Wenn warmes Wetter die Menschen wieder mehr Haut zeigen lässt, wird sichtbar, wie explosionsartig sich die Tattoo-Mode unter Männern wie Frauen ausgebreitet hat, was einst vor allem Matrosen und Kriminelle kennzeichnete. „Sich herauszuheben, mag eine Rolle spielen“, schreibt der Frankfurter Soziologe Tilman Allert im „Frankfurter Allgemeine Magazin“. Aber was ist das Besondere, wenn inzwischen fast „alle“ Tattoos haben? Allert vermutet, „dass Tattoos in dem Maße zunehmen, in dem das Erzählen zugunsten der Bilder abnimmt. Wird das historische Denken entwertet und büßen die Religionen als die großen Narrative (Erzählungen; d. Red.) des Trostes und der Zuversicht ihre Überzeugungskraft ein, wird kosmischen Kausalitäten mehr Glauben geschenkt, als man dies angesichts des Rationalitätsverständnisses der Moderne erwarten würde.“ Der Soziologe sieht in den Hautbildern eine Methode, „die der Schicksalhaftigkeit des Lebens Respekt zollt“. Das Tattoo soll nicht nur kleiden, sondern auch vor einem bösen Schicksal bewahren. Es sei ein Bildnis „gegen das Ausgeliefertsein“. „Die Magie kehrt zurück. Im Streit mit Glaube und Wissen gewinnt sie an Boden.“