Schmucke Stadt mit Geschichte

Chelmno (Kulm) ist eine ausgesprochen schöne Kleinstadt. Ihre Geschichte ist eng mit dem Deutschen Orden verbunden. Warum dieser in Polen lange Zeit als der Inbegriff des niederträchtigen Preußentums galt, erläutert Christian Heidrich in seinem heutige Beitrag.

Schmucke Stadt mit Geschichte
© Christian Heidrich

Von den Kleinstädten, die ich bisher in Polen gesehen habe, ist Chelmno (Kulm) mit rund 20 000 Einwohnern die schönste. Es ist die Lage auf einem Hügel über der Weichsel, noch mehr aber die Altstadt, die mich begeistert. Die Altstadt, bis heute fast vollständig von einer Wehrmauer umgeben, ist überschaubar, steckt aber voller liebenswerter Details. Darauf setzen auch die Touristikmanager, die Chelmno zur "Stadt der Verliebten" erkoren haben. Dass sich in einer der Kirchen eine "Reliquie des heiligen Valentin" befindet, kommt noch zu allem Glück dazu.

In der Mitte vom Rynek, vom Marktplatz, thront das Renaissance-Rathaus, das man fast schon putzig nennen könnte. Exakt um 12 Uhr höre ich von dem Turm den "Hejnal", einen eher traurig anmutenden Trompetenhymnus, der die Weichsel anruft, bevor sie sich im Meer verliert. Auf dem großzügigen Platz sind Marktstände aufgebaut, auf den Bänken sitzen Rentner, erzählen und betrachten entspannt die Vorübergehenden. Wohin man auch schaut, Kirchentürme, Backsteingotik zumeist. Sieben Kirchen liegen innerhalb der Stadtmauer.

Das Ganze hat natürlich eine Geschichte. Sie ist mit dem Deutschen Orden (Deutschritterorden) eng verbunden, der Kulm bereits im Jahr 1233 das Stadtprivileg verlieh, ja die Stadt zunächst als Hauptstadt des gesamten Ordensgebietes vorgesehen hat. Das "Kulmerland" und vor allem das "Kulmerrecht", das ein Muster für spätere Stadtgründungen abgab, sind wichtige Stücke der Ordensgeschichte und auch der Geschichte Preußens. Tragisch, dass der Orden, dessen Geschichte so großartige wie elende Seiten besitzt, in Polen lange Zeit als der Inbegriff des niederträchtigen Preußentums galt, vielleicht heute noch gilt. Der populäre "Krzyzacy"-Roman ("Die Kreuzritter") des polnischen Schriftstellers und Nobelpreisträgers Henryk Sienkiewicz (1846-1916), mit einem Karl May-Roman durchaus vergleichbar, hat hier eine üble Rolle gespielt. Mir aber werden Spuren der Ordenshistorie bis Königsberg begegnen.

Auf dem Aussichtsturm der prächtigen Kirche "Aufnahme Mariens in den Himmel", die als "fara", Pfarrkirche, tituliert wird, ergänzen sich die Facetten dieser schmucken Stadt zu einem Ganzen. Ich sehe auch die kilometerlange Brücke, auf der ich gestern die Weichsel überquerte. Auf dem Turm bin ich alleine. Nur die vielen Tauben, im Turm und im Freien, habe ich aufgeschreckt.

Am Rande:
Der Vater hat das "Vanilla", das feinste Cafe in der Stadt, ausgesucht, um mit seinem Sohn ein ernstes Wort zu reden. Es geht um die Matura, um das Abitur, darum, dass man jetzt investieren und verzichten muss, um es später besser zu haben. Der Vater bleibt hartnäckig, spricht von Lebenserfahrung. Der Sohn hat nicht viel entgegenzusetzen. Dennoch scheinen sie sich gut zu verstehen. Eine neue Generation, Vater wie Sohn. An meinem prospektiven Grenzübergang, in Braniewo, wird gestreikt. Schlesische Kumpel blockieren die Züge mit Kohle, die aus dem Kaliningrader Gebiet anrollen. Preisdumping, so der Vorwurf. Die Globalisierung hat unzählige Farben.

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