Zusammenfassung / Summary
Der Beitrag stellt die Entstehung und die Entwicklung der klassischen Rezensionshypothese der neutestamentlichen Textkritik dar, wie sie auf der Basis einiger Notizen bei Hieronymus zuerst von Johann Albrecht Bengel entworfen und dann von den Aufklärungstheologen Johann Salomo Semler und Johann Jakob Griesbach systematisiert und popularisiert wurde.
Auch gegen grundsätzliche Infragestellungen, etwa durch das enfant terrible der Textforschung Christian Friedrich Matthaei und anderer, konnte sie sich als Grundgerüst so unterschiedlicher moderner kritischer Ausgaben wie der von Brooke Foss Westcott und Fenton John Antony Hort auf der einen Seite und der von Hermann von Soden auf der anderen Seite behaupten und ihre letzte große Blüte in dem Werk von Burnett H. Streeter erleben, während sie in der Gegenwart nur noch in sehr modifizierter Form und auch nur von einer Minderheit der Forschenden vertreten wird. Ihre lange Herrschaft verdankte sie der vermeintlichen Plausibilität einer einfachen, ebenso leicht verständlichen wie unkompliziert handhabbaren Hypothese. Diese beruht allerdings auf Prämissen, die sich nach heutigem Forschungsstand nicht mehr halten lassen, und auf einer unzureichenden Materialbasis und muss Theorien und Methoden weichen, die der Komplexität der Überlieferung des Neuen Testaments besser Rechnung tragen.