In der modernen freiheitlichen Gesellschaft ist der Mensch so dringend wie nie auf Orientierung angewiesen. Diese Orientierung kann die Religion bieten. Davon zeigte sich die Passauer Politikwissenschaftlerin Barbara Zehnpfennig in ihrem Eröffnungsvortrag überzeugt.
Kaum eine Kultur in der Geschichte der Menschheit kam ohne den Glauben an Gott aus. Die Menschwerdung war immer eng verbunden damit, über den Menschen hinaus zu denken, so Barbara Zehnfennig. Angesichts der vielen Zufälle, die das Leben bestimmen, dachten die Menschen darüber nach, ob es nicht doch einen größeren Zusammenhang gibt, in den sich das eigene Leben einfügt. „Ein anspruchsvollerer und dauerhafterer Weg, die engen Grenzen des Ich zu überschreiten, ist die Liebe“. Die Liebe, in der der Mensch sich selbst überwindet, ist die zentrale Botschaft des Christentums. Auf diesem Weg gebe es ein „historisches Vorbild: der menschgewordene Gott.“
Kritiker wenden ein, dass Menschen nur nach dem Übernatürlichen suchen, weil sie natürliche Phänomene nicht erklären können; dass die Religion als Herrschaftsinstrument missbraucht wird; dass der Mensch Gott aus seiner Schwäche heraus erdachte. Gott dient in all diesen Fällen nur als Projektion der menschlichen Wünsche. Das christliche Liebesgebot jedoch, dass ein hohes Maß an Selbstüberwindung fordere, könne davor schützen, einen Gott nach dem eigenen Vorbild zu schaffen.