Was ein „Super-GAU“ ist, weiß inzwischen jeder. Das Wort meint ursprünglich ein gigantisches Unglück mit nuklearer Sprengkraft und Strahlungsgefahr. Doch längst ist der Begriff umgangssprachlich zum Kennwort für befürchtete oder schon eingetroffene Katastrophen geworden, für Einschnitte, die alles verändern. Gibt es so etwas auch für Ereignisse am entgegengesetzten Pol, bei Explosionen des Schönen und ihrer Ausstrahlung? Was sagen wir, wenn wir vor Glück platzen, gar sterben möchten?
Aus solcher Sprachnot von Menschen, die vom Glück schier überwältigt sind, sind die biblischen Schriften entstanden. Gewiss, die Texte sind auch Zeugnisse kollektiver Trauerarbeit. Es werden darin, redend und schreibend, schockierende Schicksalseinschläge bewältigt: der „Super-GAU“ des babylonischen Exils in der hebräischen Bibel, der Kreuzestod Jesu im Neuen Testament. Aber welches Mega-Glück, gerade darin die Kraft Gottes zu entdecken, die rettende Gegenwart seiner Treue! Wir wissen nicht, was aus den panisch fliehenden Jesusjüngern todesmutige Zeugen seiner Wahrheit machte. Aber dass etwas passiert ist, was alle bisherigen Rahmen sprengte, daran gibt es keinen Zweifel. Wie eine Bombe hatte es eingeschlagen, das unfassbar große Glück, das alle Erwartungen und Verheißungen sprengt (vgl. 1 Kor 2,9). Deshalb nutzte man alle damals verfügbaren Hoffnungsworte und Bilder, um das große Glück mit Jesus, dem Gottesgeschenk schlechthin, auch sprachlich irgendwie zu fassen: Wiederkunft, Auferweckung, Auferstehung, Erhöhung, Himmelfahrt. Die Bibel ist das Dokument einer größtmöglichen Beglückung, dankbarster Gottesentdeckung im neuen und ewigen Bund. Das ganze Neue Testament ist ein symphonischer Jubilus auf die definitiv gelungene Todes-Zähmung, den Durchbruch zur Fülle des Lebens: Dank (Eucharistia) und Hymnus geben den Ton an und bilden das Vorzeichen für die Musik des Glaubenslebens.
„Tod, wo ist dein Stachel?“, fragt Paulus frech. Heute jedoch kommt wenig von dieser österlichen Siegesgewissheit noch rüber. Wo ist das Osterlachen geblieben? Warum wirkt die Sache mit Gott wie ein Fremdkörper, ohne Bezug zur allgegenwärtigen Glückssehnsucht? Warum sind Christsein und Glaube „kein umwerfendes Glück mehr“, wie schon die Mystikerin Madeleine Delbrêl beklagte? Deren Faszination rührt genau aus ihrem Gottesfund, zeitlebens verstand sie sich fortan als Glückspilz der Extraklasse – und das mitten in den ganz normalen Härten des alltäglichen Lebens. „Lesend und betend habe ich Gott gefunden. Aber indem ich betete, habe ich geglaubt, dass Gott mich gefunden hat und dass er die lebendige Wahrheit ist und dass man ihn lieben kann, wie man eine Person liebt.“ Dieses Osterglück wurde von ihr in der kleinen Münze des Alltags gelebt und hat sich darin bewährt: als unermüdliche Hoffnung, dass Veränderung zum Guten möglich ist; als tägliche Anbetung und ständiger Dank, als tätiger Widerstand und gastfreundliches Entgegenkommen – immer und überall mit dem österlichen Wasserzeichen einer unverwüstlichen Zuversicht.