Indem die Gläubigen in der Taufe auf Christi Tod und Auferstehung getauft sind, sind sie zugleich in diesem Christus untereinander in einer bestimmten Beziehung, die selbst nochmals eine eigene Bedeutung für ihre Gemeinschaft, die Kirche, hat. Alle Gläubigen sind nicht nur für sich mit Christus verbunden, sondern sind in Christus auch miteinander verbunden, noch bevor sie etwas dafür „geleistet" haben. Genau dies benennt Paulus im 1. Korintherbrief mit dem Zuruf: „Ihr seid der Leib Christi", wobei er darin zugleich den Zusammenhang der Charismen aufweist: In diesem Leib Christi gibt es unterschiedliche Gnadengaben, die aufeinander bezogen sind (vgl. 1 Kor 12, 27).
Was also gewissermaßen die Taufe und das das darin geschenkte gemeinsame Priestertum für die einzelnen Menschen bedeutet, bedeutet analog dazu das besondere priesterliche Amt für die Kirche. Geht es beim ersteren Sakrament um die unbedingte Vorgegebenheit der Liebe Gottes für die einzelnen Menschen und darum, dass sie durch ihr Leben diese Gnade Gottes sichtbar machen, so geht es beim sakramentalen Amt um die unbedingte Gnade Gottes für die Gemeinschaft der Kirche, und zwar insofern, als es dafür bestimmte Menschen gibt, die für den Bereich der Kirche die Verantwortung übernehmen, dass Gottes Gnade nie vergessen wird, nie in der Gesetzlichkeit erstickt, nie in widerlichen Strukturen zerstört wird. Sie sorgen dafür, dass die zuvorkommende Liebe Gottes in der Kirche, ihren Institutionen und Texten, ihren Rechtsvorschriften und in ihrer Pastoral aufleuchtet und dass dieser Gnade keine kommunikativen und strukturellen Hindernisse in der Gemeinschaft der Gläubigen entgegengesetzt werden.
Im folgenden möchte ich einige Bereiche andeuten, die nicht erschöpfend sein müssen, die aber grundsätzlich klären, worum es im sakramentalen Amt geht, wenn seine „geistliche Leitung" gnadentheologisch begründet wird.
Gnade der Tradition
In den ersten Jahrhunderten wurden jene, die eine besondere Verantwortung für die Gemeinden übernahmen, Presbyter genannt. Presbyter heißt „der Älteste", und geht zurück auf jene Grunderfahrung in frühen Kulturen, dass die Ältesten die alten Geschichten zu erzählen wussten, die die Identität einer Kultur erlebnisbezogen ausdrückten und atmosphärisch verdichteten. In den frühen Gemeinden wird dieser Begriff nicht mehr an das Alter, sondern an die Funktion, an den Dienst der Verkündigung gebunden, nämlich kein Jota der Geschichten Jesu und der Geschichte Christi und überhaupt aller Heiligen Schriften Israels unter den Tisch fallen zu lassen. Denn die Vorgegebenheit Gottes realisiert sich für die Gläubigen darin, dass sie die Gottesbeziehung nicht zu produzieren haben, sondern dass ihnen jene Gottesbeziehung geschenkt ist, die in der Bibel und in der Tradition der Kirche erzählt wird, durchaus im entsprechenden Plural, wie sie dort begegnen.
Selbstverständlich sind alle Gläubigen auf Grund von Taufe und Firmung berufen, die Vorgegebenheit des Evangeliums auch in ihrem eigenen Leben und auch für die Kirche zu entdecken und wichtig zu nehmen; doch hat das sakramentale Amt die spezifische Verantwortung, dass die ganze Tradition durch die Geschichte hindurch weitergetragen wird. Um dieser Kontinuität willen gibt es das kirchliche Amt, das deshalb die Aufgabe hat, die Vorgegebenheit des Glaubens, wie sie im Glauben der Verstorbenen, also im vergangenen Volk Gottes, zum Vorschein gekommen ist, in die Gegenwart hineinzubringen, vor allem die Erinnerungen vom Volk Gottes des ersten Bundes, von den Ursprungserinnerungen und Geschichten der ersten christlichen Gemeinden und von den Opfern, Märtyrern und Märtyrerinnen als „gefährlicher Erinnerung" an die Ohnmacht der Botschaft, wenn sie der Gewalt ausgesetzt ist.
Die Vorgegebenheit des Evangeliums bezieht sich demnach auch auf jene Geschichten, die uns in einem bestimmten Lebensabschnitt bzw. in einer bestimmten gesellschaftlichen und kulturellen Epoche scheinbar oder anscheinend nichts sagen. Sie bleiben Traditionsgut der Kirche. Und nicht zuerst den Gläubigen insgesamt, sondern dem kirchlichen Amt fällt die rechenschaftspflichtige Verantwortung zu, dass sie nicht etwa in Vergessenheit geraten. Hier sind die Grenzen der Möglichkeit, die Kirche als säkulare Demokratie zu beschreiben. Denn die Vorgegebenheit des Evangeliums und aller darin erzählten Geschichten und Gleichnisse kann weder von einer machtvollen Minorität noch von einer quantitativen Majorität außer Kraft gesetzt werden. Würde der gegenwärtige Erfahrungsbezug zum Maßstab der insgesamten christlichen Wahrheit gemacht werden, dann wäre dies ein Verrat an den vielen Erfahrungsgeschichten zwischen Mensch und Gott in der Tradition der Kirche bzw. in den biblischen Geschichten. Niemand weiß, wann sie wieder bedeutsam werden könnten.
Gnade in der Verkündigung
Innerhalb dieser gesamten Vorgegebenheit von Gottesbegegnungen bzw. der Menschenbeziehungen im Horizont Gottes in Bibel und Tradition nimmt das sakramentale Amt insbesondere jene Geschichten ernst, die in der Verkündigung diese Gnade Gottes erlebbar machen. Das Weiheamt wird jedenfalls allen Versuchen widerstehen, die Geschichten der Bibel und der Tradition vorschnell zu moralisieren und für Postulate, Verordnungen und Gesetze zu instrumentalisieren.
Im Blick auf meine eigene priesterliche Biographie schaue ich nicht ohne Schuldgefühle auf meine ersten Jahre als Kaplan in Nürnberg, in denen ich, wie überhaupt viele aus unserer Generation, biblische Geschichten vor allem imperativisch ausgelegt habe: So haben wir die Geschichte von Joh 8, 1-11, die Begegnung Jesu mit der Ehebrecherin, vorschnell dahingehend interpretiert, dass auch wir Menschen so miteinander umgehen müssen, vor allem mit Sündern und Sünderinnen. Dabei haben wir gleichzeitig die erste und entscheidende Botschaft verschüttet, nämlich zuerst zu sagen: Wie Christus mit der Ehebrecherin umgeht, so geht er jetzt mit uns um, die wir selber diese Versöhnung nötig haben.
Fast alle biblischen Geschichten und Gleichnisse haben erst einmal diesen Gnadenaspekt, bevor der entsprechende Imperativ des Handelns auszusprechen ist, damit dieses Handeln durch die Erfahrung der Gnade und Freundschaft Gottes seine vitalste Ermöglichung bekommt. Dies muss nicht in jeder Verkündigung, zum Beispiel in jeder Predigt geschehen. Aber dies darf auf keinen Fall in der Gesamtverkündigung ausfallen. Gerade wenn Menschen immer wieder über das Wort der Verkündigung die Erfahrung der unbedingten Liebe Gottes geschenkt wird, ist es dann auch möglich, im Ernstfall prophetisch in dem Sinne zu predigen, dass zugunsten einer ganz bestimmten Solidarisierung massive Forderungen und Ansprüche zu erheben sind.
Es geht also nicht um Unterforderung im Bereich des Handelns, aber eben auch nicht um gnadenlose Überforderung, sondern um jene Gnade, die zur Herausforderung wird und dieser Herausforderung Kraft verleiht. Die sakramentale Struktur des Weiheamtes zeigt sich dann in einer quasi sakramentalen Verwirklichung der Wortverkündigung, indem darin nichts beansprucht wird, was nicht wenigstens versucht wurde, auf dem Hintergrund der Gnade Gottes zu ermöglichen.
Gnade für das Volk
Auch die lebendigen Geschichten der Gläubigen in der Gegenwart haben eine eigene Dignität, die das kirchliche Amt als Gegebenheit der Gnade zu schätzen und zu schützen hat. Denn es wird in Zukunft einmal dafür verantwortlich sein, dass auch die Geschichten und die Glaubenseinsichten der Gegenwart für eine künftige Gegenwart nicht verloren gehen. Man kann nicht auf der einen Seite von der Tradition viel halten und von der Gegenwart wenig, weil die Gegenwart immer einmal ein Bestandteil der Tradition werden wird. Das Traditionsprinzip der katholischen Kirche qualifiziert die jeweilige gegenwärtige Pastoral als geistgewirkte Wirklichkeit.
Alle Gläubigen sind dazu berufen, das Evangelium zu empfangen und wahrzunehmen. Deshalb ist das sakramentale Amt dafür verantwortlich, dass es auf den Glauben der Gläubigen hört und die eigene Macht dafür einsetzt, dass dieser Glaube der Gläubigen und seine Gestaltungen wichtig werden, auch sich selbst gegenüber. Ansonsten würde das Weiheamt die Vorgegebenheit der Gnade im Volk Gottes missachten. Von daher ist immer im Blick zu behalten,welche Beziehung die geistliche Leitung zu vertreten hat: „Nennt mich nicht Meister, nur einer ist euer Meister!" (vgl. Mt 9,11; 19,16; 23,8). Diese Beziehung wird zerstört, wenn die geistliche Macht nicht als Dienst realisiert wird: als Dienst an der Ermächtigung der Gläubigen selbst, in der Stärkung ihres eigenen Glaubens, ihrer eigenen Kompetenz, die Wirklichkeit im Horizont „Zeichen der Zeit" zu lesen.
Dabei hat das kirchliche Amt das Recht und die Pflicht, innerhalb des Volkes dann Kritik zu üben,wenn dort die Gläubigen sich gegenseitig unterwerfend und ausgrenzend miteinander bzw. mit anderen umgehen. Umgekehrt haben die Gläubigen die Verantwortung, das kirchliche Amt zu kritisieren, wenn es die ihm zugesprochene Leitungsmacht selber von der geistlichen Verantwortung ablöst, nämlich sich auf den Geist Gottes in den Getauften zu beziehen. So realisiert sich das kirchliche Amt in seiner geistlichen Leitung immer dann, wenn es die eigene Wichtigkeit dafür einsetzt, dass die anderen wichtig werden. Zugleich wird es einschreiten, wenn die Christen sich und andere nicht wichtig genug nehmen oder wenn sie wesentliche Erinnerungen der verstorbenen Gläubigen nicht mehr wichtig nehmen.
Geistliche Leitung
Auf den ersten Blick scheinen Gnade und Leitung nicht leicht miteinander vereinbar, weil der moderne Leitungsbegriff ein Kompetenz- und Leistungsbegriff ist. Das Wort „geistlich" tauscht den Leistungskern der Leitung mit einem anderen Kern aus, so dass es sich dabei nicht mehr nur um ein „weltlich Ding" handelt. Diese Geistlichkeit kann wohl am besten auf dem Hintergrund der Verbindung von Eucharistievorsitz und Gemeindeleitung erörtert werden. Dass die Eucharistiefeier den zentralen Sammlungs-Ort der Kirche bildet, hat damit zu tun, dass auch die kirchliche Einheit nicht zuerst etwas ist, was die Menschen herzustellen haben, sondern was von Gott her geschenkt ist.
Wenn Paulus der Gemeinde zuspricht, dass sie Leib Christi ist, noch bevor sie etwas dafür getan hat, dann erschließt sich die eucharistische Gegenwart des Leibes Christi als der sakramentale Ort, wo diese Einheit am intensivsten zum Ausdruck kommt und gefeiert wird. Geistliche Leitung bedeutet dann, der Gemeinde erfahrbar wer- den zu lassen, dass sie in Christus eins ist, und zwar in allen Meinungsverschiedenheiten und Unterschieden, insofern Christus zu jedem und zu jeder von uns eine ureigene Beziehung hat und zugleich alle diese Beziehungen in sich selbst überbrückt. Von diesem Ort aus können dann die Gläubigen miteinander so umgehen, dass sie sich gegenseitig das Charisma des Geistes Christi zugestehen, auch dann, wenn sie manches bei anderen Gläubigen nicht nachvollziehen können. Denn die kirchliche Einheit beruht nicht in der macherischen Gleichschaltung der Gläubigen, sondern im Geschenk ihrer Verwurzelung im gemeinsamen Herrn.
Die geistliche Gemeindeleitung braucht viel Ausbildung und Kompetenz im Umgang mit Menschen und auch im Verstehen von Leitungsvorgängen, geht aber darin nicht auf, sondern ist bereit, all dieser „Professionalität" nochmals ein eigenes Vorzeichen zu geben. Wenn die professionelle Kompetenz nicht immer wieder bereit ist, sich vom Kern der Gnade unterbrechen und durchbrechen zu lassen, kann sie den Anspruch der „Geistlichkeit" nicht für sich beanspruchen. Damit soll nicht abgesprochen werden, dass sehr viel Gnade auch durch Kompetenz geschieht, wenn zugleich im Blick bleibt, dass professionelle Leitung immer wieder durch den Gnadenaspekt überholt werden darf, wenn sie ihr im Wege steht.
So kann man auch die Ordination nicht so verstehen, als sei damit automatisch die eigene Glaubensgeschichte und theologische Meinung mitordiniert in dem Sinn, dass beide mehr wert wären als die Glaubenserfahrungen der Gläubigen und als könne man die eigene Glaubensrichtung dann allen Gläubigen in der Gemeinde verordnen. Ich rede hier nicht von den Inhalten des Glaubensbekenntnisses, sondern davon, wie sie erlebt und erfahren oder nicht erfahren werden. Die Ordination rechtfertigt nicht die Subordination der Gläubigen unter das, was man selber denkt; vielmehr besteht die Amtsgnade darin, die eigene Glaubenserfahrung und theologische Meinung als Ermöglichung des je besonderen Glaubens und der je besonderen Meinung der anderen einzubringen, was dann schon bedeutet, dass das kirchliche Amt massiv da Kritik anmeldet, wo verschiedene kirchliche Gruppen sich gegenseitig den Glauben absprechen oder sich gar verteufeln. Die geistliche Leitung kann eine harte Aufgabe sein, aber nicht im Durchsetzen der eigenen Meinung, sondern im Kampf gegen alle die christliche Gottesbeziehung und die zwischenmenschliche Gerechtigkeit und Barmherzigkeit zerstörenden Handlungen und Personen.
Was du verkündest, erfülle im Leben!
Die Vorgegebenheit der Gnade, wie sie durch das sakramentale Amt vermittelt wird, hat ganz spezifische Auswirkungen auf die Existenz der Amtsperson selbst. Was sie für sich und für die Kirche empfangen hat, ist im eigenen Selbstvollzug zugleich darzustellen. Die Erzählung von der Fußwaschung hat genau diese Doppeldimension: Zuerst kommt alles darauf an, dass sich Petrus die Füße von Christus waschen lässt, also die Diakonie Gottes sich selbst gegenüber annimmt, zum zweiten, dass es die Erfahrung dieses Ersteren ermöglicht, jene Verantwortung zu übernehmen, die Jesus mit dem Wort ausspricht: „Ein Beispiel habe ich euch gegeben, dass ihr tut, wie ich euch getan habe" (Joh 13,15). Damit fällt insbesondere dem kirchlichen Amt zu, die Gegebenheit der Gnade durch die eigene Selbstbeanspruchung beispielhaft durch sich selbst vorzugeben, so dass die Menschen an der ihr vorgesetzten Person zugleich die Vorgabe eines Beispiels erfahren, das es sich etwas kosten lässt, anderen Menschen die Gnade Gottes erfahrbar werden zu lassen und so Christi Gegenwart zu repräsentieren.
Ich kann mich noch gut an Gespräche mit Mitbrüdern aus Lateinamerika an einer Tagung erinnern, die ein paar Monate nach der Ermordung des Bischofs Oscar Romero stattfand. Wir haben damals über das kirchliche Amt gesprochen. Und die Priester aus Lateinamerika haben gesagt: An diesem Bischof wird uns klar, dass das Martyrium das Siegel der Echtheit des kirchlichen Amtes ist. Dass die Menschen, die das kirchliche Amt auf sich nehmen werden, ganzheitlich Zeugnis geben, dass sie sich dieses Zeugnis der Wahrheit in ihrer eigenen Lebensform etwas, wenn es sein muss, die „Passion" kosten lassen.
Die Gläubigen im sakramentalen Amt sind die von Amts wegen berufenen Blutzeugen. Im Weiheamt wird den Priestern die Gnade verliehen, amtlich und öffentlich das Wesen der Kirche bis zum Modus der Selbsthingabe darzustellen und so die Kirche zu leiten. Erst in solcher Kenosis wird das Hierarchische zu Gunsten der tatsächlichen Herrschaft des „Heiligen", der sich um der Menschen willen erniedrigt hat, gebrochen und gewinnt damit ein eindeutiges „umgekehrtes" Vorzeichen.
So geben die Personen im kirchlichen Amt ein Vorbild, in dem sie die Vorgegebenheit der Gnade mit dem Einsatz und der Hin-Gabe des eigenen Leibes bezeugen: als Mahnung, als prophetische Kritik, als Ermutigung. Jedenfalls so, dass spürbar ist: Jedes kritische Wort gegenüber den Menschen riskiert mit dem eigenen Leibeinsatz, was die Konsequenzen dieser Kritik sind. So wird das kirchliche Amt zu einem Wahrnehmungs- und Ermöglichungsort progressiver christlicher Existenz für die Gläubigen. Die Gabe der Weihe wird zur Aufgabe in der Existenz und genau damit zur Gabe des Vor-Bildes für die gesamte Kirche. Um jedes Missverständnis zu vermeiden: Hier geht es gerade nicht um ein Sich-Verheizen-Lassen in quantitativer Hektik und im Leistungsstress, sondern um den qualitativen Blick für die entscheidende Zeugenschaft im Ernstfall.
Der Kern der Ämtertheologie liegt darin, dass das Volk dafür betet, dass Gott solche Menschen beruft, um in dieser Hinsicht „voranzugehen" und damit der Gnade und der in ihr wurzelnden Beanspruchung Gestalt zu verleihen. Sie sind ohne Zustimmung und Gebet des Gottesvolkes nicht in dieses Sakrament hinein berufbar, sie sind aber gerade dann, wenn sie so inhaltlich bezogen und damit auch im Volk oft sperrig ihre Identität leben, auch nicht durch Majoritäten abrufbar. Sie sind aber heftig kritisierbar, wenn sie dieses kirchliche Amt nicht in dieser Radikalität leben, sondern es selbst in Wort und Tat trivialisieren, wenn sie es nicht auf diese Tiefendimension seiner Identität leben.
Schlussbemerkung
Als mit Anwachsen der frühen Kirche in den ersten Jahrhunderten die Bischöfe nicht mehr ausreichten, wurde den Presbytern die entscheidende Aufgabe übertragen, Gemeindeleitung und Eucharistievorsitz „vor Ort" zu gewährleisten. So hat sich das Bischofsamt über die Presbyter in die kleinen Einheiten hinein entfächert und hat damit theologisch angemessen auf die soziologischen Veränderungen in der Kirche reagiert: in der Rettung der Eucharistiefeier für die Gemeinden wie auch in der Überschaubarkeit der damit verbundenen Gemeindeleitung. Die bleibende Zuständigkeit der Bischöfe führt angesichts ihrer nicht mehr möglichen Beiständigkeit im Lebensfeld der Gemeinden dazu, dass sie ihre gemeindeleitende Zuständigkeit an diejenigen delegieren, die - in Stellvertretung für die Bischöfe - vor Ort beiständig sein können.
Wenn ganze Lebensvollzüge, die konstitutiv mit einem Sakrament zusammenhängen, nicht mehr mit diesem verbunden sind, dann haben wir ein für die ganzheitliche Identität der Kirche katastrophales Spaltungsproblem. Wenn Priester über drei bis fünf Pfarreien hinweg die geistliche Gemeindeleitung innehaben, sie aber in Verbindung mit einer oder höchstens zwei Pfarreien gestalten können, trennt sich bei ihnen bezüglich der anderen Pfarreien der Zusammenhang von Sakrament und Lebensvollzug, von priesterlichem Amt und pastoralem Handeln. Umgekehrt begegnet das gleiche Spaltungsphänomen von der anderen Seite, wenn Laien faktisch die geistliche Gemeindeleitung innehaben, ihrerseits aber nicht der Eucharistie vorstehen können, weil sie nicht in den Ordo aufgenommen sind.
Es ist höchste Zeit, dass die Verantwortlichen der Kirche die Einheit von Sakrament und Vollzug und damit die Kernidentität der katholischen Kirche und der Gemeinden höher einschätzt als die herkömmlichen Zulassungsbedingungen zum sakramentalen Amt.