Verschwindet das Religiöse? Entstehen neue Formen des Glaubens? Die „Säkularisierungsthese“, vom Bonner Fundamentaltheologen René Buchholz auf Max Webers Rede von der „Entzauberung der Welt“ zurückgeführt, wird kontrovers diskutiert. Der Autor betrachtet in diesem Buch ein weites, sorgfältig angelegtes Panorama der Aufklärungsphilosophie: von den französischen Enzyklopädisten bis zu Adorno, Horkheimer und Habermas. Buchholz führt in die Debatten ein, immer auf der Suche nach einem gelingenden Zusammenspiel von Vernunft und Glaube.
Der Autor unterscheidet zwischen einer „strong religion“, die als Fundamentalismus gekennzeichnet werde, und der „soft religion“, die vordergründig wie ein laues Angebot in der postmodernen „Wellness-Kultur“ erscheine, aber von Überzeugten mit dem Anspruch absoluter Gültigkeit vertreten werde. So herrsche eine „bornierte Selbstbezüglichkeit“, die in Angriffslust münde, sobald die Gültigkeit mystischer Eingebungen bestritten werde. Das Bindeglied zwischen „strong religion“ und „soft religion“ sei somit rigorose Geist- und Vernunftfeindlichkeit.
Buchholz erinnert an theologische Impulse aus dem katholischen wie protestantischen Bereich, an Gestalten wie Karl Rahner und Rudolf Bultmann, die das Gut des Glaubens bewahren und zugleich nicht auf eine vernünftige Reflexion desselben verzichten wollten. Der Autor empfiehlt einen „kleinen Glauben“, der mitnichten ein „Kleinglaube“ sei, sondern vorsichtig und behutsam, vernunftgemäß, realitätsbewusst und weltoffen.
Ein religiös emanzipierter, aber nicht von der Religion emanzipierter Mensch heute lebt zumeist vor dem Horizont einer zerbrechlichen Gotteserfahrung, die ihn gleichwohl vor den falschen Versprechungen der „strong religion“ oder „soft religion“ schützt. Er darf als gläubiger Mensch zweifeln. Der Glaube in der modernen Welt bedarf der vernünftigen Prüfung, um nicht im Strudel des Fanatismus zu versinken. Jedoch verkümmert die Vernunft ohne Bezug zum Glauben zu einem Instrument der praktischen Lebensbewältigung und bloß machtbewussten Weltbeherrschung. Thorsten Paprotny