Es läuft sich gut durch den Harz. Sanfte Steigungen, die dennoch rasch Ausblick und Perspektive verschaffen. Offene Hütten, auch wenn sie unbewirtschaftet sind - das hat etwas mit Vertrauen zu tun. Vertrauen erlebe ich auch, als ich in Lautenthal um 12.10 Uhr in eine Bäckerei eintrete, die eigentlich schon geschlossen hat, Mittagspause. Meinen Kaffee erhalte ich dennoch in einem Keramikbecher, die Apfeltasche auf einen Teller. „Setzen Sie sich ruhig draußen hin, und wenn Sie fertig sind, lassen Sie das Geschirr einfach stehen.“ Ist hier am Ende die Welt noch in Ordnung?
Die nächste Ortschaft, Hahnenklee, bietet eine überraschend große Anzahl an Hotels, Cafés, touristischen Angeboten. Ich komme in einem preiswerten Hotel unter, das „vegetarisch“ bewirtschaftet wird. Die Besitzer selbst gehen einen Schritt weiter, sind Veganer, freilich von der vorlebenden, nicht der predigenden Art. Gleichwohl zähle ich beim Frühstück nachdenklich die tierischen Produkte: Kaffeesahne, Eier, Käse, Honig… Den Tieren sind wir keine Brüder. Am Ende hängt der eine Friede mit dem anderen zusammen?
Das wäre vielleicht eine Anregung für Father Mapple aus „Moby Dick“, an den ich sogleich denke, als ich die Stabkirche in Hahnenklee betrete. Sonst eher eine norwegische Spezialität, hat eine solche Holzkirche Anfang des vorigen Jahrhunderts ihren Weg nach Hahnenklee gefunden. Tatsächlich fühlt man sich wie in einem altertümlichen, knarrenden Schiffsbauch. Als ich merke, dass mich die Erklärung vom Tonband eher einlullt denn inspiriert, schweifen meine Gedanken zu Father Mapple ab, der am Anfang des ungeheuren Romans von Melville so flammend über den Propheten Jona und seinen Ungehorsam zu predigen versteht. Ob Mapple auf der wunderschönen Kanzel von Hahnenklee über die Kraft des Vertrauens und auch über unsere tierischen Mitgeschöpfe predigen würde?