Ein neues Thema für die FilmkunstDer Islam gehört ins Kino

Filme spiegeln die gesellschaftliche Wirklichkeit. Deshalb hat auch im Kino die Auseinandersetzung mit dem hiesigen Islam begonnen.

Jeden Morgen auf meinem Weg zu den Kinos rund um den Potsdamer Platz komme ich am Schloss Bellevue vorbei. Einer, der hier mal kurzzeitig gewohnt hat, prägte den Satz: „Der Islam gehört zu Deutschland.“ Bundespräsident Christian Wulff sagte dies in seiner Rede zum Tag der deutschen Einheit 2010. Er war zwar nicht der Erste, der dies so aussprach; auch Wolfgang Schäuble, damals Innenminister, eröffnete mit diesen Worten die erste Islamkonferenz 2006. Aber vor allem mit Christian Wulff wird der Satz nach wie vor in Verbindung gebracht.

Viel ist über diese Aussage diskutiert worden. Ist es wirklich „der Islam“ der zu Deutschland gehört? Oder muss man doch einen Unterschied machen zur Prägung des Landes durch Judentum und Christentum? Und: Welcher Islam wäre überhaupt gemeint? Trifft es vielleicht eher zu, wenn man sagt, dass natürlich die Muslime zu Deutschland gehören? Wahrscheinlich ist das ein Stück weit eine müßige Diskussion, wenn sie uns nicht näher zusammenbringt.

Es gilt jedenfalls, die Realitäten anzuerkennen. Und diese sind, dass laut Bundesamt für Migration und Flüchtlinge knapp fünf Millionen Menschen mit muslimischem Glauben in dieser Gesellschaft leben. Sie sind ein Teil von ihr, man muss mit ihnen umgehen – selbst wenn manche das nicht wahrhaben wollen.

Auch das Kino lernt den Umgang mit der islamischen Community noch. Das ist mein Fazit, nachdem ich den Film „Oray“ des deutsch-türkischen Regisseurs Mehmet Akif Büyükatalay gesehen habe. Er hatte heute in der Festspiel-Reihe „Perspektive deutsches Kino“ seine Weltpremiere.

Der Film erzählt von Menschen, die ihren muslimischen Glauben in Deutschland ganz unterschiedlich leben. Da ist die Hauptfigur Oray, eigentlich ein zupackender Kerl, der mit beiden Beinen im Leben steht. Aber den Koran und die religiösen Gesetze hinterfragt er nicht, er legt sie nicht historisch-kritisch aus, wie wir Theologen sagen. Als er im Streit mit seiner Frau Burcu die islamische Scheidungsformel „talaq“ ausspricht, wird das deshalb zum großen Problem. Denn Oray und seine Frau Burcu finden wieder zueinander. Und was jetzt? Kann man nicht einfach die im Affekt ausgesprochene Scheidungsformel ignorieren? Der Imam von Orays Heimatmoschee versucht zu vermitteln: Vielleicht wird man dem Religions-Gesetz mit einer Trennung auf Zeit gerecht, einer kurzen Pause ihrer Ehe? Ein anderer Imam ist da strenger: Einmal ausgesprochen, muss Oray seine Frau wie eine Fremde behandeln.

Der Mann ist völlig überfordert von der Situation. „Das ist Gottes Gesetz, er hat es gemacht“, stammelt Oray. Burcu dagegen – wieder eine der starken Frauen aus den diesjährigen Berlinale-Filmen – argumentiert erwachsener, aufgeklärter: „Gott hat etwas anderes gemacht: Er hat uns Augen, Ohren und den Verstand gegeben. Können wir das nicht zwischen uns regeln?“ Ein Glaubensbruder fragt: „Wie kann Gott wollen, dass zwei Liebende sich trennen?“

An dem Film ist zunächst zu würdigen, dass er sich des Themas annimmt. Das Kino stellt sich der neuen Wirklichkeit im Land. Allerdings hat der Regisseur für meinen Geschmack zuviel Sympathie mit seinen Figuren. Alle Probleme lösen sich am Ende in Wohlgefallen auf. Die Moschee wird als Ort unendlicher Solidarität dargestellt. „Komm, lass uns beten“, sind die letzten Worte. Das ist dann doch zu unkritisch. Aber wie gesagt, es gibt ja auch noch keine lange Geschichte des Themas „Islam“ im deutschen Film…

Am Abend übrigens, unabhängig vom Berlinale-Programm, habe ich eine Veranstaltung des Herder-Verlags in der Katholischen Akademie besucht. Dabei sprach unter anderem die Publizistin Sineb El-Masrar, die sich selbst als muslimische Feministin bezeichnet. Das war eine sehr gute, weil notwendige Ergänzung zu dem Film. Die Vielfalt in der muslimischen Lebenswelt, gerade auch die problematischen Seiten des politischen Islam, müsste in der öffentlichen Diskussion viel stärker thematisiert werden, so Sineb El-Masrar. Da kratzt „Oray“ nur an der Oberfläche.

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