miteinander teilen. Gleichzeitig erhalten die Teilnehmer von Mitarbeitern des zap aktuelle Impulse aus der pastoraltheologischen Reflexion, um das eigene Handeln auf Grundlage neuester Erkenntnisse noch wirksamer zu machen. So wird durch „Räume des Glaubens eröffnen“ ein deutschlandweites Netzwerk innovativer Pastoral gegründet.
Damit der Erfolg der durchgeführten Projekte nicht verpufft, hat das zap ein umfangreiches Evaluationssystem für alle Projekte aufgesetzt. Durch quantitative und qualitative Methoden wird ausgewertet, ob die Teams die selbstgesteckten Ziele erreichen und was sich aus Erfolgen und Misserfolgen lernen lässt. Schon allein das Ausfüllen der Fragebögen, die zu Beginn der Projektlaufzeit an die Teams gehen, regt zu vertiefter Reflexion über die Ziele und Herangehensweisen des jeweiligen Projektes an. So entsteht bis 2022 eine tragfähige Auswertung aller durchgeführten Projekte. Dadurch werden wichtige Erfolgsfaktoren für innovative Pastoral identifiziert und multipliziert, während hingegen Irrwege und Stolperfallen der Projektarbeit künftig leichter vermieden werden können.

Den Glauben als Hoffnungs-Ressource anbieten

Aus den geförderten Projekten seien zwei Beispiele herausgegriffen: Die katholische Kirchengemeinde St. Andreas in Cloppenburg hat es sich mit dem Projekt Memory – Jahr der Erinnerung zur Aufgabe gemacht, die Ressource des Glaubens für die Bewohner von Cloppenburg zu heben. Wie beim Memory-Spiel zwei zueinander passende Karten zur Deckung gebracht werden, so soll der überlieferte Glaube mit der Lebenswirklichkeit in Cloppenburg zur Deckung gebracht werden. Ziel: Erfahr- und erlebbar machen, wie sehr der „Schatz des Glaubens“ zum Wohl aller beiträgt und Halt und Hoffnung gibt. Eine Arbeitsgruppe, die wesentlich von Ehrenamtlichen getragen wird, hat dafür ein ganzes Jahresprogramm entwickelt. Die monatlich wechselnden Veranstaltungen richten sich nach den Jahreszeiten sowie dem Kirchenjahr. Dafür kooperiert die Gemeinde nicht nur mit evangelischen und muslimischen Institutionen, sondern auch mit der Stadt und örtlichen Kulturträgern. Das Programm bietet bis Herbst 2020 nicht nur eine offene Bibelnacht und Kamingespräche über Religion früher und heute, sondern auch eine meditative Fahrradprozession, ein Mahl in St. Egidio-Tradition und ein Mysterienspiel. Ein ganzes Jahr kann die Cloppenburger Öffentlichkeit erleben, welche Schätze der Glaube auch heute den Menschen zu bieten hat. Das Projekt Fuck Up Stories des QuellPunkts Aachen richtet sich insbesondere an die Studierenden auf dem Aachener Campus, die nicht selten unter Leistungsund Erfolgsdruck zu leiden haben. In der Tradition der aus Mexiko stammenden Fuck Up Nights erzählen „Speaker“ aus Wirtschaft, Hochschule und Non-Profit-Sektor über ihre größten Fehltritte und Fails. Und das vor hunderten Zuhörern, denn die Sehnsucht nach ehrlichen Berichten über die Aufs und Abs des Berufslebens ist groß. Failosophy heißt das: Scheitern gehört zum Leben dazu. Und, wie der QuellPunkt betont: Du bist Gottes geliebtes Kind – in Momenten des Scheiterns und des Ruhms. Die Speaker teilen aber auch ihre Learnings mit den Zuhörern: Etwa, die eigenen Grenzen zu kennen und sich selbst treu zu bleiben. Denn wer seine Bedürfnisse permanent hintenanstellt und für die Firma alles gibt, schadet letztlich sich und seinem Unternehmen. Über solche Erfahrungen kann bei den Fuck Up Stories in lockerer Atmosphäre gesprochen werden – eine willkommene Abwechslung zum straffen Uni-Alltag. Dafür kooperiert der QuellPunkt mit Aachener Innovationsplattformen, Studienberatungen und studentischen Initiativen. Und ist sich sicher: So wird die christliche Botschaft an Orten und für Menschen erfahrbar, die zur Amtskirche bislang kaum Kontakt hatten. Memory – Jahr der Erinnerung und Fuck Up Stories: Zwei Projekte, die den Glauben als Ressource anbieten, sei es, um im Leben Halt und Orientierung zu finden, sei es, um auch in Momenten des Scheiterns nach vorne zu blicken. Zwei Träger, die sich Freiräume geschaffen haben, um Kirche offen und lebendig zu gestalten – zum Wohl aller Menschen. 

FAZIT

Es ist zu hoffen, dass die Kirche nach der Corona-Krise nicht wieder ausschließlich in Normalität zurückfällt, sondern immer wieder neue Wege sucht, Evangelium und Lebenswirklichkeit miteinander in Berührung zu bringen. Mit „Räume des Glaubens eröffnen“ steht das Bonifatiuswerk bereit, die nötigen Freiräume dafür zu schaffen. Denn nur eine missionarische Kirche ist lebendig – und Mission heißt Hoffnung. 

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