Als Papst Benedikt XVI. mit seiner Rede im Freiburger Konzerthaus eine „Entweltlichung“ der Kirche anmahnte, erinnerte er vielleicht nicht ganz absichtlich auch daran, dass ihr Verhältnis zu Macht und Besitz immer wieder Veränderungsprozessen unterworfen war. Die Frage, ob eine „entweltlichte“, also eine von „ihrer materiellen und politischen Last befreite Kirche“ sich nicht besser und „auf wahrhaft christliche Weise der ganzen Welt zuwenden, wirklich weltoffen sein“ kann, haben Christen zu unterschiedlicher Zeit verschieden beantwortet.
Darf ein Christ reich sein?
Etwa um 400 konnten Prediger formulieren, dass „Menschen jeden Ranges, jeden Einkommens und jeden Reichtums“, also die „ganze Menschheit sich um den Gekreuzigten“ versammle. Den folgenden Aufstieg des Christentums in der Antike und den damit verbundenen Wandel für die Glaubensgemeinschaft wie für die römische Gesellschaft zeichnet der englische Historiker Peter Brown in seinem Werk auf beeindruckende Weise nach.
Brown hält dabei fest, dass die Entscheidung Konstantins von 313, die Christenverfolgung zu beenden und dem Christentum den Status einer anerkannten Religion zuzuerkennen, aus dem Römischen Reich noch lange kein „christliches Reich“ machte. Sie sorgte zunächst einmal nur dafür, dass der „christliche Gott“ vom Römischen Reich anerkannt wurde, „die Christen nicht länger verfolgt wurden und vor allem, dass die christliche Geistlichkeit privilegiert und geschützt war“. Indem die „konstantinische Revolution“ der „Religion des neuen christlichen Gottes jedoch völlig unerwartet eine Spitzenposition“ zusprach, sorgte sie mittelbar dafür, dass das Christentum „die soziale Nische“ der „mediocres“, der „mäßig begüterten Stadtbewohner“, verließ.
Zu den Gemeindemitgliedern zählten jetzt mehr und mehr nicht nur diejenigen, die weder „in marmorverkleideten Häusern“ lebten, noch zu den „armen Schluckern“ zählten, aus deren Kreis sich zumindest die Gruppe der führenden Christen bis dahin im Wesentlichen speiste. Das durch Konstantin über Nacht hoffähig gewordene Christentum wurde zunehmend auch für die kleine Schicht der vermögenden und einflussreichen Familien interessant. Damit aber konnte der am Anfang formulierte universale Anspruch des Christentums jetzt auch im Sinne einer gesellschaftlich „mehrheitlichen“ Ausrichtung verstanden werden. Das brachte es mit sich, dass sich die Frage, was ein christlich angemessener Umgang mit wirklichem Reichtum ist – ob man Christ und zugleich wirklich reich sein kann –, in den christlichen Gemeinden jetzt überhaupt erst in aller Schärfe stellte.
Die Antwort darauf stand weder von vornherein fest noch war sie ein für alle Mal gegeben. Vielmehr musste sie, bedingt durch die sich zum Teil rasant verändernden politischen und kulturellen Rahmenbedingungen, immer wieder neu formuliert werden.
Die ersten Kirchenschenkungen
Diesen Weg macht Brown an einzelnen konkreten Gestalten deutlich: an Ambrosius etwa, mit dem plötzlich ein Mitglied der reichen und einflussreichen Oberschicht Bischof wird und dessen Wahl für Brown „ein Symptom erster Veränderungen in der Struktur des Christentums“ ist. Es ist dessen Einfluss, der mit dazu beiträgt, dass das im Römischen Reich „erprobte Heilmittel der Großzügigkeit, das die Kritik an den Reichen in alten Zeiten entwaffnet hatte, die Form der Kirchenschenkung und der ‚barmherzigen Werke‘ an den Armen“ annimmt.
Die Studie bildet die Summe des Schaffens des inzwischen 82-jährigen Historikers. Zudem bietet sie ein gleichermaßen spannendes wie instruktives Panorama einer Zeit, die ganz anders war als die unsrige und die doch immer wieder an die Gegenwart erinnert.