Seinen Ruhm hat Stephen Hawking als kosmologischer Denker erworben, vor allem mit seinen Arbeiten zu Schwarzen Löchern und einer damit zusammenhängenden speziellen Weltraumstrahlung, die seitdem seinen Namen trägt. Einer größeren Öffentlichkeit bekanntgeworden ist er aber durch etwas anderes: Stephen Hawking konnte komplizierte Physik spannend und verständlich erklären. Seine populärwissenschaftlichen Bücher wie „Eine kurze Geschichte der Zeit“ wurden weltweite Bestseller. Dass er zum Medienstar der Wissenschaft wurde, hatte wohl auch mit seiner Behinderung zu tun. Bereits in den sechziger Jahren sagten ihm die Ärzte, er würde aufgrund einer Nervenkrankheit nur noch wenige Jahre leben. In den achtziger Jahren verlor er die Fähigkeit zu sprechen und war zur Kommunikation auf einen Sprachcomputer angewiesen.
Die Welt bedarf keines Schöpfers
Stephen Hawking glaubte, mit der modernen Physik die Frage beantworten zu können, ob Gott existiert oder nicht. Sein Ergebnis war, dass kosmologisch gesehen die Welt in sich geschlossen ist und keines Schöpfers bedarf. Die Welt sei entstanden, nur weil es Gravitation gebe. Und sie ist durch Naturgesetze bestimmt, die Transzendenz nicht vorsehen. Diese These hat er 1981 auch auf einer Konferenz im Vatikan vertreten, was erhebliche Medienwirksamkeit mit sich gebracht hat. Hawking, Mitglied der Päpstlichen Akademie der Wissenschaften, ist dieser Ansicht zeit seines Lebens weitgehend treu geblieben.
Für Christen und auch andere Gläubige ist das existenziell: Kann man die Existenz Gottes wissenschaftlich beweisen oder widerlegen? Wie verhalten sich wissenschaftliche Rationalität und religiöser Glaube zueinander? Können Physiker über die Gottesfrage wissenschaftlich entscheiden?
Hierzu müssen die Gottesfrage und die Physik für sich betrachtet und dann in Beziehung gesetzt werden. Eine Gemeinsamkeit von Gottesverständnissen ist ihr Bezug auf Transzendenz, zumindest in den monotheistischen Religionen. Ein Gottesbild ohne Transzendenzvorstellungen ist ein Widerspruch in sich selbst. Gottesbilder zielen auf ein Sein hinter den und jenseits der empirisch erfassbaren Wirklichkeiten. Ansonsten bräuchte man sie nicht.
Physik als empirische Wissenschaft – das gilt analog auch für Chemie und Biologie – kann sich nur auf das der Welt Immanente beziehen. Die Schwarzen Löcher und die Hawking-Strahlung beispielsweise sind Bestandteile dieser Welt und können mit Messgeräten erfasst werden. Auf Basis ihrer begrifflichen, methodischen und messtheoretischen Grundlagen verschafft die Physik uns vielfältiges Wissen über die Welt. Sie hat aber keine Messgeräte für Transzendentes. Ihre Leistung vollbringt sie in der analytisch-empirischen Immanenz dieser Welt unter Ausblendung alles Transzendenten.
Wenn die Gottesfrage nun aber notwendig mit Transzendenzvorstellungen verbunden ist, während die Wissenschaften in der Immanenz der Welt arbeiten, können diese nichts über Gott aussagen. Auch umgekehrt kann aus religiösen Überzeugungen nicht auf die empirische Verfasstheit der Welt geschlossen werden, wie dies manche religiöse Fundamentalisten versuchen, etwa zur Evolutionstheorie.
Der Irrtum des Physikers
Der Irrtum von Stephen Hawking und vielen anderen liegt darin, nicht zu sehen, dass das Ignorieren von Transzendenz eine methodische Ausgangsvoraussetzung der Physik ist. Physik arbeitet so, als ob es keine Transzendenz gäbe. Die Welt wird als kausal geschlossen vorgestellt. Entscheidend ist nun, dass auf Basis dieser Annahme gar nichts mehr zur Gottesfrage gesagt werden kann, weil jede Möglichkeit von Transzendenz bereits von vornherein ausgeschlossen wurde. Der deutsche Philosoph Holm Tetens hat in seinem Buch über Rationale Theologie dargelegt, dass empirische Wissenschaft, wenn sie auf Basis eines derartigen methodischen Atheismus die Existenz Gottes widerlegen will, zu nichts weiter als einem leeren Zirkelschluss kommt. Es wird nur das bewiesen, wovon man methodisch ausgegangen ist.
Vergangene Woche ist Stephen Hawking gestorben. Kein Mensch weiß, ob er heute anders über die Existenz Gottes denkt.