Interview mit Ewald VolggerTheologie für die Gegenwart

Was beschäftigt Lehrer und Lehrerinnen der Theologie? In dieser Reihe antworten Theologinnen und Theologen aus verschiedenen Fachrichtungen und Hochschulen, was sie persönlich und im Beruf bewegt.

Ewald Volgger, Professor für Liturgiewissenschaft und Sakramententheologie an der katholischen Privat-Universität in Linz. Geboren 1961 in Bruneck / Südtirol. Studium in Brixen, Wien und Oxford. Seit 1994 Dozent an der Philosophisch-Theologischen Hochschule in Brixen und seit 2003 in Linz. Promotion über die Geschichte des Karfreitags bis in die karolingische Zeit. Mitglied in vielen nationalen und internationalen Kommissionen für Liturgie in Österreich und Deutschland, zuletzt maßgebliche Mitarbeit am neuen „Gotteslob“. Als Mitglied seiner Ordensgemeinschaft arbeitet er derzeit am Forschungsprojekt „Die Umsetzung von Perfectae caritatis im Deutschen Orden“.

Veröffentlichungen in Auswahl: Monografien: „Urne wie Sarg? Zur Unterscheidung zwischen Erd- und Feuerbestattung“ (hg. mit Florian Wegscheider, Regensburg 2018); „Erzherzog Maximilian Joseph von Österreich-Este. Hochmeister – Festungsplaner – Sozialreformer – Bildungsförderer“ (Hg., Linz 2014); „Liturgie und Versöhnung. Wege des Heils“ (hg. mit Albert Urban, Trier 2011). Weitere Veröffentlichungen: „50 Jahre ‚Musicam Sacram‘“, in: Theologisch-Praktische Quartalschrift 165 (2017); „Die neue liturgische Raumgestaltung des Linzer Domes“, in: Theologisch-Praktische Quartalschrift 165 (2017); „Nicht wie Außenstehende und stumme Zuschauer – Angelo G. Roncalli (Johannes XXIII.) als ein Pionier der Liturgischen Bewegung“, in: Severin Lederhilger, Ewald Volgger (Hg.): „Contra spem sperare. Aspekte der Hoffnung“ (Festschrift für Bischof Ludwig Schwarz, Regensburg 2015); „Bewusste und tätige Teilnahme. Trauung liturgietheologisch neu bedacht“, in: Linzer Philosophisch-Theologische Beiträge 28 (2013); „Die Prophetie des friedliebenden Menschen. Biografische und spirituelle Anstöße zur großen Friedensenzyklika ‚Pacem in terris‘ und ihre bleibende Gültigkeit, in: Theologisch-Praktische Quartalschrift 161/4 (2013); „Liturgiesprache, die sich wandelt“, in: Benedikt Kranemann; Stephan Wahle (Hg.), „…Ohren der Barmherzigkeit. Über angemessene Liturgiesprache“ (Freiburg 2011).

Was ist Ihr Lieblingsort?

Einen wirklichen Lieblingsort habe ich nicht. Aber ich liebe die Berge, je höher desto besser. Wenn ich die Gipfel der Dreitausender besteige, kann ich gut Leben und Wirken bedenken, weil ich vieles auch im Tal lassen kann und Abstand gewinne.

Woran forschen Sie gerade?

Außer anderen Anliegen gehe ich gerade der Frage nach, was Einäscherung und Urnenbestattung von dem Begräbnis mit Erdbestattung unterscheiden. Anders als andere Kulturen kennen wir ja die Feuerbestattung traditionell nicht. Sie erscheint daher wie die Vernichtung des Leichnams. Im Anschluss wird dann die Urne bestattet und dabei oftmals wie ein Sarg behandelt. Doch die „Asche“ kann nicht in gleicher Weise das Realsymbol eines Menschen sein, wie es der Leichnam ist.

Mit welcher Person aus Gegenwart und/oder Geschichte würden Sie gern einmal diskutieren? – Worüber?

Mit Sokrates und Platon, Augustinus und Thomas von Aquin an einem Tisch zu sitzen, wäre schon eine feine Sache. Dabei würde mich besonders interessieren, wie die großen Denker der Vergangenheit heute Fragen nach der Würde des Menschen diskutieren, ihre Unantastbarkeit und zugleich die großen ethischen Fragen der Weltpolitik in den Blick nehmen.

Meine aufregendste Bibelstelle…

Die Erzählung vom brennenden Dornbusch bewegt mich immer wieder neu. Zuletzt hat mich der erste Johannesbrief beschäftigt, weil dort deutlich wird: „Der Geist ist Wahrheit“ (5,6). Wenn Geist die lebendige Beziehung von Vater und Sohn ist, in die wir Vertrauende hineingenommen werden, dann ist die Frucht dieser Beziehung die Wahrheit, die dem Leben dient.

Mein „Herzens“-Gebet…

Wenn ich mit meinem inwendigen Lehrer und Meister ins Gespräch komme und mit ihm in der Stube des Herzens verweile, beginne ich in der Regel: „Halte liebend Ausschau nach mir und bewege alles zum Guten, mein Herr und mein Gott.“

Was ist für Sie das drängendste theologische Problem der Gegenwart?

Eine aktualisierende Theologie des Amtes, welche auch die Geschlechterfrage mit einschließt.

Welchen Atheisten schätzen Sie?

Ich habe unter meinen Freunden einen, der von sich behauptet, dass er Atheist ist. An ihm schätze ich seine Menschenfreundlichkeit und sein Nachsinnen über wichtige Fragen des Lebens, seine offene Art, miteinander ins Gespräch zu kommen, und zugleich den Respekt, den er mir als Priester entgegenbringt.

Wann waren Sie zuletzt im Kino? In welchem Film?

Im vergangenen Jahr habe ich zuletzt den bedrückend-beeindruckenden Film „Nebel im August“ gesehen, der auf der wahren Geschichte des dreizehnjährigen Ernst Lossa beruht. Der Junge wurde Anfang der vierziger Jahre in eine Euthanasieanstalt der Nazi abgeschoben. Dort erkennt er das unmenschliche Vorgehen des Arztes und lehnt sich mit einer Ordensschwester dagegen auf.

Und im Theater?

Das Stück von Felix Mitterer über den seligen Franz Jägerstätter wurde nach Wien nun auch in Linz inszeniert. Das Stück zeichnet ein Lebensbild von Jägerstätter nach, der sich weigerte, den Eid auf Hitler abzulegen und für ihn in den ungerechten Krieg zu ziehen. Dafür wurde er hingerichtet.

Welche Musik hören Sie gern?

Ich liebe vieles in der Musik, höre gerne klassische Musik mit Soloinstrumenten, daneben aber auch Jazz oder Country-Music. Von Felix Mendelssohn Bartholdy sind mir „Elias“ und „Paulus“ sehr ans Herz gewachsen. Arvo Pärt schätze ich sehr.

Welches nicht theologische Buch lesen Sie momentan?

„Die Drachenwand“ von Arno Geiger war mir wichtig, weil es auch vom Schicksal meines Vaters spricht. Derzeit lese ich „Judas“ von Amos Oz, eine wertvolle Reflexion zur Entwicklung des Staates Israel und wie Jesus und Judas aus jüdischer Perspektive gesehen werden. Dann greife ich gerne zu Klassikern, zum Beispiel Fjodor Dostojewskijs „Der Idiot“, wo Fürst Myschkin fragt: „Wozu haben die Menschen die Sprache?“

Und welches theologische Werk?

Die Vorträge von Ermes Ronchi für die Exerzitien des Papstes und der römischen Kurie 2016: „Die nackten Fragen des Evangeliums“. Die Meditationen sind spirituell angelegt, werden aber dann zu einer biblischen Theologie der Menschenfreundlichkeit von besonderer Güte.

Wer ist Ihr theologisches Vorbild?

Nach wie vor ist mein theologischer Lehrer Hansjörg Auf der Maur ein Leitbild für mich: nüchtern und auf das Wesentliche konzentriert, die Texte der Bibel und der Tradition im Blick, um Theologie und Leben heute zu befruchten.

Welcher Kirchenbau, welcher Kirchenraum gefällt Ihnen am besten?

Neben vielen Neubauten fasziniert mich die Neugestaltung der Moritzkirche in Augsburg durch den Architekten John Pawson mit ihrer Lichtführung, dem Verzicht auf das Viele, das früher den Raum füllte, und damit die Reduktion auf das Wesentliche. Gerne gehe ich auch der Frage nach, wie andere Religionsgemeinschaften ihre Räume gestalten. So inspiriert mich zum Beispiel das Buch von Phyllis Richardson, „Neue sakrale Architektur. Kirchen und Synagogen, Tempel und Moscheen“ (München 2004).

Was – wo – war Ihr schönstes Gottesdiensterlebnis?

1980 hatten wir in Bozen am Waltherplatz einen Gottesdienst im Rahmen des Bekenntnistags der Jugend, der mir bleibend in Erinnerung geblieben ist. Daneben ist auch noch die Feier der drei österlichen Tage im Jugendbildungshaus Lichtenburg, wo ich mit siebzehn Jahren daran teilnehmen und diese mitgestalten konnte, prägend in Erinnerung geblieben.

Wovor haben Sie Angst?

Vor den intensiver aufkeimenden Nationalismen und der Abgrenzung gegenüber fremden und hilfebedürftigen Menschen.

Worauf freuen Sie sich?

Auf die Begegnung mit Menschen, auf wertvolle Gespräche, auf die Stille insbesondere in der Natur.

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