Die ganze Woche hart gearbeitet, von einem Termin zum anderen gehetzt, die Planvorgaben so eben erreicht - und dann das am Wochenende: Niemand hat Zeit. Alle sind verreist, verplant, verpflichtet. Und auf den Straßen und in den Parks die verliebten Pärchen, Händchen haltend und sich anlächelnd. Die Sonntage sind alles andere als sonnig, sie machen eher einsam und traurig. Man fühlt sich nirgends dazu gehörig; selbst unter befreundeten Paaren ist man - im Doppelsinn des Wortes - allein stehend...
Ein quälendes Unausgefülltsein
So oder ähnlich geht es vielen Singles. Zwar haben die meisten großstädtischen Singles nachweisbar große soziale Netzwerke und viele Adressen im Handy gespeichert, doch gerade an Sonn- und Feiertagen regt sich immer wieder das nagende Gefühl von Vereinsamung und Verlassenheit. Die Fülle an oberflächlichen Kontakten und Begegnungen hinterlässt (paradoxerweise) oft eine große innere Leere, ein quälendes Unausgefülltsein.
Da ist die Versuchung groß, sich von den zahlreichen Dating-Agenturen das schnelle Partnerglück versprechen zu lassen. Oder sich auf die verschiedenen „Kontakt-Tipps für Singles" im Internet einzulassen in der Hoffnung, dass es beim Klicken irgendwann einmal Klick macht. Jedoch: Wer online nach dem Partner sucht, muss wissen, dass das Leben sich offline abspielt. Und dass die Frauen und Männer im Netz auch nur Menschen sind. Wer den Traumpartner sucht, wird kaum fündig werden. „Einsamkeit", so die Psychologin Eva Jaeggi, „ist für alle Singles zentral - ob sie es nun wahrhaben wollen oder nicht."
Einsamkeit jedoch muss nicht zwangsläufig zur Vereinsamung führen; Alleinsein nicht enden in Verlassenheit. Jeder Mensch braucht Augenblicke, Stunden, mitunter sogar Tage, wo er allein mit sich ist, um wieder zu sich selbst zu kommen. Selbst Liebende brauchen diese Zeiten der Ein-samkeit, um weiterhin Zwei-samkeit leben zu können. Die Einsamkeit suchen wir gelegentlich selbst, in der Vereinsamung fühlen wir uns isoliert. „Das Unglück des Menschen beginnt damit, dass er außerstande ist, mit sich allein in einem Zimmer zu bleiben." (Blaise Pascal)
Nichts so gewiss wie die Ungewissheit
Wir leben keineswegs in einer Single-Gesellschaft. Unsere Gesellschaft ist nach wie vor eine „Paar- Gesellschaft". Was sich allerdings verändert hat, ist die Struktur der Zweier-Beziehungen in ihrer Vielfalt, in ihrer zeitlichen Dimension und nicht zuletzt in ihrer Anfälligkeit und Brüchigkeit. Früher war man mit Mitte zwanzig längst verheiratet, hatte ein oder zwei Kinder, einen relativ sicheren Beruf und ein entsprechendes Ein- und Auskommen. Heute hat sich das alles, wenn überhaupt, in die (späten) dreißiger Lebensjahre verlagert.
Nichts ist heutzutage so gewiss wie die Ungewissheit. Das prägt eine ganze Generation. Die Unsicherheit wird zum Bestandteil ihrer Lebens- und Liebesbiografie. „Die Unberechenbarkeit der eigenen Biografie nimmt ein Ausmaß an, das niemand vorhersah", meint wohl zurecht der bekannte Münchener Soziologe Ulrich Beck. Er hat schon vor Jahren von der „Risikogesellschaft" gesprochen.
Davon betroffen sind mehr und mehr auch die menschlichen Beziehungen bis hin zur Ehe. Fehlen die Gewissheiten und Sicherheiten im beruflichen und gesellschaftlichen Leben, werden sie umso intensiver gesucht in den privaten Lebensräumen. Eine gelungene Liebesbeziehung ist dann das „größte Glück". Aber in diese Sehnsucht mischen sich mehr denn je Selbstzweifel und Ängste angesichts täglicher Erfahrung von Scheitern, selbst in der eigenen Familie. Und so vergehen, bis zu einer verbindlichen Entscheidung, die Wochen, die Monate, die Jahre ...
Eine neue Form der Verlobung?
„Zwei sind besser als einer allein" diese uralte Erfahrung aus dem Buch Kohelet bestätigen die Glücksforscher unserer Zeit. Auf der Suche nach ihrem Liebesglück gehen junge Leute heute - bei aller Euphorie - letztlich doch ganz pragmatisch vor: Erst einmal vorehelich zusammenziehen, dann (möglicherweise) ehelich zusammenbleiben ...
Wenn Paare zusammenziehen, kommt ein ganz neuer Zug in ihre Beziehung. Sie beziehen nun eine gemeinsame Wohnung, richten sich wohnlich ein und „gewöhnen" sich aneinander. Auf die Frage, was überhaupt ein Paar sei, antwortet Ulrich Beck in einem Interview süffisant: „Wir Soziologen haben eine schöne Definition: Erst wenn zwei Leute eine Waschmaschine kaufen, sind sie ein Paar. Warum? Über schmutzige Wäsche zu verhandeln, ist peinlich. Der eine findet, dass muss man noch nicht waschen, der andere besteht darauf, Unterhosen zu bügeln. Erst, wenn zwei Menschen über die schmutzige Wäsche einig sind, haben sie eine Grundlage." Und müssen dann später hoffentlich keine „schmutzige Wäsche waschen" ...
Nachhaltigkeit in den Partnerschaften
Die Paare leben, wie sie selbst sagen, in einer Lebensgemeinschaft:
Sie wünschen sich Gemeinschaft im Leben und hoffen (insgeheim) auf Gemeinschaft fürs Leben. Denn wer mit seinem Lebenspartner zusammenlebt, begrenzt das gemeinsame Leben eben nicht auf Wochen, Monate oder Jahre. (Nur eine Minderheit sucht für jeden Lebensabschnitt den passenden Partner.) Die Bindung bekommt ein hohes Maß an Verbindlichkeit, zugleich auch an Verletzlichkeit.
Gerade in Zeiten wachsender Mobilität, Flexibilität und Agilität suchen Paare einen Rückhalt, der über das Bestehende hinausweist. Die Lebensgemeinschaft - ernsthaft beim Wort genommen - ist so etwas wie eine Rückversicherung an eine ungewisse Zukunft. Überall wird Nachhaltigkeit eingefordert, warum nicht auch in den Partnerschaften?! Sie sollen ja halten ... möglichst ein Leben lang.
Selbst heiratswillige Paare entscheiden sich erst dann für die Ehe, wenn sie sich gründlich geprüft und vergewissert haben. Für sie ist das voreheliche Zusammenleben gewissermaßen eine intensive Vorbereitungszeit auf eine spätere Ehe. Vielleicht eine neue, zeitgemäße Form der Verlobung?! In der Seelsorge „vor Ort" wird diese im wahrsten Sinne des Wortes „vor-läufige"(aber nicht unverbindliche!) Lebensform weithin akzeptiert. Warum nicht auch - unter bestimmten Prämissen - ganz offiziell in der Kirche? Zwischen Ideal und Wirklichkeit liegen oft Welten ... Eine solche Diskrepanz tut beiden nicht gut!
Genug geprüft, wir heiraten
Irgendwann wird die Frage brennend aktuell: Wenn wir unser ganzes Leben miteinander verbringen wollen, welchen letzt verbindlichen Rahmen braucht es dann? Welche Form soll unser gemeinsames Leben dauerhaft bekommen? Bei allen schwerwiegenden Entscheidungen, zumal bei einer solchen Lebensentscheidung, gibt es immer ein Dafür wie ein Dagegen, ein Pro wie ein Contra. Aber ewig prüfen, kann das gut gehen?
Wer heute heiratet, geht ein großes Risiko ein. Wer nicht heiratet - allerdings auch! „Die Angst klopft an die Tür. Das Vertrauen öffnet. Niemand bleibt draußen," versichert eine chinesische Volks- weisheit. Ohne einen solchen Vertrauensvorschuss kann Partnerschaft, ob vor oder in der Ehe, nicht gelingen.
Fakt ist: Niemand muss mehr heiraten! Niemand mehr versorgt oder materiell abgesichert werden. Wer heiratet, tut es freiwillig, aus freiem Entschluss. Umso erstaunter reagiert mitunter der Freundes- und Bekanntenkreis: „Was, ihr wollt heiraten? Warum tut ihr euch das an?" Wer sich für die Ehe entscheidet - zumal in Zeiten der Pluralisierung von Lebensformen - muss überzeugende Gründe dafür haben.
Bisher hat die Ehe alle Zeiten überdauert. Ehe war einst anders; Ehe ist heute anders; Ehe wird auch zukünftig anders sein. Nicht so sehr die Ehe selbst steht zur Disposition, vielmehr ihre konkrete Gestaltungsform. Auch die persönliche Lebenssituation der Paare spielt eine maßgebliche Rolle: ökonomische Sicherheit und soziale Stabilität gewinnen in jüngster Zeit zunehmend an Bedeutung.
Die Ehe ist das Risiko wert
Man muss die Hoffnung auf Gelingen wählen, um nicht der Furcht vor Scheitern ausgeliefert zu sein. Selbst wenn Ehe heute mehr denn je Wagnis, Risiko und in gewisser Weise auch Abenteuer ist. Aber die Paare beginnen ihre Ehe nicht am Punkt Null. Sie können auf das reichhaltige „Erfahrungskapital" eines oft langjährigen eheähnlichen Zusammenlebens zurückgreifen. Das nimmt nicht vollends das Risiko, aber es ist gleichsam Bestätigung und Fortentwicklung der Partnerschaft auf „höherem", d.h. verbindlicherem Niveau.
Ehestabilität braucht Ehequalität! Die äußeren Stützen und Absicherungen fallen weithin weg, umso notwendiger werden innerer Halt und verlässliche Kontinuität. Da braucht es persönliche Investitionen. „Für die meisten Menschen ist heute das Hauptproblem, wie sie sich stabile Beziehungen schaffen können", meint der Schweizer Psychotherapeut Jürg Willi. „Die Rede ist von Verbundenheit, Zugehörigkeit bis hin zur All-Bezogenheit."
Die lebenslange Ehe muss keine Illusion bleiben, sofern sie nicht umschlägt in „lebenslänglich". Dann bleibt das Miteinander bestehen und endet nicht in ein Nebeneinander, schon gar nicht in ein Gegeneinander.
Fazit: Ehe, wem Ehe gebührt! Oder: Die Ehe ist das Risiko allemal wert ...
Wenn schon, dann auch kirchlich ...
„Die Welt ist eine Nummer zu klein geraten, um die unendlichen Sehnsüchte eines Menschen stillen zu können", behauptet wohl zutreffend Kurt Tucholsky, ein völlig unverdächtiger Zeitgenosse. Gleiches trifft wohl auch auf die Sehnsucht zweier Menschen zu. Am Beginn ihrer Ehe brauchen sie vermutlich mehr als „nur" ihr Ja. Sehnsüchte entstehen ja da, wo Menschen erkennen, dass sie mehr brauchen als sie selbst haben und geben können ...
Ehe ist Marathon, nicht Kurzoder Mittelstrecke! Da kann ihnen der Atem schon stocken, wenn die Paare am Start ihres nun auch offiziell gemeinsamen Lebenslaufes stehen. Nach menschlichem Ermessen schlicht und einfach menschenüberfordernd, ein solches Versprechen abzulegen auf der Zeitachse eines immer länger werdenden Lebens.
Lebenswenden sind stets für überraschende Wendungen gut. So wendet sich auch heute noch das ein oder andere Paar (nach langer „Auszeit") an die Kirche und bittet um eine kirchliche Trauung. Und um den Segen Gottes! Bei alldem, was passieren kann, wird das „Gesegnet werden" zumindest nicht schaden, wie einige Paare insgeheim vielleicht denken mögen. „Das ist ihr Glaubenbekenntnis", vermutet die Hamburger Bischöfin Maria Jepsen. „Es stimmt: Es kann nicht schaden. Gott kann nicht schaden. Gesegnet werden kann nicht schaden! Das Segenswort der Trauung tut seine Wirkung."
Wer kommt, ist willkommen
Die Liebesgeschichte eines jeden Paares ist auch die Liebesgeschichte Gottes mit ihm. Gott fragt nicht nach der Vollwertigkeit, Halbwertigkeit oder gar Minderwertigkeit des Glaubens. Wer immer um seinen Segen bittet, wird auf seinen Zuspruch und seinen Beistand vertrauen dürfen. Gleich wer sie sind, gleich wo sie stehen, gleich wie immer sie zu ihm stehen.
Auch ein Segen kann ein Samenkorn sein!
Wer also kommt - sich zur kirchlichen Trauung anmeldet und sich zum Traugespräch einfindet -, muss willkommen sein. Die meisten Paare sind „kirchenentwöhnt" und meist fern jeglicher religiösen Praxis. Da muss erst einmal ein Zugang eröffnet und gegenseitiges Vertrauen geweckt und verstärkt werden - zuallererst durch eine offene, gastfreundliche Atmosphäre. Auf dem sich abzeichnenden Höhepunkt der Beziehung, der Hochzeit, kommt wohl kaum ein Paar „transzendensverschlossen" ins Pfarrhaus ...
Es geht hier weniger um Interessen der Kirche, vielmehr um das Interesse der Kirche an den Paaren. Und das Interesse der Kirche kann ja nur sein, den Paaren zu helfen, dass ihnen ihre Ehe gelingt ...