Gut ein Vierteljahrhundert nach dem Zusammenbruch der alten Weltordnung infolge der Wende in Osteuropa „wird der Krieg als Mittel der Konfliktlösung wieder denkbar“. Das befürchtet der Erlanger Historiker Gregor Schöllgen. Es gebe kein taugliches Instrument der Kriegsverhütung mehr, weil die bisherigen Systeme kollektiver Sicherheit wie Nato, EU, Uno und die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa nur für die besondere Situation des Kalten Krieges konstruiert worden seien und sich angesichts der neuen Verhältnisse überlebt hätten.
Auch drohe ein politischer wie ökonomischer Infarkt. „Unfähig oder unwillens zur Reform, aber auch überwältigt vom Andrang der jungen Staaten Ostmittel- und Südosteuropas, nahmen Nato und EU in Serie neue Mitglieder auf“, bemängelt Schöllgen in seinem neuen Buch „Krieg. Hundert Jahre Weltgeschichte“. Ein schwerwiegendes Problem sei auch, dass der Westen die Sicherheitsinteressen Russlands nicht wirklich berücksichtige. Die Folgen zeigten sich in der Ukraine-Krise.
Vor allem aber baue sich in vielen Weltgegenden des Südens ein Konfliktpotenzial auf, das eine ungeheure Dynamik entwickelt. Die Dritte Welt sei als Rohstoff- und Arbeitskräftelieferant, als Testgelände neuer Waffen, als Schlachtfeld für ausgelagerte Konflikte und als Deponie für Umweltlasten missbraucht worden. Armut, Unterernährung, Korruption, Diktatur und religiöse Intoleranz interessierten den Norden nur, soweit eigene Interessen berührt waren. Auch die gewaltigen Flüchtlingsbewegungen, die Auseinandersetzungen in Syrien und im Mittleren Osten forderten den wohlhabenden Teil der Welt heraus: „Wir müssen substanziell was abgeben.“