Die Beichte als Chance für die Befreiung von Schuld"Darum bekannte ich dir meine Sünde"

Wenn wir schuldig geworden sind, wird unsere Seele nicht ruhen, bis wir uns unserer Schuld gestellt haben, uns mit ihr auseinandersetzen, zu unserer Schuld stehen und die Wege beschreiten, die uns von der Schuldenlast befreien können. Solange wir das nicht tun, wird die Schuld wie eine Last auf uns und unserer Seele liegen und uns beschweren. Die Beichte, bei der uns die Möglichkeit der Schuldvergebung angeboten wird, kann zu einem befreienden Augenblick werden, an dem unsere Auferstehung stattfindet.

Fazit

  • Wenn wir schuldig geworden sind, wird unsere Seele nicht ruhen, bis wir uns unserer Schuld gestellt haben. Die Beichte, bei der uns die Möglichkeit der Schuldvergebung angeboten wird, kann zu einem befreienden Augenblick werden, an dem unsere Auferstehung stattfindet.
  • Im Aussprechen und Bekennen beginnt bereits das Lossprechen. Im Zugeständnis, mich schuldig gemacht zu haben, werde ich aktiv. Ich überlasse mich einer anderen Dynamik als bisher. Ich lasse nicht länger die Schuld einfach in mir und auf mir liegen wie eine Last.
  • Im Bedauern und Bereuen gehe ich weiter auf meinem Befreiungsweg, dem Sühne und Reue folgen. Im Sakrament der Versöhnung werde ich wieder an den göttlichen Kreislauf angeschlossen.

Wenn ich von Schuld spreche, meine ich damit echte Schuld, nicht die so genannten falschen Schuldgefühle, die auf ein überzogenes Über- Ich zurückzuführen sind oder das Ergebnis einer skrupulösen Einstellung sind. Ich mag mich schuldig machen, wenn ich andere betrüge, mich auf ihre Kosten bereichere, ein gemachtes Versprechen nicht einhalte, anderen bewusst Unrecht oder Leid zufüge. Oder ich mag mich mir selbst gegenüber schuldig machen, wenn ich mich dem Leben nicht stelle, mich verkrieche und ständig hinter meinen Möglichkeiten zurückbleibe. 

Echte Schuld von falschen Schuldgefühlen unterscheiden 

Mit mir herauszufinden, ob es sich bei meinen Schuldgefühlen um falsche oder echte Schuldgefühle handelt, kann Aufgabe meines Gesprächspartners in einem Beichtgespräch sein. Er wird das hoffentlich taktvoll tun, den Kontext meiner Lebensgeschichte, meine augenblickliche Situation dabei mit einbeziehen. Er wird nicht als Richter auftreten, mir nicht das Gefühl vermitteln als befinde ich mich vor einem Tribunal, vor dem ich mich zu rechtfertigen habe. Das muss ihn aber nicht daran hindern, klar und bestimmt aufzutreten, bis dahin, dass er mich herausfordert. Denn so sehr es möglich ist, dass wir unser Verhalten verängstigt als falsch bewerten und uns dann schuldig fühlen, so sehr kann es auch der Fall sein, dass wir uns mit der Zeit unsere eigene Wahrheit zurechtlegen. 

Die Umstände, den Kontext bei unserem Verhalten zu bedenken und zu berücksichtigen ist das eine. Unser Verhalten schönzufärben, tatsächlich vorhandene Schuld, die damit verbunden ist, damit nicht zu beachten, ist das andere. In dem einen Fall mag ein objektiv als mit Schuld verbundenes Verhalten sich bei näherem Hinsehen als schuldfrei erweisen und wir können jetzt in Frieden damit leben. Im anderen Fall bleibt uns die Schuld erhalten, auch wenn wir sie „weichgespült" haben. 

Wenn ich über eine längere Zeit betrübt bin, ich nicht länger Interesse oder Begeisterung für meine Arbeit aufbringe, mag ich auch mit in Erwägung ziehen, dass unverarbeitete Schuld wie Wackersteine in mir liegen und mein Leben beschweren. Wenn ich mich schuldig gemacht habe, dann nagt das an mir. Dann lässt mich das nicht in Ruhe. Ich mag es mir noch so schönreden oder verdrängen. Die Schuld bleibt mir erhalten. Die Seelenlast liegt dann schwer auf mir. „Als ich es wollte verschweigen, lag deine Hand Tag und Nacht schwer auf mir" heißt es in Psalm 32. 

So verhält es sich, wenn ich nicht zu meiner Schuld stehe. Sie drückt mich nieder, raubt mir meine Energie, meinen Enthusiasmus, meine Unbefangenheit. „Mein Saft vertrocknet, wie es im Sommer dürre wird" heißt es im Psalm 32 weiter. Daher: „Wohl dem, dem die Übertretungen vergeben sind, dem die Sünde bedeckt ist! Wohl dem Menschen, dem der Herr die Sünde nicht zurechnet, in dessen Geist kein Trug ist! Darum bekannte ich dir meine Sünde, und meine Schuld verhehlte ich nicht."

Im Aussprechen und Bekennen beginnt das Lossprechen

Ich kann meine Schuld aussprechen, wenn ich meinem Gesprächspartner vertraue. Dann kann ich ihm gegenüber alles bekennen, ohne Einschränkung. Er darf teilhaben an meinem Innersten, darf alle meine Gedanken erfahren. Er wird zum Zeugen meiner tiefsten Sehnsüchte wie meiner größten Verfehlungen. Vor ihm muss ich nichts verschweigen. Für ihn steht die Türe zu meiner Seele offen. Er darf in mein Innerstes, mein Heiligtum eintreten. Seine Sorge für mich macht es mir leicht, ihn an meinem Innersten teilhaben zu lassen. Welch ein Segen. Da gibt es jemanden, dem ich mich ganz und gar anvertrauen kann. In dessen Gegenwart ich mich sicher fühle, ich keine Angst verspüre, bewertet, gar verachtet zu werden. Da gibt es jemanden, dem gegenüber ich alles, was mich belastet, was meine Seele belastet, aussprechen kann. Dem gegenüber ich bekennen kann, ohne etwas beschönigen zu müssen, was ich falsch, wo ich mich schuldig gemacht habe. 

Im Aussprechen und Bekennen beginnt dabei schon das Lossprechen. Jetzt ist es heraus. Ich trage die Schuld nicht mehr bewusst oder unbewusst in mir und mit mir herum. Indem ich sie vor einem anderen bekenne, sie ausspreche, spreche ich sie im wahrsten Sinne des Wortes aus mir heraus. Sie verliert bereits jetzt schon etwas von ihrer bedrückenden, mich niederdrückenden Last. Ich stelle sie vor mich hin, so dass ich sie sehe, ihr ins Angesicht sehen kann. Mir damit nicht länger etwas vormachen kann. Ja, das ist meine Schuld. 

Ich trete in Beziehung zu meiner Schuld 

Im Zugeständnis, mich schuldig gemacht zu haben, werde ich aktiv. Ich überlasse mich einer anderen Dynamik als bisher. Ich lasse nicht länger die Schuld einfach in mir und auf mir liegen wie eine Last. Ich trete in eine Beziehung zu ihr. Ich stelle mich ihr. Ich stehe zu ihr. Ich gehe noch einen Schritt weiter, indem ich zu meiner Schuld vor Gott stehe. Sie ihm bekenne. Ich zeige Farbe. Was vorher unterentwickelt, dunkel in mir sein Dasein fristete, bekommt Konturen, wird gut sichtbar und erkennbar. „Ja, da habe ich mich schuldig gemacht. So sieht meine Schuld aus." 

Es tritt deutlich zu Tage, wie ich mich schuldig gemacht habe. Ich dadurch anderen oder mir Schaden zugefügt habe, materiell, seelisch, ideell. Durch meine Unwahrhaftigkeit habe ich das Vertrauen, das mir andere entgegenbringen - Partner, Kinder, Freunde, Kollegen, Geschäftspartner -, beschädigt. Durch ein unverantwortliches Verhalten gegenüber unserer Umwelt, mache ich mich schuldig an meinen Mitmenschen und Nachkommen, indem ich mit dazu beitrage, dass ihre Lebensbedingungen erheblich schlechter werden. Durch die Vernachlässigung meines Leibes und meiner Seele mache ich mich mir selbst gegenüber schuldig, da ich dadurch mir Schaden zufüge, mit der Folge, dass ich Raubbau an mir selbst treibe, ich ausbrenne. Wenn ich glaube, den Göttern gleich zu sein und entsprechend handle, mache ich mich durch mein mitunter unverantwortliches grandioses Verhalten schuldig. Ich mache mich aber auch schuldig gegenüber einer größeren Macht, der ich den nötigen Respekt und die nötige Reverenz verweigere. 

Wenn ich zu meiner Schuld stehe, ist der erste notwendige Schritt getan, der dazu führt, von meiner Schuldenlast befreit zu werden. Ich ergreife die Initiative, bringe etwas ins Rollen. Ich bringe ans Licht, was vorher im Dunkeln schmachtete. Das Bekennen meiner Schuld mir selbst gegenüber, Menschen gegenüber und schließlich Gott gegenüber nimmt der Schuld ihre Schwere. Das eröffnet den Weg, der beschritten werden muss, um ganz befreit zu werden von der Schuld. 

Ein Herz aus Fleisch und Blut 

Im Bedauern und Bereuen gehe ich weiter auf meinem Befreiungsweg. Ich komme dabei mit meiner Seele in Berührung. Es berührt, ergreift mich etwas in meiner Tiefe. Da ist mein Innerstes beteiligt. Da geschieht Verwandlung. Meine bisher mitunter indifferente Haltung zu meinem Verhalten wird durch eine sensible Reaktion meines Herzens ersetzt. Schien dieses vorher aus Stein zu sein, so ist es jetzt aus Fleisch. „Ich reiß dir ein Herz von Stein raus, und schenk dir ein Herz aus Fleisch" (Jeremias). Ein solches Herz aus Fleisch aber ist empfänglich für Unrecht, empfindet Mitleid, ist die Quelle von Liebe. 

Es geht darum, hinzuschauen, welche Konsequenzen ergeben sich aus meiner Schuld. Welche Möglichkeiten habe ich, etwas wiedergutzumachen. Martin Buber spricht in diesem Zusammenhang von Sühne. Danach muss die Bearbeitung von Schuld mit einer Wiedergutmachung gegenüber der Mitwelt und der Umwelt, der gegenüber man schuldig geworden ist, einhergehen. 

Als ein Beispiel dafür führt Martin Buber in seinem Vorwort zu Hans Trübs Buch „Heilung aus der Begegnung" eine Frau an, die „einer Anderen den Mann nahm, später selbst das gleiche Los erlitt und sich nun ‚in die Seele verkroch' heimgesucht und zerrüttet von unbestimmten Qualen. Die „Heilung" durch einen Analytiker gelang so gründlich, „dass die Pein völlig aufhörte, die Patientin ‚aus der Seele hervorkam' und … ihr Leben fort- und ablebte: jene unablässige schmerzensreiche Mahnung an das ungesühnte, an das gestörte und zurechtzuschaffende Verhältnis zum Sein war ausgetilgt. Ich nenne diese erfolgreiche Kur die Auswechslung des Herzens. Das zur restlosen Zufriedenheit funktionierende Kunstherz tut nicht mehr weh; das vermag nur eins aus Fleisch und Blut". 

Für Martin Buber ist Schuld nicht nur etwas Inner-Persönliches, sondern hat immer auch einen Bezug zur Mitwelt und Umwelt. Bei der Schuldbewältigung geht es daher auch nicht nur um die „Reinigung der Seele". Diese kann nur dann angemessen stattfinden, wenn in der Auseinandersetzung mit sich selbst auch die Mitwelt und die Umwelt angemessen mit einbezogen werden. Oft ist es nicht so einfach, etwas wiedergutzumachen. Gebrochene Treue, Schaden an Leib und Seele, die ich durch Wort oder Tat anderen zugefügt habe. Dann ist es wichtig, das, was ich wieder gutmachen kann, wiedergutzumachen. Was ich nicht wiedergutmachen kann, darf ich der Güte Gottes überlassen, solange ich mein Tun bedauere und echt bereue. 

Auch die Buße kann eine wichtige Funktion im Versöhnungs- und Heilungsprozess haben. Ich habe damit eine Möglichkeit für mein Bedürfnis, etwas wiedergutzumachen. Ich kann dadurch wieder zu einer größeren, inneren Balance und Harmonie gelangen. Da wird mir etwas angeboten, was meinem menschlichen Bedürfnis, einen Ausgleich zu finden, gerecht wird. 

Gewissensbildung und Wiedergutmachung sind Herzensangelegenheiten. Der Begleiter, der das Sakrament der Versöhnung als eine Herzensangelegenheit verstehen kann, leistet die Praxis der Beichte als Seelenarbeit. Freilich darf dann das Ritual der Beichte nicht zur Routine oder in einem Ritualismus erstarren. Da muss frische Luft hinein. Das muss mit einer lebendigen Begegnung einhergehen. Dabei verstehe ich unter lebendig nicht, dass das nicht immer mit einem längeren Beichtgespräch einhergehen muss, so sehr das die Regel sein sollte. Auch ein kurzes Bekennen in Anwesenheit eines Priesters, der nicht auf seine äußere Funktion reduziert ist, sondern sich in dieser kurzen Zeit als Seelenfreund versteht und in dieser Haltung der bekennenden Person begegnet, kann zu einer lebendigen Begegnung beitragen. Das gilt vor allem auch, wenn der Bekennende selbst nicht nur etwas herunterleiert, sondern wirklich aus seinem Herzen heraus seine Schuld bekennt. 

Auch hier gibt es wieder die ganze Palette von Möglichkeiten, die für die Versöhnungsarbeit fruchtbar zu machen sind. Für den Priester ist es das Ego te absolvo, bei einem anderen mag ein Segensspruch im Mittelpunkt stehen, wieder eine andere mag am Ende das Vaterunser beten, in dem es unter anderem heißt „Vergib uns unsere Schuld". Vor jeder Eucharistiefeier kann ich Gott meine Schuld vortragen. Ich kann in der standardisierten Form des Confiteor meine Schuld bekennen. Aber ich kann auch zu jeder Zeit im Gebet meine Sünden, meine Schuld vor Gott bekennen. Vor ihm muss ich mich nicht zurückhalten, kennt er mich doch bereits in- und auswendig.

An den göttlichen Kreislauf anschließen 

Im Sakrament der Versöhnung schließe ich mich wieder an den göttlichen Kreislauf an. Durch meine Schuld war er unterbrochen und gestört worden. Jetzt hält mich nichts mehr davon zurück, klinke ich wieder ein in den göttlich-menschlichen Liebesaustausch, befreit von Schuld und Pein. 

Ich tue damit mir etwas Gutes. Ich reinige mich von dem Gift, das in mir fließt und wirkt, solange ich mich nicht mit meiner Schuld auseinandergesetzt habe. Ich bin mir damit selbst mein bester Freund. Meine Seele dankt mir meine Freundschaft, indem sie mich in Zukunft nicht länger durch Angst, Depression und Verunsicherung an meine Schuld erinnert. Sie dankt es mir, indem sie mir Erleichterung verschafft, mich in die Freiheit versetzt, die damit einhergeht, wenn ich mich belastet fühle, ständig etwas mit mir herumtrage, was mich beeinträchtigt, mir die echte Freude am Leben nimmt. 

Im Bekennen meiner Schuld bahne ich der Liebe den Weg zu mir selbst. Nicht, dass ich mich verachtet habe wegen meiner Schuld. Doch, solange ich nicht zu meiner Schuld stehe, sie nicht bekenne, liegt ein Schatten über mir, der meine Beziehung zu mir selbst überschattet. Oder es ist wie ein Stein, der mir den Zugang zu meinem Inneren, zu meiner Seele verstellt. Bis ich handle, aufstehe und dabei auferstehe. Der Stein auf die Seite geschleudert wird, ich aufstehe, zu mir stehe. Das ist der Augenblick, an dem meine Auferstehung stattfindet. Meine Befreiung. 

Anzeige: Ich bin, wie Gott mich schuf von Sabine Estner und Claudia Heuermann

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