Fazit
Ein Lebensfest für das Kind oder für den eigenen erwachsenen Lebensglauben, das in der Taufe einen tiefen Ausdruck findet, beginnt also schon davor und geht danach noch weiter. Immer geht es aber um ein Freigeben und Loslassen im Dasein, in der Begleitung, in der Beziehung. Darin findet sich eine Grundhaltung von Taufpastoral – als schwache Stärke oder starke Schwäche.
Ein Lebensfest für ihr neugeborenes Kind wünschen sich viele Eltern. Sie wollen aber „nur“ den Segen für ihr Kind, nicht jedoch die Aufnahme in die katholische Kirche. An diesem oft formulierten Bedürfnis junger Eltern zeigt sich ein Doppeltes: Zum einen erfahren Eltern in der Geburt ihres Kindes etwas Unverfügbares und Geschenktes, das am Ende eines durchlebten Geburtsprozesses steht. Aus diesem Erleben haben viele das Bedürfnis, für das geschenkte Leben zu danken, dieses zu feiern und um Segen und Schutz zu bitten. Zum anderen verbinden sie dieses Bedürfnis nicht mit der Mitgliedschaft in der katholischen Kirche. Die Unmittelbarkeit des Ereignisses steht deutlich stärker im Vordergrund als eine Zugehörigkeit zu einer Organisation, für die man sich außerdem gesellschaftlich noch erklären muss.
Eltern wollen den Segen für ihr Kind, aber keine Taufe
In dieser Spannung zwischen Segenswunsch und Kirchenzugehörigkeit stehen Eltern, wenn sie nach der passenden Form des Lebensfestes für ihr Kind suchen. Ob sie dann ihr Kind taufen lassen oder ob ein freier Ritualanbieter dieses Fest mit ihnen feiert, wird davon abhängen, wie sich die dargestellte Spannung mit der jeweiligen Ansprechperson lösen lässt.
Es ist allerdings nicht nur eine pragmatische Frage, wie flexibel Taufen gehandhabt werden, sondern leitend müssten auch tiefer liegende theologische Fragen sein beispielsweise, wie bedingungslos ist die Taufe und was wird dem Einzelnen in der Taufe zugesagt. Deshalb sollen im Folgenden zunächst diese theologischen Fragen einen Platz haben. Daran schließt ein Diskurs an, wie aufgrund der theologischen Erkenntnisse die Beziehung als Ermöglichungsgrundlage von Taufe gestaltet werden müsste. Schließlich ergeben sich daraus Überlegungen, wie eine Taufpastoral als schwache Stärkung gestaltet werden kann. Ich kann die Psalmen nicht für mich allein beten. In den Psalmen bin ich immer schon verbunden mit den Menschen und ihren vielfältigen Nöten. Denn die Psalmen sprechen nicht nur von meinen Erfahrungen, sondern von den Erfahrungen der Menschen, denen ich in der Seelsorge begegne, von deren Nöten ich in der Zeitung lese. Die Psalmen führen mich täglich in die Solidarität mit den Menschen und ihren Ängsten und Sorgen.
Theologie der Taufe als Entzwingung ekklesiologischer Fantasien
Um die Theologie der Taufe zu erschließen, entfaltet der emeritierte Pastoraltheologe Ottmar Fuchs die Geschichte von der Taufe des Äthiopiers in Apg 8,26–40.
Interessant in der Erzählung vom Äthiopier ist zunächst, dass nicht Philippus erwählt, sondern Gott. Der Engel des Herrn ruft Philippus in die Einsamkeit auf den Weg von Jerusalem nach Gaza. Dort kommt es zur Begegnung. Diese Gelegenheit, die zur Erwählung durch Gott wird, hat allerdings nicht den Charakter des Elitären und Exklusiven. Vielmehr wird an der Zusage, die der Äthiopier im Lesen des Buches Jesaja erfährt, stellvertretend für alle eine grundsätzliche Erwählung aller Menschen offensichtlich. Sie nährt sich aus der Rezeption von der Erzählung vom Gottesknecht in Jes 53, in der diese Stellvertretung für alle zur Sprache kommt. Daher kommt allen Menschen die bedingungslose Liebe und Anerkennung Gottes zu, unabhängig von Kultur, Religion, Weltanschauung oder eigener Leistung. In der Taufe werden diese Liebe und Anerkennung in besonderer und expliziter Weise ausgedrückt und zugesagt. Aufgrund dieser bedingungslosen Zusage in der Taufe kommt der Taufe selbst eine Bedingungslosigkeit zu. Daher ist die Taufe ein besonders niederschwelliges und voraussetzungsloses Sakrament.
Ein zweiter Aspekt wird in der Erzählung des äthiopischen Kämmerers deutlich. Mit der Taufe gehört er zum allgemeinen Volk Gottes. Nach der Taufe kehrt der Äthiopier in ein unbekanntes Land zurück und Philippus geht ebenfalls seinen Weg. „Dass die Taufe mit ihrer Wirkung gut ausgeht, dafür können weder der taufende Gläubige noch die Herkunftsgemeinde die Verantwortung übernehmen.“ (Fuchs, S. 52) Allein die bedingungslose Beziehung zwischen Gott und dem/der Getauften entfaltet ihre Wirkung. Insofern kann die Taufe in eine bestehende Gemeinde und Kirche oder an einen alternativen Ort führen. Diese ekklesiologische Entgrenzung liegt in der Freigabe des/der Getauften zugrunde. Taufe ist keine missionarische Mitgliederwerbung, sondern setzt auf die Freiheit menschlicher und göttlicher Begegnung.
Ein dritter Aspekt schließlich entgrenzt nicht nur ekklesiologische Zugehörigkeiten, sondern auch religiös-moralische Exklusivität. Philippus erklärt dem Äthiopier, dass sich an Jesus Erniedrigung und Erhöhung verwirklicht habe, was wie gesagt eine Heilszusage an alle Menschen bedeutet. Diese Zusage bekommt noch eine besondere Aktualität, da der äthiopische Kämmerer im Text offensichtlich als Eunuche bezeichnet wird, was aufgrund seiner körperlichen Verfassung zu religiösem Ausschluss führt (Dtn 23,1). Diesem gleichsam betroffenen Menschen wird durch den Jesajatext und dann durch die Taufe ein bedingungsloses Ja aus der Mitte der Religion zugesagt. Insofern kommt Ausgegrenzten und Fernstehenden in besonderer Weise diese Zusage zu. Dann gilt folgerichtig: „Die Taufe ist allen zu schenken, die auf Segen und das Gute Vertrauen setzen und letztlich an einen guten Ausgang glauben, denn dieser ist in Christus gegeben.“ (Fuchs, S. 67)
Zusammenfassend ermutigt die Theologie der Taufe zu einer entgrenzten Taufpastoral, die Gott immer mehr zutraut als wir selbst glauben können. Diese Überzeugung drückt sich in der Bedingungslosigkeit der Liebe und Anerkennung Gottes in der Taufe aus. Sie sollte stets über jeder Methode und jedem Modell stehen. Deshalb wäre die Taufpastoral kirchlichgemeinschaftlich absichtsarm zu denken, die nicht zwingend in die Gemeinschaft der Kirche führt. Schließlich findet sich in der Taufe ein diakonischer Aspekt, der gerade Ausgegrenzte und Fremde meint. In der Taufe können sie kontrafaktisch zur eigenen Erniedrigungserfahrung dann eine Erhöhungserfahrung machen, die Bedingungslosigkeit nicht als „ja, aber“ versteht, sondern ein tiefes und existentielles Ja vermittelt.
Diese theoretischen Überlegungen müssen sich in der Praxis bewähren und suchen nach grundsätzlichen Ermöglichungsbedingungen und nach pluralen Formen der Begleitung und des Daseins – davor und danach. Auf diese Suche wollen wir uns nun begeben.
Beziehung ist die Ermöglichungsbedingung von Taufpastoral
Voraussetzung und Grundbedingung bedingungsloser Zusage ist ein Beziehungs- und Begegnungsgeschehen. Ohne Begegnung und einen Kontakt des Austausches wären der Äthiopier und Philippus nicht miteinander in Kontakt gekommen. Daher setzt Taufe und Taufpastoral einen relationalen Raum voraus, in dem Begegnung möglich ist. In dieser Begegnung kann es zum Kontakt kommen, durch den ein Gespräch entsteht, durch den Lebensfragen und Lebenssuche zur Sprache kommen und durch den Menschen ermutigt und gestärkt werden können. Für einen solchen Raum und Kontakt braucht es jedoch Zeit, in der pastorales Personal da ist und präsent ist. Es darf kein aufdringliches Dasein sein, sondern ein Dasein, das absichtsarm und ohne integralistisches oder missionarisches Ziel ist. Nur so wird ein möglicher Begegnungsraum einer Theologie der Taufpastoral gerecht, die in der Begegnung freigibt und von einer bedingungslosen Anerkennung geprägt ist. Sie kann dann von einem Gott erzählen, der sich selbst in eine schwache Position der Bedingungslosigkeit bringt, indem er selbst Mensch wird und das eigene Handeln unter die Bedingungen der menschlichen Freiheit stellt. Das Dasein in der Taufe ist eine schwache Stärke, die im Zuspruch freigibt und nicht über den/die Getaufte/-n verfügt. Aber auch der/die Getaufte selbst erfährt eine schwache Stärke, die kein Automatismus ist oder funktional zur Verfügung steht. Die zugesagte Gnade besteht vielmehr in einem vertrauensvollen Rechnen mit Gott, die gerade im Vertrauen stark ist und gleichzeitig im Risiko des Vertrauens keine Garantie hat.
Der relationale Raum in der Taufpastoral und in der Taufe selbst ist von einer Beziehung zwischen den Akteur/-innen geprägt, die gleichsam von einer starken Schwäche und einer schwachen Stärke gekennzeichnet ist. Sie gibt aus einer selbstrelativierenden Schwäche her aus frei und gleichzeitig kann im absichtsarmen Dasein der Taufe und dem Weg dazu eine Stärkung und Zusage erfahren werden.
Herausforderung Taufspender und Taufalter
In der pastoralen Praxis der Taufe stellt sich angesichts eines relevanten und zugrunde liegenden Begegnungs- und Beziehungsgeschehens die Frage, wie die Taufspender mit den Taufanwärter/ -innen und ihren Angehörigen vor der Taufe in Kontakt waren. Ohne eine intensive Begegnung davor ist nur schwer vorstellbar, wie eine vertrauensvolle Zusage in eine konkrete Lebenswelt hinein überhaupt möglich ist. Die Taufe setzt also eine Beziehung zum Täufling voraus. Die Praxis sogenannter „eingeflogener“ Zelebranten, die ohne vorherigen Kontakt zu den Personen das Sakrament spenden, können diesem Grundansatz nicht nachkommen. Daher ist ein relationaler Ansatz von Taufpastoral eingebunden in ekklesiologische Bedingtheiten, die einen solchen ermöglichen oder verhindern. Die in unterschiedlichen Diözesen inzwischen zur Taufspende beauftragten Laien können hoffentlich diesem Beziehungs- und Zeitaspekt mehr Raum geben.
Eine noch zu erwähnende Herausforderung stellt das Taufalter dar. Es wird immer wieder diskutiert: Sollen Kinder bereits nach der Geburt getauft werden oder sollen sie selbst im Grundschulalter entscheiden oder sollen sie am besten im Erwachsenenalter sein, um eine tiefgreifende Lebensentscheidung treffen zu können? In seiner ganzen Tiefe und Breite kann dieses Thema an dieser Stelle nicht behandelt werden. Zwei Aspekte jedoch sind aus dem oben beschriebenen theologischen Diskurs und den dafür notwendigen Rahmenbedingungen unabhängig vom Taufalter entscheidend. Sie relativieren gleichsam eine ideologische Positionierung für das eine oder das andere. Sowohl im Kindesalter als auch im Erwachsenenalter bekommen das von Gott zugesagte Ja zum einen und die Freigabe des getauften Menschen zum anderen immer eine ganz besondere und vor allem kontextabhängige Relevanz. Im Kindesalter stehen die Erfahrung des neuen und geschenkten Lebens und die Bitte um Schutz und Segen besonders im Vordergrund. Im Erwachsenenalter hingegen geht es mehr um Themen wie: Neuanfang, Versöhnung mit dem Alten, Ja zu mir und meiner Geschichte oder Vertrauen auf das Ja Gottes zu mir als Mensch. Da die Taufe je nach kontextuellem Hintergrund also einen speziellen Schwerpunkt der zugesagten Liebe hat, empfiehlt es sich, ob nach Kindes- oder nach Erwachsenentaufe, diese im Laufe unterschiedlicher Lebensphasen immer wieder zu erneuern und daran zu erinnern.
Taufpastoral als Elternschule
In einem letzten Schritt schließlich drängt sich die Frage auf, wie eine Taufpastoral konkret gestaltet werden kann und welche Formen die dargestellte Tauftheologie einholen können. Zunächst gibt es vielfältige Modelle, wie eine Taufvorbereitung und Taufpastoral gestaltet werden kann. Die klassische priester- oder diakonenzentrierte Taufvorbereitung ist auf den Kontakt zum Priester reduziert, der sich im besten Fall im Vorfeld der Taufe mit der Tauffamilie trifft und sich mit ihnen über Leben und Glauben und über die Gestaltung der Taufe austauscht. Seit Jahrzehnten gibt es ein alternatives und stärker partizipatives Modell, das sich häufig Tauf(eltern)katechese nennt. Dahinter verbirgt sich ein Ansatz der Taufpastoral, bei dem vorrangig die Eltern in Gruppen im Blick sind. Häufig bieten ausgebildete Taufkatechet/-innen Taufvorbereitungsabende an, zu denen die Taufeltern eingeladen sind. Solche Abende oder Treffen werden zu den bereits angesprochenen Begegnungsräumen, die Ermöglichungsorte für Themen des Lebens, der Geburt, des Elternseins, des Christseins, der Erziehung und vieles andere sein können. Wo dies möglich wird, entstehen Erzählräume des Lebens und des Glaubens, die nicht nur für die Eltern, sondern auch für die Katechet/-innen selbst zum Lern- und Erfahrungsort werden. Taufpastoral in Elterngruppen wird zur Gelegenheit, Erfahrungen der Schwangerschaft und der Geburt auszutauschen, sie mit Glauben, Vertrauen und Hoffnung in Verbindung zu bringen und konkrete Formen des Glaubens, wie Glaubensrituale, kennenzulernen. Die Taufe des Kindes kann für Eltern also zur Chance werden, sich mit Glauben und Ritualen auseinanderzusetzen, gerade auch mit vielen Eltern, die nicht mehr religiös sozialisiert sind. Werden im Rahmen der Taufpastoral keine Begegnungs- und Erzählräume eröffnet, wird diese Chance verspielt und Eltern um diese Möglichkeit gebracht.
Ausgehend von diesen Erfahrungen könnte Taufpastoral darüber hinaus noch weiter und offener gedacht werden. Die Initiierung einer Elternschule könnte den Bogen über die Geburt in die ersten Jahre des Kindes ziehen und würde Eltern auf diesem Weg begleiten. Sie könnte verbunden und vernetzt mit medizinischen Untersuchungen, Coachings, Erfahrungen mit Glaubensvollzügen und spirituellen Ausdrucksformen sein, die in unterschiedlichen Modulen im Laufe eines Jahres aus gewählt werden können. Hinter diesen Überlegungen verbirgt sich ein diakonischer Ansatz von Taufpastoral, der sich über Begleitung und Seelsorge definiert und dem die Haltung eines absichtsarmen Daseins zugrunde liegt.
Eine offene Taufpastoral öffnet den Blick jedoch nicht nur auf die Zeit nach der Geburt oder direkt vor und nach der Taufe, sondern bereits auf die Zeit vor der Geburt. Sogenannte Doulas bieten oft in Zusammenarbeit mit Hebammen eine Begleitung in der Zeit der Schwangerschaft, der Geburt und der unmittelbaren Wochen danach. Sie begleiten in dieser Zeit nicht nur die Frauen, sondern auch die Väter. Taufpastoral wäre also eine Begleitung, die bereits vor den großen Übergängen an den vorausgehenden Krisen des Lebens ansetzt und darin seelsorgliche Begegnungs- und Erzählräume eröffnet. Konkrete Formen und Ausführungen brauchen Kreativität und den situativen Kontext, der an allen Orten verschieden ist.