Engel und Teufel scheinen eher in vergangenen Zeiten beheimatet zu sein und passen so gar nicht ins vernunftgeleitete Weltbild. Aber davon kann nicht die Rede sein. Viele Menschen, die Schwierigkeiten mit dem Gottesglauben haben, sind von der Existenz der Engel überzeugt und lassen sich dies nicht ausreden. Ihr Engelglaube beruht auf einem gefestigten emotionalen Fundament.
Auch ohne nähere Erfahrungen mit Engeln glaubt man zu wissen, dass sie geistige Wesen und darum gewichtslos sind. Das Gegenteil gilt für den vorliegenden reich bebilderten Band. Mit seinen elf Kilogramm lässt er sich nur mit Mühe stemmen und ist darum auch schwer zu betrachten und zu lesen. Spötter formulierten diesen Tatbestand in der „Frankfurter Allgemeinen“ etwas boshaft: „Ein Kilo Engel für 18 Euro“. Wer übrigens jetzt den Taschenrechner zückt: Die Rechnung des Journalisten bezog sich auf den Subskriptionspreis, der einst um 100 Euro günstiger war. Wenn man so will, schlagen Engel, Teufel und Dämonen inzwischen sogar mit einem Kilopreis von gut 27 Euro zu Buche.
Man braucht jedenfalls schon einen geeigneten Platz, auf den man den großformatigen Band legen kann, um die Abbildungen auf sich wirken zu lassen. Und Zeit braucht man auch. Doch die Mühe lohnt sich. Man findet hier eine Vielfalt von Bildern, wie sie bisher wohl nie in einem einzelnen Buch dargeboten worden ist.
Drei Beispiele mögen andeuten, was in dem Engel- und Dämonenkompendium der Kunstgeschichte zu finden ist. Da ist zum einen das byzantinische Mosaik „Thronende Maria und thronender Christus“ (6. Jh.), das in der Kirche „Apollinare nuovo“ in Ravenna zu sehen ist. Maria ist dargestellt wie eine römische Kaiserin, in ein kostbares Purpurgewand gekleidet. Neben ihr stehen vier weiß gekleidete Männer – vergleichbar mit hochrangigen kaiserlichen Ministern. Sie tragen Zepter, Stola und haben mächtige Flügel. Maria trägt ihren Sohn auf ihrem Schoß. Mutter und Kind erwarten Schutz und Huldigung von diesen grandiosen, machtvollen Engelsgestalten.
Die Vorstellung vom „schönen“ Engel findet sich vor allem bei dem Renaissancekünstler Sandro Botticelli. Damals begann der Kult des „schönen Menschen“ und rückte diesen in den Mittelpunkt des Interesses, das die Engel ganz selbstverständlich mit umfasste. Schon die äußere Form des Magnificat-Tondo (1480–1482) bietet ein Bild der Vollkommenheit. Auf den Gesichtern des Rundbildes spiegelt sich der Glanz des Göttlichen, der genauso intensiv auf dem Antlitz Mariens und ihres Kindes leuchtet.
In der „Ekstase der heiligen Teresa“ (1647–1652) von Gianlorenzo Bernini wird deutlich, wie Engel beim Übergang zum Barock eine stärkere Sinnlichkeit und auch Erotik gewinnen. Für Bernini ist der aktive marmorne Engel, der mit einem Pfeil auf die heilige Teresa zielt, eine lebendige junge Frau. Sie nähert sich in bewegtem Gewand der sich in ekstatischer Verzückung bewegenden spanischen Heiligen. Diese Entzückung ist der äußerste Gegensatz zu einer Statik, die die Engel einstmals hatten.
Über die Farbqualität und die Größe der Bilder kann man nicht klagen. Manche Darstellungen hat man in Büchern nie in solcher Leuchtkraft gesehen. Andere Engelbilder nimmt man gern in sein inneres Engelbilderbuch auf. Je länger man hier blättert und ruhig betrachtet, umso tiefer taucht man in ihre transzendente, künstlerisch sichtbar gemachte Welt ein. Da erinnert man sich gern auch an so manches „geflügelte“ Wort: Ein Engel ist jemand, den Gott uns ins Leben schickt, unerwartet und unverdient, damit er uns, wenn es ganz dunkel ist, ein paar Sterne anzündet. Oder: Engel sind ideale Wächter, weil sie nie schlafen.
Der Kunsthistoriker und Journalist Gottfried Knapp hat in der „Süddeutschen Zeitung“ darauf hingewiesen, dass das Werk eine Systematik enthält, die dem Leser alle ideologischen und theologischen Wandlungen der seit der Antike beliebten guten und bösen Geister näher erläutert. Die Texte hat die Kunsthistorikerin Maria-Christina Boerner verfasst, „eine der besten Kennerinnen der Materie“. Der auf historische Bildwerke spezialisierte Fotograf Achim Bednorz hat einen Großteil der Objekte für das Buch neu fotografiert und dabei Details ausgeleuchtet, die auf den brillant gedruckten Buchseiten fast in Originalgröße lebendig werden. Werner Trutwin