Zusammenfassung / Summary
Auf der Grundlage einer Analyse zentraler Textpassagen des hethitischen Schrifttums sowie einer lexikalischen Untersuchung des relevanten Vokabulars thematisiert der Beitrag zunächst die Bedeutung der Reinheit im Alltag und Kult und die diesbezüglichen Normen. Darüber hinaus wird eine weitere Form der Reinheit behandelt, die komplexer ist und neben dem Äußeren auch das Innere umfasst. Sie kann als Zustand sozialer und religiöser Integrität beschrieben werden, der durch das Übertreten sozialer und religiöser Normen gefährdet wird und Unreinheit zur Folge hat. Zur Abwendung derselben und zur Wiederherstellung von Reinheit standen den Hethitern eine Vielzahl von Ritualen zur Verfügung. Einige von ihnen enthalten einen Ritus, der eine Reihe von Übereinstimmungen mit dem biblischen Sündenbockritus aufweist, die von verschiedenen Forschern als Indiz für einen entstehungsgeschichtlichen Zusammenhang gewertet wurden, während andere eine rein strukturelle Parallelität für wahrscheinlicher erachten. Auf der Basis einer vergleichenden Analyse, in die auch ähnliche Riten aus dem syro-mesopotamischen Raum einbezogen werden, werden in dem Beitrag verschiedene Szenarien entstehungsgeschichtlicher Beziehungen diskutiert und auf ihre Plausibilität hin untersucht.
On the basis of relevant textual passages and lexicographical research this article focuses on the meaning of purity in everyday life and cult as well as the rules referring to it. Furthermore, it deals with a more complex concept of purity which comprises the physical body as well as the mind and the soul. Apparently, it was understood as a state of social and religious integrity which is endangered by violating social and religious rules and thus be turned into impurity. In order to avert impurity and to restore the state of purity the Hittites had many rituals at their disposal. The fact that some of these rituals contain a rite quite similar to the biblical scapegoat ritual made some scholars think of a common origin while others refer to these similarities as mere structural parallels. On the basis of a comparative analysis in which also related rituals of the Syro-Mesopotamian area are included several explanations for the similarities are evaluated.