Herder macht religiöse Belletristik. Was genau bedeutet das konkret?
Simon Biallowons, Cheflektor: Es gibt etwas abgewandelt ein schönes Zitat: »Gott sehnt sich nach der Sehnsucht der Menschen.« Diese Sehnsucht ist auch heute ungebrochen, nur hat sich die Sprache, in der man sie ausdrückt, verändert. Diese Sehnsucht und die verbundene Suche, das vorsichtige Tasten nach Ausdrücken, das Fragmentarische und Geheimnisvolle, all das verbinden religiöse Suche und die Literatur. Deshalb wollen wir der Sehnsucht und der Suche der Menschen in unserem Programm einen neuen Ausdruck verleihen. Es muss leicht, überraschend, tiefschürfend, lehrreich auch – und vor allem unterhaltend sein! Wir bewegen uns dabei an der Grenze zwischen Belletristik und Geschenkbuch, bei Sibylle Lewitscharoff sind gar Sachbuch-Elemente eingewoben. Die Werke greifen Religiöses auf, bleiben aber dabei immer Belletristik und passen genau dort hin.
Welche Reaktionen erhofft Ihr Euch von den Leserinnen und Lesern?
Normalerweise würde man an so einer Stelle floskeln: »Wir wollen die Leser abholen...« Das klingt so, als würden die dauernd stehen und auf uns warten. Doch das Gegenteil ist der Fall! Wir möchten deshalb die Leserinnen und Leser unterwegs treffen und hoffen, dass sie uns erlauben, gemeinsam auf die Sehnsuchts-Suche zu gehen. Wir möchten die Auseinandersetzung alter Stoffe mit dem modernen Kontext, das »Aha«-Erlebnis, weil da etwas Altes ganz neu zur Sprache gebracht wird. Wir wollen überraschen oder manchmal auch provozieren, wollen, dass man sagt: Ach, schau an, die oder der bei Herder?
Kannst Du einen Ausblick geben auf Autoren und Themen des Programms?
Wir sind mit drei prominenten Autoren gestartet und haben mit Sibylle Lewitscharoff eine der bekanntesten Schriftstellerinnen unserer Zeit gewinnen können, die in Heiko Michael Hartmann auf einen sprachlichen und inhaltlichen Widerpart trifft, beide treibt das in »Warten auf« zu intellektueller und literarischer Höchstleistung an. Patrick Roth beweist in seinem Werk »Gottesquartett« seine Storytelling-Fähigkeiten und seine Kunst, biblische und religiöse Themen zu inszenieren. Er glänzt dabei als virtuoser Regisseur, der geschickt persönliche Erfahrung und fiktives Narrativ verbindet. Nun freuen wir uns, dass wir mit Felicitas Hoppe eine Autorin gewinnen konnten, deren OEuvre sich von den eben Genannten sehr unterscheidet und so die Vielfalt dieses Segments beweist. Das ist, wie bei den anderen drei auch, ein Beweis, dass wir bekannte Namen und große Schriftstellerinnen und Schriftsteller für diesen Bereich begeistern können.