Die Liebhaber von gruseligen Filmen und Büchern teilen sich in zwei Gruppen. Die einen können ihre geliebten Horrorfilme nur im hellen Sommer sehen. Zu groß ist die Gefahr, dass die Monster im herbstlichen Dämmerlicht den Sprung von der Mattscheibe in den Küchenschrank schaffen. Die anderen blühen jetzt auf. Mit der frühen Dunkelheit kommt ihre Stunde, weil man sich zu keiner anderen Zeit so schön unter der Kuscheldecke vor dem phantasievollen Grauen fürchten kann.
Für diese unerschrockenen Fans ist jetzt der Klassiker „Es“ des Gruselgroßmeisters Stephen King neu verfilmt worden. Darin geht es um ein Wesen, das die Kinder einer amerikanischen Kleinstadt tötet. Meist sieht es aus wie ein Zirkusclown, vor den Opfern nimmt es aber immer wieder die Gestalt ihrer größten Angst an.
Stephen Kings „Es“ ist ein großer Gleichmacher. Das trifft auf die meisten Film-Monster zu. Der Horror kann grundsätzlich jeden treffen, er bricht einfach so in den Alltag der Hauptpersonen ein. Opfer und Zuschauer sind sich dabei so nahe, dass die Grenze zwischen Phantasie und Realität verschwimmt. In der Identifikation mit den Menschen, die vom Horror heimgesucht werden, verdrängt der Zuschauer erfolgreich, dass es keine Gestaltwandler, keine Geister und auch keine Vampire gibt.
Die Wesen, die die klassischen Horrorgeschichten bevölkern, sind älter als Fernsehen und Buchdruck. Sie entstammen Volkssagen und Märchen und dienten den Menschen als Erklärung des Unerklärlichen. So entstand eine übernatürliche Welt, die sich wie ein Schatten hinter unsere Realität legte. Je aufgeklärter die Welt wurde, desto mehr rückten die Ungeheuer in den Hintergrund und ins Reich der Phantasie. Heute scheint es, als gäbe es nichts mehr zwischen Himmel und Erde, was nicht mit den Naturgesetzen erklärt werden könne. Aber ist das so? Sind wirklich alle Rätsel des Menschen gelöst?
Wie schnell wird heute ein Mörder als Monster oder Ungeheuer bezeichnet, einfach weil man sich nicht vorstellen kann, dass ein Mensch zu solch grausamen Taten fähig sein soll. Da ist er wieder, der Schrecken, der in den Alltag einbricht. Je mehr solche Ungewissheiten verdrängt werden, existenzielle Fragen kein Gehör finden, desto eher brechen sie sich an anderer Stelle Bahn.