Am späten Samstagabend hörte ich das erlöste "Ja! Jetzt nur noch einmal das Gleiche!", und ich wusste, die polnische Volleyballmannschaft hatte die deutsche besiegt und steht im Finale. Doch es muss ein hartes Stück Arbeit gewesen sein, eine knappe Partie, denn zwischendurch war es auch sehr still. Von den heftigen Pfiffen gegen die Gastmannschaft, von denen ich später lese, schweigen wir an dieser Stelle. Dabei gelten gerade Volleyballfans als besonders kultiviert.
Heute Morgen stieg ich dann in Naklo in die Regionalbahn und fuhr nach Bydgoszcz / Bromberg. Zwei Tage will ich mir die Großstadt anschauen, die sich nach Aussagen von Freunden von einem grauen sozialistischen Entlein zu einem ansehnlichen Schwan gewandelt hat. Unterwegs, die Fahrt dauert eine knappe halbe Stunde, unterhält ein älterer Mann, schwerhörig offensichtlich, den ganzen Waggon. Laut erzählt er seinem Gegenüber von seinen Erlebnissen mit dem Handy. Sein Enkel habe ihm sein altes geschenkt, und jetzt habe er keine Ruhe mehr. Reihenweise bekomme er Angebote von "Konsultanten", die ihm Großartiges versprechen und sein "Ja, ich bin einverstanden" auf ein Tonband aufnehmen möchten. Zunächst schauen wir uns ungläubig an, dann wischen wir uns die Tränen aus den Augen. Auf die schlichte Idee, dass man das Mobiltelefon auch ausschalten kann, kommt der ältere Herr offensichtlich nicht. Oder siegt dann doch die Neugier über die Verärgerung?
In Bydgoszcz fallen schnell die offenen Geschäfte auf. Es ist Sonntagvormittag, und zumindest die Lebensmittelgeschäfte haben wie selbstverständlich auf. "Jeden Tag von 6.00 bis 23.00 Uhr geöffnet", lese ich auf den Schildern, wenig später sehe ich, dass auch die riesigen Einkaufsgalerien offen sind, manche von ihnen öffnen an den Sonntagen, ein bisschen verschämt oder weil die Menschen länger schlafen, eine Stunde später.
Zur gleichen Zeit aber sind die Gottesdienste gut besucht. In einer Innenstadtkirche werden an Sonntagen sechs Mal Hl. Messen gefeiert, in der Basilika gar neun Mal. Ich nehme am Gottesdienst um 11 Uhr teil, Familiengottesdienst. In der Kinderkatechese gibt sich der Priester redlich Mühe, das nicht einfache Gleichnis von den Arbeitern im Weinberg auszulegen. Er fängt geschickt an - "Wir alle haben unterschiedliche Voraussetzungen und Gaben" -, verliert sich dann aber in einer etwas moralisierenden Folgerung. Der Kinderchor erfreut, ich gehe beflügelt weiter.
Kann es sein, dass die Menschen nach den Gottesdiensten in die "Galerien" gehen? Siegt auch hier die Bequemlichkeit über einen Basissatz unserer Kultur? Bisher ist mir nur ein einziges winziges Protestplakat, in der Kirche von Naklo, aufgefallen: "Am Sonntag kaufen wir nicht ein." Die mächtige Kirche und der noch mächtigere Kapitalismus.
Zum guten Abschluss ergattere ich noch eine Karte für Stanislaw Moniuszkos (1819-1872) "Halka", eine Oper, die als Polens Nationaloper gelten darf. "Reihe 1, Platz 1", sagt die Dame an der Kasse, "eine andere habe ich nicht mehr". Als ich zögere, sagt sie: "Das ist eine Opernaufführung ohne Übertitel, sie brauchen nicht nach oben zu schauen, und der Orchestergraben ist auch dazwischen." Dabei habe ich eher an meine schlichte Kleidung gedacht.