Schon 1970 entwickelte der britische Ökonom Anthony B. Atkinson eine Formel, die später nach ihm selbst benannt werden sollte: das bis heute verwendete „Atkinson-Maß“. Es vermag, die Ungleichheit von Einkommen oder Vermögen innerhalb einer Gesellschaft anzugeben. 45 Jahre später war Atkinson, der 2017 gestorben ist, noch immer davon angetrieben, Ungleichheit zu erforschen und vor allem: Wege zur Verringerung aufzuzeigen.
In seinem letzten Buch wandte er sich nicht an die Fachöffentlichkeit, sondern an ein breiteres Publikum, an „Laien mit einem Interesse für Wirtschaft und Politik“, die er zum Handeln ermutigen will. Laut Atkinson ist wachsende Ungleichheit in einer Gesellschaft „nicht das Ergebnis von Kräften, die unserer Kontrolle entzogen sind“, und daher auch nicht als unvermeidlich hinzunehmen. Der Autor strebt aber keinen radikalen Systemwechsel an, sondern eine Veränderung des bestehenden Wirtschafts- und Sozialsystems. Da dieses bereits früher imstande gewesen sei, soziale Ungleichheit zu verringern, gelte es, aus diesen Phasen für heute zu lernen. „In den Achtzigerjahren des 20. Jahrhunderts verloren die Ausgleichsmechanismen … ihre Wirkung und schlugen in ihr Gegenteil um. Das nenne ich die ‚Ungleichheitswende‘.“ Ihr müsse entgegengesteuert werden.
Nach einer Analyse verschiedener Arten von Ungleichheit konzentriert sich Atkinson auf die der Einkommen. Darauf folgen fünfzehn konkrete „Vorschläge zum Handeln“ für Gesellschaft wie Politik. Atkinson ist sich bewusst, dass der Ruf nach einer starken Ordnungspolitik, nach garantierten öffentlichen Arbeitsplätzen zu Mindestlohn, nach nationaler Lohnpolitik und einer öffentlichen Investitionsbehörde nicht nur Begeisterung auslöst. Durch höhere Steuern zu finanzierende Maßnahmen wie eine individuelle Kapitalausstattung bei Volljährigkeit („Mindesterbe“), ein „Partizipationseinkommen“ (in Abwandlung eines bedingungslosen Grundeinkommens) oder die Einführung staatlicher Sparbriefe mit einem „garantierten positiven Realzinssatz“ rufen selbstverständlich Kritiker, ja Gegner auf den Plan, die nicht zuletzt die Schmälerung ihrer ökonomischen Interessen fürchten müssten. Darum nimmt Atkinson im dritten Teil schon viele der erwartbaren Kritikpunkte vorweg: „Kann es gelingen?“
Nicht jeder wird ihm in der positiven Antwort folgen. Auch fordert die Lektüre den wirtschaftlichen Laien stärker, als dem Autor vielleicht bewusst war. Die vielmals selbst zu leistende Übertragung britischer Zusammenhänge auf die deutsche Situation kommt noch dazu. Doch wer sich darauf einlässt, wird mit zahlreichen Erkenntnissen und Anregungen eines engagierten, optimistischen und am Wohl der Menschen orientierten Ökonomen belohnt.