Und du denkst, dein Leben sei großes Kino.“ Mit diesem Spruch wirbt ein Rundfunksender auf Plakaten für seine Berlinale-Berichterstattung. Damit will er sagen: Nur wer das entsprechende Programm einschaltet oder im Internet anklickt, kommt zu den wirklich großen Geschichten: zu den Stars auf dem roten Teppich, zu den Helden auf der Leinwand. Verglichen damit ist das eigene Leben nur eine „kleine Nummer“.
Natürlich darf man Werbeslogans inhaltlich nicht zu sehr auf die Probe stellen. Dafür sind sie nicht gemacht. Trotzdem hat mich der Satz an meinem zweiten Berlinale-Tag begleitet. Beschreibt er nicht ein Lebensgefühl unserer Zeit? Jeder will heute doch ein Star sein, zumindest der Regisseur und Hauptdarsteller im eigenen Lebensfilm, seines Glückes Schmied.
Das ist zunächst auch mal überhaupt nicht zu kritisieren. Aktivität, Individualität – religiös gesprochen: die Suche nach der persönlichen Berufung – sind positive Dinge. Allerdings kann das Ganze auch kippen. Es gibt, um es mit einem Film-Zitat zu sagen, eine „dunkle Seite“ dieser eigentlich sinnstiftenden Macht. Mitunter sehen Menschen nicht die ungeahnten Möglichkeiten für die Gestaltung ihres Lebensfilms, sondern sie empfinden nur den immensen Druck, auch ja ein „Meisterwerk“ abzuliefern. Wehe, dieser „Dreh“ geht schief! Triff bloß nicht die falsche Entscheidung!
Charlie in dem Film „Rückenwind von vorn“ geht es genau so. Die junge Lehrerin kommt mit dem Erwachsenwerden nicht klar. Sehnsüchtig schaut sie Gleichaltrigen hinterher, die mit einem Bier in der Hand um die Häuser ziehen. Bei ihr jedoch scheint inzwischen alles festgelegt: der Beruf verlangt Disziplin, ihr Partner plant zielstrebig die Familiengründung. Aber sind das auch Charlies eigene Bedürfnisse? Die junge Frau ist sich nicht sicher. Sie ist auf der Suche, driftet hin und her.
Der Film des jungen deutschen Regisseurs Philipp Eichholtz hat eine gewisse Schlagseite. Er sympathisiert sehr - für meinen Geschmack: zu sehr - mit seiner Hauptfigur Charlie (allerdings hinreißend gespielt von Victoria Schulz). Zum ganzen Bild würde es gehören, manche Unreife auch als solche zu benennen, etwa wenn Charlie, einem spontanen Impuls folgend, ihre Schulklasse unbeaufsichtigt sitzen lässt. Dennoch wirft der Film aus meiner Sicht eine drängende Frage auf: Verlangt diese Gesellschaft vielleicht einfach zu viel von jungen Leuten?
Es wird spannend sein zu sehen, was andere Filmemacher dazu erzählen.