Thomas von Aquin stellt fest: „Nichts gelingt gut, außer man vollbringt es mit Freude." Aber wie können wir in der Pastoral heute Freude haben? Kirchenaustritte, immer weniger Katholiken, Priestermangel, weniger Ehrenamtliche, größere Flächen und mehr Gremien, Spannungen und auch Spaltungen ziehen runter. Wir erleben Frust und Enttäuschung, Unverständnis und Misserfolg. Der zunehmende Bedeutungsverlust des Glaubens und der Kirche in der Gesellschaft belastet. Einige Seelsorger erleben sogar offene Ablehnung und Feindseligkeit. Können wir trotzdem froh sein in der Pastoral? Ich sage ohne Wenn und Aber Ja! Unser Angebot (das Evangelium) ist gut und die Nachfrage groß. Mich hat die Seelsorge froh gemacht!
Freude hat sicher etwas mit Charakter, Gemüt und Veranlagung sowie den zeit- und ortsbedingten Umständen zu tun, aber nicht nur! Freude hat vor allem mit der Ein- Von Ludwig Schick stellung und dem Verhalten und deshalb mit unserem Bemühen um Freude zu tun. Freude kann man nicht ‚machen', sie ist Geschenk, aber man kann sich für die Freude bereiten. Franz von Assisi schreibt: „Bemüht euch, immer Freude zu haben, denn es steht dem Diener Gottes nicht gut an, vor seinem Bruder oder einem anderen Traurigkeit oder ein besorgtes Gesicht zu zeigen!" Freude ist aber nicht lautes Lachen und Ausgelassenheit. Freude ist viel tiefer. Freude ist Zufriedenheit, Geborgenheit, Heimat, Zuversicht, Optimismus, Geduld und Friede des Herzens.
Romano Guardini hat „Briefe über Selbstbildung" geschrieben. Der erste Brief ist überschrieben: „Von der Freudigkeit des Herzens." Er beginnt mit folgenden Sätzen: „Wir wollen trachten, dass unser Herz froh werde. Nicht lustig, das ist etwas ganz anderes. Lustig sein ist äußerlich, macht Lärm und verfliegt rasch wieder. Die Freudigkeit aber lebt drinnen, still, und wurzelt tief. Sie ist die Schwester des Ernstes. Wo sie ist, da ist auch er." Wie können wir in der Pastoral die Freudigkeit des Herzens finden und bewahren? Indem wir ‚in allem Ernst' manche Dinge lassen, andere ändern und wieder andere tun. Ich möchte einige wichtige „Quellen der Freude" nennen.
Quellen der Freude
1. „Glaubensfreude in der Pastoral!" Die heilige Theresia von Lisieux schreibt: „Die Freude steckt nicht in den Dingen, sondern im Innersten Schwerpunktthema 6 unserer Seele." Sie steckt in unserem Glauben! Der christliche Glaube ist Beziehung zu einer Person. Im Brief an die Philipper heißt es: „Freut euch im Herrn!" (Phil 3,1). Im ganzen dritten Kapitel dieses Schreibens stellt Paulus dar, wie er alles daran setzt, „Christus (zu) erkennen und die Macht seiner Auferstehung und die Gemeinschaft mit seinem Leiden … (um) auch zur Auferstehung von den Toten zu gelangen" (Phil 3,10- 12). Seine Überlegungen über die Gemeinschaft mit Christus schließt er ab, indem er alle seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auffordert: „Freut euch im Herrn zu jeder Zeit! Noch einmal sage ich: Freut euch!" (Phil 4,4).
Die Gemeinschaft mit Christus ist Geschenk, sie zu pflegen aber unsere Sache. „Die Freude im Herrn" ist Gabe und Aufgabe.
Die Freude in der Pastoral steckt nicht in unseren Erfolgen, nicht in unseren Posten und auch nicht in unserer Karriere. Sie steckt in der Freundschaft mit Jesus Christus. Deshalb sage ich immer wieder den Priestern, Diakonen und den pastoralen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in unserer Erzdiözese: Priorität der Spiritualität! Spiritualität bedeutet, Gemeinschaft mit Jesus zu pflegen. Sie ist, wie jede Beziehung, manchmal einfach, manchmal zäh, zeitweise hat sie Funkstille. Sie ist aber erst dann zu Ende, wenn man sie aufgibt. Dranbleiben am Beten, Bibel lesen, Reden mit Jesus, so bleibt die Beziehung zu ihm! Vor allem dann, wenn ich leer und ausgebrannt bin, wenn ich den Frust und die Unzufriedenheit über Sorgen und Problemen besonders stark zu spüren bekomme, darf ich die Gemeinschaft mit Jesus suchen. Viele Priester, Ordenschristen und Laien haben mir schon erzählt, wie wichtig ihnen das Gebet vor dem Tabernakel ist. Hier kommen sie zur Ruhe, weil sie seine Gegenwart spüren.1
2. „Wir danken dir, dass du uns berufen hast, vor dir zu stehen und dir zu dienen!", beten wir im Zweiten Hochgebet der Eucharistie. Die Dankbarkeit ist eine der wichtigsten Quellen der Zufriedenheit und der Freude in der Pastoral. „Seid dankbar", ist eine oft wiederholte Mahnung des Paulus an seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Jeden Tag mindestens einmal für die Berufung zur Freundschaft mit Jesus und zum Dienst an der Frohbotschaft zu danken, macht froh. Idealerweise geschieht dies in der Eucharistie, der großen Danksagungsfeier der Kirche. Sie ist ein Quell der Freude, wie das Zweite Vatikanische Konzil sagt.
3. „Jeden Tag planen". Johann Wolfgang von Goethe hat einmal geschrieben. „Im Vergleich zur vernünftigen Gestaltung eines Tages ist alles andere im Leben ein Kinderspiel." Gestalten Sie Ihre Tage, Wochen und Jahre vernünftig und sinnvoll? An jedem Tag müssen das Gebet, die Besinnung, die Ruhe, der Gottesdienst an erster Stelle stehen. Was ich heute nach bestem Wissen und Gewissen als wichtig erachte, das nehme ich mir vor zu tun; ich plane aber nur das, was ich wirklich bewältigen kann. Was ich nicht kann, lasse ich, am besten ‚überlasse' ich einem/einer anderen Mitarbeiter/ in. Wenn ich keine(n) finde, dann lasse ich es auch, indem ich es Christus überlasse. Überforderung stresst und macht unzufrieden. Sie lässt sich durch vernünftige Planung, Delegation und Lassen-können vermeiden. Es tröstet mich immer wieder, darauf vertrauen zu dürfen, dass ich die Aufgaben und Forderungen, die weder ich noch meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter erledigen können, Jesus überlassen kann. Ihm kann ich sagen: „Es ist Deine Kirche. Es sind auch Deine Menschen. Tu an ihnen, was wir nicht können." Ich vertraue darauf, dass er sich um die kümmert, die wir nicht erreichen. Er wird sein ‚Reich der Gerechtigkeit, des Friedens und der Freude' voranbringen und vollenden (vgl. Röm 14,17). So kann ich gelassen und froh Werkzeug Jesu Christi in der Pastoral sein.
4. Zur Freude gehört das gute Gewissen. „Das gute Gewissen ist ein sanftes Ruhekissen". Das gute Gewissen hinsichtlich der pastoralen Tätigkeit kommt dann, wenn ich sagen kann: „Ich habe alles getan, was ich konnte". Das ist bei jedem verschieden. Jeder hat seine Talente und Kapazitäten. Achten wir das! Alle in der Seelsorge müssen sich anstrengen, ihren Tagesplan einhalten und tun, was sie tun können. Faulheit, Nachlässigkeit, Zeitvergeudung, Getratsche und Geschwätz machen ein schlechtes Gewissen. „Ich habe alles getan, was ich tun konnte"; aber - und das ist ein Unterschied - nicht all das, was andere meinten, das ich hätte tun müssen. Die Wünsche und Forderungen von diesem und jenem dürfen nicht das Maß unseres Tuns und Lassens werden - das zerreißt uns! Wir müssen tun, was der Herr uns aufträgt. Er spricht im Gewissen zu uns. Für mich ist Epheser 2,10 dafür eine gute Richtschnur: „Seine Geschöpfe sind wir, in Christus Jesus dazu geschaffen, in unserem Leben die guten Werke zu tun, die Gott für uns im Voraus bereitet hat."
5. Versöhnung, Umkehr und Wiedergutmachung sind wichtige Quellen der Freude. Der Herr vergibt. Wenn wir spüren: Ich bin dem oder jenem nicht nachgekommen, ich bin schuldig geworden, dürfen wir es Jesus sagen. Wenn wir gesündigt haben, vergibt, tröstet und stärkt er uns. Die Beichte ist eine Quelle der Freude. Jesus ist in mir, aber auch in allen anderen. Geistlicher Austausch über den Glauben ist Quelle der Freude. Wichtig ist, mit allen Menschen, besonders unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, in Frieden zu leben. Der Unfriede ist Gift für die Glaubensfreude in der Pastoral. Wir sind und bleiben Menschen; deshalb „menschelt" es auch immer wieder. Versöhnung, Umkehr, Wiedergutmachung müssen zu unserem Standardprogramm gehören. Ein pastorales Team, das nicht im Frieden lebt und kein Wohlwollen füreinander hat, strahlt keine Freude aus. „Über Eurem Zorn soll die Sonne nicht untergehen" (Eph 4,27), sollte Pflicht für alle in der Pastoral sein.
6. „Achte auf Dich", hat der hl. Bernhard von Clairvaux Papst Eugen III. in einem Brief geschrieben. Jeder Mensch besteht aus fünf Dimensionen: Leib, Geist, Seele, horizontale und vertikale Beziehung. Der Leib muss gesund ernährt werden, braucht Bewegung und Schlaf. „Im gesunden Leib ist ein gesunder Geist". Der Geist muss denken, neue Erkenntnisse gewinnen und Einsichten haben. Die Seele soll das Schöne in Kunst, Musik und Kultur genießen. Der Mensch will in guten Beziehungen in der Familie und mit Freunden, am Arbeitsplatz und in der Freizeit leben. Er will mit dem Himmel in Berührung sein und an einen guten Gott glauben. In diesen fünf Dimensionen ausgewogen und aktiv leben, ist Voraussetzung für die Freude. Wer durch die Seelsorge den Menschen Freude bringen will, muss sie haben!
7. Heilig leben, d. h. authentisch in der Nachfolge Christi sein, ist eine weitere Quelle der Freude in der Pastoral. Wort und Tat sollen übereinstimmen. Jesus Christus muss dabei Maßstab sein. Zur Heiligkeit gehört die Keuschheit. Keusch heißt, so definiert es z. B. der hl. Franziskus, dass ich mit den Menschen und den Dingen umgehe, wie es ihnen entspricht. „Selig, die reinen Herzens sind." Wenn ich keinen und nichts für mich, mein Ego und Wohlbefinden, meinen Fortschritt und mein Image ‚missbraucht', sondern dazu beigetragen habe, dass andere Leben in Fülle und Freude erfahren konnten, habe ich keusch gelebt. Heiligkeit und Keuschheit sind Quellen der Freude. Georges Bernanos hat das so beschrieben: „Seine Freude in der Freude des anderen finden, das ist das Geheimnis des Glücks."
8. Eine weitere Quelle der Freude ist es, für die Menschen da zu sein. Wer sagen kann: „Ich habe besonders für die Armen, die Kranken, die Traurigen und Niedergeschlagenen gelebt und gearbeitet" (vgl. die erste Predigt Jesu, Lk 4,16-21), der wird froh. Der Dienst am Nächsten bereitet dem Dienenden Freude. Die echte Freude kommt von unten und von nebenan. Nach oben buckeln und nach unten treten, macht freudlos. Wer ständig nach oben schielt und wartet, dass er gelobt und anerkannt wird, muss enttäuscht und unzufrieden werden. Die Armen schenken uns die wahre Freude. Die hl. Elisabeth von Thüringen war glücklich über die Freude „ihrer Armen" und sagte ihren Begleiterinnen: „Ich habe euch immer gesagt, dass wir die Menschen fröhlich machen müssen."
9. Aus den eigenen Ressourcen leben. „Der Vergleich ist der Anfang aller Unzufriedenheit", hat Saint- Exupéry geschrieben. Was steckt in mir, welche Talente habe ich? Diese zu entdecken und zu gestalten ist eine große Quelle der Freude. Gott verlangt von mir, was ich kann! Erich Fromm hat Freude so definiert: „Freude ist das Gefühl, das man auf dem Weg hin zur Selbstverwirklichung verspürt." In den Sprüchen der Chassidim findet sich folgende Erzählung: „Vor seinem Tode sprach Rabbi Sussja: Man wird mich in der künftigen Welt nicht fragen, warum ich nicht Moses gewesen bin. Warum ich nicht Sussja gewesen bin - das wird man mich fragen."
10. Freude ist so wichtig, dass man täglich um sie beten soll. Nicht von ungefähr findet sich in unserem Gotteslob ein eigenes Gebet um die Freude.
„Herr, du hast uns zur Freude berufen. Die Arbeit allein kann uns nicht ausfüllen. Darum gibst du uns Sinn für die Freude, für Fest und Feier, für Spiel und Erholung, für Bildung und Kunst, für das Zusammensein mit Menschen, die wir lieben, die uns erwarten, die unsre Nähe brauchen. Herr, du hast uns zur Freude berufen; vollende unsere Freude in dir" (GL 30, 3). In der Lauretanischen Litanei wird Maria „Ursache unserer Freude" genannt. In einem Tagesgebet bittet die Kirche: „Herr und Gott, auf die Fürsprache der jungfräulichen Mutter Maria schenke uns Gesundheit des Leibes und Heil der Seele. Nimm von uns die Traurigkeit dieser Zeit und führe uns zur ewigen Freude."