Kirche und HumorAlles hat seine Stunde

Der Kirche und ihren Vertretern sagt man oft eine gewisse Humorlosigkeit nach. Das verwundert, denn wenn ich etwa an den seligen Papst Johannes XXIII. denke, dann hat er eindrucksvoll bewiesen, dass Humor zum Leben dazu gehört. Leitend war für ihn die selbst auferlegte Maxime: „Johannes, nimm dich nicht so wichtig!"

Wer selbst einen Schritt zurücktreten kann, der macht Platz für den, der größer ist, letztlich für Gott selbst. Diese Erkenntnis ist ein wichtiger Gradmesser des Humors. Zum menschlichen Leben gehört beides: Das Lachen und der Ernst, die überschwängliche Heiterkeit und der Tiefgang. So kann Kohelet im Alten Testament schreiben: „Alles hat seine Stunde. Für jedes Geschehen unter dem Himmel gibt es eine bestimmte Zeit: eine Zeit zum Gebären und eine Zeit zum Sterben, eine Zeit zum Pflanzen und eine Zeit zum Abernten der Pflanzen, (...) eine Zeit zum Weinen und eine Zeit zum Lachen, eine Zeit für die Klage und eine Zeit für den Tanz." (Koh 3, 1.2.4) 

Lachen gehört zum Menschen, kann aber natürlich einen sehr verschiedenen Sinn haben. Es ist Ausdruck von Gelöstheit und Heiterkeit, gehört so eng mit Fröhlichsein zusammen, aber es gibt auch ein dämonisches, teuflisches Lachen, das Verachtung und Schadenfreude zum Ausdruck bringt. Ich freue mich über herzerfrischenden Humor und spritzigen Witz, gewiss auch über ein stilles Lächeln, eventuell auch mitten beim Verlieren und bei Verlusten. Die Traurigkeit darf bei allen berechtigtem Schmerz kein Letztes sein. Denn wenn man diese Welt ernst, aber nicht todernst nimmt, und wenn man weiß, dass es noch eine andere Dimension gibt, ist man eher in der Lage, das Vorläufige auch als Vorläufiges zu verstehen und nicht als Endgültiges. Das führt dazu, dass man über manche Dinge lachen kann und gelassener ist. Lachen hat ja etwas mit der Unterbrechung unseres ernsten Alltags zu tun. Auch in der Bibel gibt es einen sehr subtilen Humor. Wenn etwa Jesus seine Gleichnisse erzählt, dann ist da immer etwas Schalkhaftes mit dabei. Es liegt mir am Herzen, dass der christliche Glaube gegen alle Verbissenheit und Sturheit steht. Entschiedenheit gehört zwar zum Glauben. Aber das ist etwas anderes, als nicht mehr ansprechbar oder diskussionswillig zu sein. 

Ich weiß nicht, ob mich mein längerer Aufenthalt in Italien in dieser Richtung stärker geprägt hat. Die Italiener können ja wunderbar schauspielern, Clowns spielen und gewitzt auftreten. Ich habe es zum Beispiel immer dann erfahren, wenn man bei einem Kauf noch um den Preis feilschen musste. Mir lag das gar nicht, obgleich ich auch gerne mein geringes Taschengeld etwas geschont hätte. Aber ich musste merken, dass meinen Partnern es einfach kein gutes Geschäft war, wenn man nicht lautstark und larmoyant war: „Auf diesen Preis kann ich nicht eingehen. Morgen sterben meine Kinder und ich." Danach gab es einen Handschlag - und wir beide waren zufrieden. Aber das habe ich immer nur bewundert, nie gelernt. Nur einmal gelang es mir, als ich meine ersten Fußballschuhe kaufte. Man kann diese Art von Humor auch Schlitzohrigkeit nennen. 

Spielerischer Umgang

Wer Philosophie und Theologie studiert, hat es auf seine Weise mit der Vieldeutigkeit, mindestens der Zweideutigkeit der Welt zu tun. Vieles ist schillernd. Man muss auf der Hut bleiben und darf sich nicht aufs Glatteis führen lassen. Nicht nur von der menschlichen Erfahrung her muss man sich mit Widerfahrnissen herumschlagen, die von keiner deutlich erkennbaren Gesetzmäßigkeit her verstanden werden können. Im Angesicht Gottes - oder sagen wir bescheidener: im Licht der Transzendenz - wird man bei dieser Vieldeutigkeit der Wirklichkeit nicht todernst. Man verkrallt sich auch weniger in sie. Sie sind kein Letztes. Man kann spielerisch damit umgehen. Gerade deshalb hat auch derjenige, der wirklich an Gott glaubt, viel Sinn für das Spielerische des Lebens, für die Heiterkeit und für die Leichtigkeit des Seins. Wenn man also immer auch die andere Dimension im Sinn hat, behält man einen gewissen Humor, weil man ja das Bedingte nicht für ein Unbedingtes halten darf und um die Unterscheidung der Geister weiß. 

Nur so kann ich es mir übrigens erklären, dass wir in der Geschichte des Glaubens vieles ausgeprägt haben, was zum Menschen gehört, aber vielleicht im Licht des Glaubens tatsächlich markanter wird: die Kritik als Gabe der Unterscheidung, die Satire, den Humor, die Formen vom Witz bis zu den Sprichwörtern. Man schaue einmal in manche Bücher der Bibel, besonders des Alten Testamentes, hinein (vgl. zum Beispiel Sprichwörter, Kohelet, aber auch die Propheten). Der Glaube möchte die täuschende Mehrdeutigkeit entlarven, besonders wenn es auch mit Heuchelei zu tun hätte. In diesem Sinn passen Glaube und Humor, auch Kirche und Karneval, in dieser Form zusammen. Fastnacht und Karneval sind im Schatten unserer Dome entstanden. Wer viel glaubt, der hat, glaube ich, mehr zu lachen, als jemand, der alles tierisch ernst nimmt. „Die Relativierung der Wirklichkeit verbindet Humor und Glaube", schreibt das angesehene „Lexikon für Theologie und Kirche". Und weiter: „Beide (Humor und Glaube) befähigen dazu, in Distanz zur Welt und doch in ihr zu leben. Als hermeneutische Prinzipien helfen sie, die Chancen und Grenzen von Mensch und Welt auszuleuchten und ermöglichen dadurch humanes Handeln. Der Humor lässt sich so als Moment einer weltzugewandten Spiritualität verstehen." (LThK, Band V, 3. Aufl., Freiburg i.Br. 1996, Sp. 334) 

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