Marienburg

Die Anlage nimmt 21 Hektar ein und die Burg gilt als größtes Backstein-Bauwerk der Welt. Für CIG-Autor Christian Heidrich Grund genug für einen Umweg nach Marienburg, zwischen 1309 und 1457 Sitz des Hochmeisters des Deutschen Ordens.

Marienburg
© Christian Heidrich

In der Frühe laufe ich die wenigen Kilometer von Sztumskie Pole in das Städtchen Sztum (Stuhm) und nehme den ersten Zug nach Malbork (Marienburg). In wenigen Tagen kehre ich hier wieder zurück, um die letzten Etappen in Richtung polnisch-russischer Grenze zu gehen. Doch ist Sztum so nahe an Marienburg, Pelplin und auch an Danzig gelegen, dass ich dem Ruf dieser Städte und Städtchen nicht widerstehen kann. Ob ich noch einmal so nahe herankomme?

Nach zwanzig Minuten Fahrt komme ich in Malbork an, der süßliche Geruch der "Cukrownia Malbork" umfängt mich und bleibt auch den Rest des Tages an der Stadt hängen. Es ist Saison, Zuckerrüben werden verarbeitet. Von der hohen Brücke über den Schienensträngen sehe ich etliche Türme und Türmchen. Ob sie schon zum Schloss, zur Marienburg gehören?

Später erfahre ich, dass die Stadt, die heute rund 40 000 Einwohner hat, mit der Berühmtheit des UNESCO-Weltkulturerbes durchaus hadert. Denn die vielen Touristen kommen nur des Schlosses wegen nach Malbork, fahren nach der Besichtigung häufig gleich wieder weiter. Da bleibt in der Kasse der örtlichen Geschäftsleute nicht viel hängen. "Ein Tag ist zu wenig!", so ein Werbeslogan der Stadt, doch auch ich begnge mich - trotz Übernachtung - mit dem Besuch des Schlosses.

Ob das mit den ungeheuren Maßen der Anlage zusammenhängt? Etwa 21 Hektar nimmt sie ein, und die Burg selbst gilt als das größte Backsteingebäude der Welt. Da gibt es eine Vorburg, ein Mittelschloss, ein Hochschloss. In dem vielgliedrigen System der Schlösser und Burgen des Deutschen Ordens war die Marienburg, zwischen 1309 und 1457 Sitz des Hochmeisters, ein diplomatisches, wirtschaftliches und religiöses Zentrum. Dabei haben nicht mehr als 60 Ordensritter in der Burg gewohnt - die Zahl der Bediensteten, Besucher und Nutznießer war freilich um ein Vielfaches höher.

Ich wähle die polnischsprachige Führung, die letztlich dreieinhalb Stunden dauert. Doch es ist eine gute Wahl, denn Pan Jan lässt schon durch seinen zackigen Schritt keine Langeweile aufkommen. Vor allem verbindet er, intelligent und human, die notwendigen historischen Fakten mit feinen Legenden und manchen patriotischen Seitenhieben. In welchen Schulen werde denn gelernt, fragt er rhetorisch, dass die Ordensritter hier kürzer residierten als die polnischen Könige, für die das Schloss zwischen 1457 und 1772, dem Jahr der ersten Teilung Polens, als eine der Residenzen diente? Die Bruchstelle war die berühmte, in Polen hochmythologisierte "Bitwa pod Grunwaldem", die Schlacht bei Tannenberg, bei der im Jahr 1410 die Ordensritter und ihre Verbündeten der Polnisch-Litauischen Union unterlagen, sich von der Niederlage nicht mehr erholten. Zu Zeiten der preußischen Herrschaft diente die Burg als Kaserne, wurde im 19. Jahrhundert "gotisch" restauriert, erlitt in den letzten Monaten des Zweiten Weltkrieges furchtbare Beschädigungen.

Die Anlage wurde in den Jahrzehnten nach dem Krieg wieder aufgebaut. Ein kleines oder auch großes Wunder. Und auch vom vorgeblichen Schrecken der "Kreuzritter" war an diesem Tag und an dieser Stelle keine Rede.

Das Innere der Schlosskirche freilich mit ihrem Wahrzeichen, dem mit farbigem Glasmosaik überzogenen Marienbild, bleibt bis heute nur "gesichert", ein ernüchterndes Provisorium. Auch diese Geschichte ist noch nicht zu Ende.

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