Walter NiggMit Heiligen, Mystikern, Ketzern

Walter Nigg hat bedeutendste Gestalten der Glaubensgeschichte den Christen literarisch nahe gebracht. Nun ist eine Lebensgeschichte über ihn selbst erschienen.

Wie ist zu erklären, dass ein evangelischer Pfarrer und Kirchenhistoriker sich mit Heiligen aus allen Konfessionen und Religionen, mit Denkern und Dichtern wie Nietzsche, Kierkegaard und Dostojewskij, mit Ketzern und Hexen, mit den Teufeln des 20. Jahrhunderts und mit Engeln auseinandersetzt? Und wie erreichte er damit eine Leserschaft weit über den universitären Bannkreis hinaus? Aus der Lebensgeschichte Walter Niggs (1903–1988) heraus versucht der Theologe und Schriftsteller Uwe Wolff, den Weg eines der wichtigsten, aber auch umstrittensten Schweizer Theologen nachzuzeichnen.

Die konfessionelle Zerrissenheit der Familie, der frühe Verlust der Eltern und die allzu frühe Eigenständigkeit wirkten auf Walter Nigg ebenso prägend wie die Begegnungen mit Eduard Thurneysen, Hermann Sutter und Karl Barth. In seinen Studienjahren in Göttingen, Leipzig und Zürich entdeckte Nigg den jüdischen Chassidismus, die christlichen Mystiker, die russischen Heiligen, deren Lebensgeschichten für ihn eine Art der Existenzmitteilung wurden. Die Auswahl der Heiligengestalten für sein später wohl bekanntestes Werk „Große Heilige“ (1946) traf er darum konfessions- und auch religionsübergreifend, ebenso die Themenauswahl für seine Vorlesungen an der Universität Zürich. Als Theologe und Kirchenhistoriker versuchte er, den Graben zwischen Wissenschaftlichkeit und Spiritualität zu überwinden. Der Vormacht der dialektischen Theologie und dem sich verstärkenden Gegenwind an der Universität vermochte Nigg nicht entgegenzutreten. 1955 zog er sich aus der akademischen Welt zurück, um sich ganz seiner mittlerweile breiten Leserschaft zu widmen, die sich gerade von seiner Art des beseelten, nachempfindenden Schreibens angesprochen fühlte.

Auch Uwe Wolff schreibt Niggs Biografie mit einem sehr zugewandten, manchmal beinahe verklärenden Blick, der im Interesse, ihn als Vorbild, als spirituellen Lehrer, als Weisen des 20. Jahrhunderts hervorzuheben, ein etwas geradliniges und glattes Bild seiner Person zeichnet. Verstörende, leidvolle Erlebnisse, Konflikte und Auseinandersetzungen im Leben Walter Niggs scheinen zu Wegmarken zu werden, die ihn jedoch nicht wahrhaft zweifeln oder verbittern lassen. Es gelingt Wolff, das besondere Ineinander von Leben, Glauben und Arbeit abzubilden, aus dem sich gerade das Besondere erschließt. Darin steht zu jeder Zeit das Verbindende im Vordergrund, ohne dass dies selbst zum Thema wird. Das sollte Anlass sein, sich mit Leben und Werk Walter Niggs genauer auseinanderzusetzen, als Impuls für einen Glauben, der das ganze Leben in all seiner Vielschichtigkeit durchdringt.

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