Die Kirchen sind trotz ihrer eingeschränkten diplomatischen Möglichkeiten eine nicht zu unterschätzende Stimme der Vernunft angesichts des syrischen Kriegs. Nach den Luftangriffen der Amerikaner und der mit ihnen verbündeten Franzosen und Briten gegen die reguläre syrische Armee hat der Moskauer Patriarch Kyrill mit Papst Franziskus sowie den Patriarchen weiterer orthodoxer Kirchen telefoniert, um über die extrem verwickelte Lage zu beraten.
Das Überleben gerade auch der syrischen Christen hängt wesentlich von der künftigen Machtkonstellation im Land ab. Sie fürchten die Machtübernahme dschihadistischer Kämpfer als grausame „Alternative“ zum autokratischen Regime Baschar al-Assads, der vom Westen mit seinen geschichts- und kulturblinden Vorstellungen von „Demokratisierung“ ganz anders strukturierter Gesellschaften bekriegt wird. Assad wiederum kämpft mit allen Mitteln um den Erhalt seiner Herrschaft. Er nimmt dafür tödliche „Nebenwirkungen“ auf Teile der eigenen Zivilbevölkerung in Kauf. Die Ausmaße sind besonders verheerend, wenn zum Beispiel Giftgas gegen dschihadistische Milizen eingesetzt wird, was bei Redaktionsschluss noch nicht einwandfrei nachgewiesen war. Die Bewohner der Kampfzonen werden andererseits von den radikalislamischen Kriegern und sonstigen Rebellenverbänden auf perfide Weise als „Schutzschilde“ missbraucht, um aus der Deckung der zivilen Wohnorte bestialische Angriffe führen zu können. Seltsamerweise wird das in den westlichen Medien kaum thematisiert. Diese prangern nahezu gleichförmig fast ausschließlich die Verbrechen Assads an.
Die Kirchenführer beurteilen die dramatische Lage anders. Die drei in Damaskus residierenden Patriarchen von Antiochien, der griechische orthodoxe Youhanna X., der syrische orthodoxe Ignatius Aphrem II. und der melkitische (griechisch-katholische) Joseph Absi haben gemeinsam die – wie sie es sehen – „brutale Aggression der USA, Frankreichs und Großbritanniens gegen unsere geliebte Heimat“ verurteilt. Die Kirchenführer danken ausdrücklich der Armee ihres Landes, deren Aufgabe es sei, den „externen und internen terroristischen Aggressionen“ entgegenzutreten und dafür zu sorgen, dass der „syrische Boden von Terrorismus gereinigt“ werde.
Der vatikanische Nuntius in Damaskus, Kardinal Mario Zenari, hat sich im Unterschied zu den einseitigen Schuldzuweisungen des Westens zurückhaltend geäußert: Die Lage sei „überaus delikat“. Bedauerlich sei vor allem die Uneinigkeit im Weltsicherheitsrat der Vereinten Nationen. Die syrischen Christen scheinen trotz vielfacher Abneigung gegen Assad die russischen Einsätze als „Befreiung“ zu erleben, wenn dadurch die Dschihadisten aus den besetzten Stadtteilen wie dem Damaszener Vorort Duma vertrieben werden.