Tätige NächstenliebeWarum Christen den Armen helfen und der Staat eher nicht

Die Hilfe für Arme war in der Geschichte des Christentums immer umstritten. Dabei trug gerade die Sorge um andere Menschen wesentlich „zum Erfolg der frühchristlichen Mission bei, wenn Außenstehende sehen konnten, wie in den Christengemeinden auch diese Bedürftigen Zuwendung und Hilfe fanden“. Das erklärte der Trierer Kirchenhistoriker Bernhard Schneider. Vielfach wurden die Helfer ausgegrenzt – auch von anderen Christen –, etwa weil sich die Frage stellte, ob ein Bedürftiger nicht selbst schuld an seiner Armut ist. Die Frage, „ob allen unterschiedslos zu helfen sei“, sei angesichts begrenzter Ressourcen dabei durchaus berechtigt, so der Wissenschaftler weiter.

Die Kirche hat im Umgang mit Armut mehr Freiheiten als der Staat. Das sei nur natürlich, erklärte der Grazer Pfarrer Wolfgang Pucher, der sich in Österreich mit der von ihm gegründeten Vinzenzgemeinschaft für Arme einsetzt. „Politik kann nur durchsetzen, was die Gesellschaft toleriert, was auch verständlich ist. Das Christentum hängt aber nicht davon ab, ob das Handeln mehrheitsfähig ist oder nicht.“ Die Barmherzigkeit der Kirche sei daher vor allem bei Formen „hässlicher Armut“ besonders gefordert, bei allen Menschen, deren Bedürftigkeit umstritten ist, wie es etwa bei Drogen- und Alkoholabhängigen oder Haftentlassenen der Fall ist. Diese Menschen werden von Hilfsangeboten schwerer erreicht. In Europa praktiziere man „oft nur ‚Fernstenliebe‘“, ist „vielleicht dazu bereit, etwas in Armutsregionen anderer Kontinente zu schicken oder zu spenden“.

Im Lauf der Jahrhunderte wurde die praktische Armenfürsorge dann immer stärker mit dem Ruf nach gesellschaftlichen Reformen verbunden. Schon im Mittelalter kritisierten Theologen die Spekulation mit Nahrungsmitteln in Hungerzeiten. Seit den sechziger Jahren weitete sich der Blick auf die sogenannte Dritte Welt. Heute hat sich – entgegen dem, was Pucher als Stärke der christlichen Armenfürsorge benennt – die Bekämpfung der Ursachen gegen die praktische Hilfe durchgesetzt. Diese Entwicklung sieht man auch an einem Wandel der Begriffe: „Almosen und Barmherzigkeit sind seitdem eher negativ gewertet, während Solidarität oder (soziale) Gerechtigkeit begrifflich in den Vordergrund traten“, sagte Schneider.

Der gegenwärtige Papst stellt das Thema Armut aus seiner lateinamerikanischen Erfahrung mit Basisgemeinden mit besonderem Nachdruck ins Zentrum seiner Verkündigung. So begeht die katholische Kirche unter Franziskus I. am 19. November erstmals den Welttag der Armen.

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