Das kleinste ist das beste unter allen gelehrten Büchern, die zum Reformationsjubiläum anlässlich des 500. Jahrestags der Thesen Martin Luthers erschienen sind. Im handlichen Din-A6-Format ruft der in München lehrende evangelische Theologe Jörg Lauster in der Tradition des großen Paul Tillich prägnant in Erinnerung, dass die Reformation nicht nur ein historisch bedeutsames Ereignis in längst vergangener Zeit ist – mit dem wir kaum noch etwas anfangen können –, sondern dass die Reformation für ein Prinzip steht, für eine Haltung: den ewigen Protest.
Dieser Protest speist sich nicht aus der Auflehnung gegen den Papst, aus einem Antikatholizismus, sondern aus dem, was Luther die „babylonische Gefangenschaft der Kirche“ nannte: dass die Kirche in der Wirklichkeit etwas anderes darstellt, als ihre ursprüngliche Idee es verlangt. Lauster spricht von einer „Strukturgefangenschaft der Kirche“, die als irdische Erscheinungsform einer göttlichen Wirklichkeit immer in Konflikt mit ihrem eigenen Anspruch geraten müsse. Das gilt für alle Kirchen. „Die grundsätzliche Spannung zwischen dem Wirken des göttlichen Geistes und dem Räderwerk einer Institution hat jedenfalls auch Luther nicht auflösen können“, schreibt der Autor.
Reformation ist insofern im Kern kein Abfall von der einen und wahren Kirche, wie es „Katholiken aus dem restaurativ-reaktionären Milieu“ gern sehen, sondern ein fortwährender Prozess der Vergegenwärtigung des Göttlichen in der Welt. Lauster dekliniert das durch an epochalen Brüchen: an der Konstantinischen Wende, der Spaltung in eine Ost- und eine Westkirche, an der Reformationszeit und am Eintritt in die Moderne. Immer geht es darum, frei zu sein „von der kleingläubigen Sorge, dass alles so bleiben muss, wie es ist“ – auch innerhalb der Grenzen einer verfassten Kirche. Lausters Buch sollten sich besonders all jene zu Gemüte führen, die prinzipielle Zweifel an den Reformbemühungen von Papst Franziskus hegen.