Im neuen Buch Karl-Heinz Menkes ist vom Richtungsstreit in der katholischen Theologie die Rede, von einer dramatischen Polarisierung. Seine Gegner sind: das Theologenmemorandum, die Teilnehmenden des Münchner Kongresses „Das Konzil eröffnen“ und die Kollegen Stephan Goertz und Magnus Striet. Das Streitobjekt lautet „Wahrheit oder Freiheit“. Näherhin wird die Frage behandelt, wem im untrennbaren Miteinander – bei Menke eher Gegeneinander – theologisch der Vorrang zukommt.
Es geht um den Stellenwert von Glaubens- und Gewissensfreiheit in der Kirche, um die theologische oder besser kirchliche Tauglichkeit dieser Kernbegriffe von Aufklärung und Moderne. Menke plädiert – gegen einen Subjektivismus und Relativismus – für den philosophisch durchaus plausiblen Gedanken der Gebundenheit der Freiheit und eines auch theonom verpflichteten Gewissens. Indes ist mit dem philosophischen Nachweis eines „Primats der Wahrheit vor der Freiheit“ noch nicht geklärt, welche Konsequenzen das für die Erkenntnis „der Wahrheit“ hat, die doch nur durch sich selbst überzeugt; die wirksam wird, weil und indem sie in Freiheit (an)erkannt wird. Die Gewissensentscheidung des Einzelnen und die Wahrheitsbindung des Glaubens sind nicht gegeneinander auszuspielen. Wenn beim Verfasser dann aber aus der göttlichen Wahrheit unter der Hand eine kirchliche Wahrheit wird, wenn aus der schöpfungstheologisch von Gott her bestimmten Freiheit auf einmal eine ekklesial gebundene Freiheit und aus der Autorität des Unbedingten die des kirchlichen Lehramtes wird, entsteht Klärungsbedarf. Schließt Menke hier nicht Gottes Selbst-Offenbarung – die Wahrheit Gottes und deren Erkenntnis in Freiheit – und die kirchliche Vermittlung leichtfertig kurz? Man vermisst eine grundsätzliche Skepsis gegenüber jeglichem kirchlichen Vermittlungs- und Wahrheitsanspruch sowie die Entwicklung eines sauberen Katalogs von Maßstäben, wie Kirche vom Offenbarungsereignis her zu verstehen ist.
Wenn man die Kirchengeschichte mit ihren Höhen und Tiefen anschaut, wird die Kirche als das immer in der Wahrheit bleibende „identische Subjekt aller zeitbedingten Denkformen“ nicht nur fraglich, sondern dieses Ideal wird auch ein ideologisches Instrument zur Selbstimmunisierung.
Die von Menke behauptete Existenz der Kirche als „Christus prolongatus“, als fortlebender Christus, gilt im Zweiten Vatikanischen Konzil zu Recht als Verheißung, allerdings einzig dann, wenn die Kirche wirklich die Zeichen des Geistes Christi trägt. Weil sie aber in all ihrem Bemühen auch immer fehlgehen kann und Christus allein sündlos ist, ist die Kirche stets der Umkehr und Reinigung bedürftig.