KommunionstreitÖkumene am Scheideweg

Rom hat nun doch gesprochen – und will selber entscheiden, ob und wie evangelische Partner in konfessionsverschiedenen Ehen zur Kommunion gehen dürfen.

Es sollte eine Frucht des ökumenisch gelungenen Reformationsgedenkens 2017 sein und mehr noch eine pastorale Hilfe für die vielen tausend Ehepaare, die in einer konfessionsverbindenden Ehe leben: eine „Handreichung“ der deutschen Bischofskonferenz, die einen Weg zeigt, wie evangelischen Eheleuten die Kommunion „erlaubt“ gespendet werden kann, wenn sie glauben, was sie im Gottesdienst feiern.

Einstimmig war die Entscheidung nicht. Sieben Bischöfe haben in Rom interveniert. Im Mai hat dort ein Gespräch mit Bischöfen aus Deutschland und den Chefs der Glaubenskongregation und des Ökumene-Rates stattgefunden. Zuerst hieß es in einer gemeinsamen Presseerklärung, der Ball liege wieder bei der Bischofskonferenz, die sich um eine möglichst einmütige Lösung kümmern solle. Aber Ende Mai wurde ein Brief an den Vorsitzenden der Bischofskonferenz abgesandt, in dem der Präfekt der Glaubenskongregation, Luis Ladaria, mitteilt, der Papst halte die „Handreichung“ nicht für veröffentlichungsreif, weil noch drei Punkte geklärt werden müssten: Erstens handle es sich um eine Frage des Glaubens, die nicht ohne Rom entschieden werden könne; zweitens seien die ökumenischen Auswirkungen auf die Beziehungen zu anderen Kirchen zu ermitteln; drittens müsse in Rom der Bezug auf Kanon 844 des kirchlichen Gesetzbuches überprüft werden, der in einer schweren Notlage ausnahmsweise die Spendung der Kommunion auch an Nichtkatholiken erlaubt. Dieser Kanon, der als Beispiel Todesgefahr nennt, wird traditionell eng ausgelegt. Laut Presseberichten hat die Bischofskonferenz aber eine Öffnungsklausel von Johannes Paul II. genutzt, der von einer „geistlichen“ Notlage gesprochen und sie auf diejenigen Eheleute bezogen hat, die in ihrem Glauben Schaden nehmen könnten, wenn ihnen, obgleich sie es sehnlich wünschen, die Kommunion nicht gespendet werden dürfte.

Das Heil der Seelen

Nach allem, was bekannt geworden ist, hat die „Handreichung“ weder eine generelle Zulassung evangelischer Christen zur katholischen Eucharistie ausgesprochen noch eine wechselseitige „Interkommunion“ erlaubt. In der Kritik und in den Medien wird es aber oft so vermittelt. Die Verwirrung ist groß.

Die Eckpfeiler sind in der katholischen Lehre klar. Sie werden auch in der „Handreichung“ sorgfältig beachtet: Grundsätzlich sollen die Gläubigen jeweils in der eigenen Kirche zur Kommunion beziehungsweise zum Abendmahl gehen. Denn Eucharistie und Kirche gehören zusammen. Das evangelische Modell einer „eucharistischen Gastbereitschaft“ setzt auf das Argument, Jesus Christus selbst sei es, der zum Mahl lädt – die Kirche dürfe niemanden ausschließen. Für die katholische Kirche ist es ebenfalls Jesus Christus selbst, der zur Eucharistie einlädt – aber durch seine Kirche und in seine Kirche. Deshalb ist es katholische Lehre, dass es einer Einigung im Verständnis von Kirche, Eucharistie und Amt bedarf, bevor Interkommunion praktiziert werden kann. An einem ökumenischen Konsens wird zwar gearbeitet; er ist auch durchaus vorstellbar – aber erklärt ist er nicht.

Das bedeutet jedoch nicht, dass sich gar nichts bewegen kann, wenn sich nicht alles verändert hat. Der Zusammenhang zwischen Kirche und Eucharistie ist nach reiner katholischer Lehre nicht exklusiv. Wäre es anders, dürfte es überhaupt keine Ausnahmen geben. Das kirchliche Gesetzbuch sieht sie aber vor, weil das Heil der Seelen wichtiger ist als die Lehre der Kirche über die Sakramente. Es gilt der ungeschriebene Grundsatz, dass niemand an der Kommunionbank zurückgewiesen wird, es sei denn, die Spendung würde ein öffentliches Ärgernis erregen. Das katholische Kirchenrecht erklärt sogar, dass Mitglieder orientalischer Kirchen, wenn sie glauben, kommunizieren dürfen, ohne dass sie den Papst als Oberhaupt der Kirche anerkennen müssen.

40 Prozent katholisch-evangelisch

Die deutschen Bischöfe haben aus gutem Grund keine allgemeine Regelung getroffen, sondern sich auf einen ganz bestimmten Fall konzentriert: eine konfessionsverbindende Ehe, und sie haben auch hier kein Pauschalurteil gefällt, sondern aufgerufen, jeden einzelnen Fall zu betrachten. Vierzig Prozent aller kirchlichen Trauungen in Deutschland sind katholisch-evangelisch. Für die katholische Kirche ist die Ehe ein Sakrament. Die Ehe ist eine Kirche im Kleinen. Zwar ist der Empfang der Kommunion immer noch eine Frage des Glaubens – auch bei Katholiken –, aber wer die Eucharistie evangelischen Eheleuten prinzipiell verweigern will, hat die Beweislast zu tragen. Die „Handreichung“ will einen Weg des seelsorglichen Gespräches bahnen, auf dem klar wird, ob die Betroffenen guten Gewissens zur Kommunion gehen können oder es lieber bleiben lassen.

Vor Ort ist das Problem weithin keins mehr. Die meisten gehen, auch mit Wissen des Pfarrers, zur Kommunion. Andere halten sich zurück. Manche haben aber Angst, abgewiesen und bloßgestellt zu werden. Es muss Klarheit geschaffen werden. Die Bischöfe haben mit einer Dreiviertelmehrheit einen kleinen Durchbruch geschafft.

Der Brief aus Rom wird die Situation nicht beruhigen, sondern die Debatte anheizen. Tatsächlich ist das Schreiben ein Schuss vor den Bug der Bischofskonferenz. Die Zentrale macht ihre Rechte geltend. Wie sich der Vorgang mit dem erklärten Ziel von Papst Franziskus verträgt, die nationalen Bischofskonferenzen zu stärken, bleibt vorläufig unklar. Freilich heißt es, kühlen Kopf zu bewahren. Im Brief des Präfekten steht, dass die „Handreichung“ Fragen des Glaubens „berührt“. Es steht dort nicht, dass es sich um eine im Kern dogmatische Frage handele. Luis Ladaria schreibt, der Verstoß habe „Auswirkungen“ auf andere Kirchen und Gemeinschaften, die „nicht zu unterschätzen“ seien. Er behauptet nicht, dass sie den pastoralen Weg der „Handreichung“ unmöglich machten. Die deutschen Bischöfe lesen, ihre „Handreichung“ betreffe das „Recht der Kirche“ und werfe „offene Fragen“ auf. Sie lesen nicht, dass die Fragen schon längst, und zwar negativ, beantwortet wären. Der Kernsatz lautet: Die „Handreichung“ sei „nicht reif zur Veröffentlichung“. Er lautet nicht, dass sie mit dem katholischen Glauben nicht vereinbar sei.

Wenn der Brief also präzise formuliert ist, eröffnet er Möglichkeiten konstruktiver Weiterarbeit, die im günstigen Fall nicht nur in Deutschland, sondern weltweit größere Klarheit schaffen, im ungünstigen Fall aber die Kluft zwischen dem Lehramt und der Praxis der allermeisten Gläubigen vertiefen.

Wenn konstruktiv weitergearbeitet wird, stellen sich Aufgaben auf inhaltlicher und kommunikativer Ebene. Auf inhaltlicher Ebene muss geklärt werden, ob der eucharistische Glaube der katholischen Kirche in der bisherigen „Handreichung“ gut genug dargestellt worden ist oder noch besser erläutert werden muss, so dass die Interessierten sich ein Urteil bilden können, und ob die Erlaubnis, die in den genannten Einzelfällen ausgesprochen werden kann, den Zusammenhang zwischen Kirche und Eucharistie deutlich genug wahrt. Es muss sondiert werden, ob die Orthodoxie vor den Kopf gestoßen wird, wenn die Öffnungsklausel für evangelische Eheleute greift. Das wird entscheidend von der Frage abhängen, ob es gelingt, das den östlichen Kirchen wohlvertraute Instrument der „Epikie“, der genauen Einzelfallbetrachtung, zu vermitteln, das in der Handreichung angewendet wird. Es muss verständlich gemacht werden, dass die deutschen Bischöfe keine „Partikularnorm“ mit wasserdichten Formulierungen angestrebt haben, die das kirchliche Gesetzbuch auslegen, sondern so etwas wie einen pastoralen Leitfaden, der die „schwere geistliche Notlage“ auf den besonderen Fall konfessionsverbindender Ehen anwendet. Wenn es nun tatsächlich eine Gesetzesnovelle gäbe, die den Fall pastoral klug behandeln lässt: umso besser.

Rom muss jetzt liefern

Aufgaben stellen sich aber auch auf kommunikativer Ebene: Will Rom allein entscheiden? Werden die deutschen Bischöfe in die Entscheidungsprozesse einbezogen? Wie lange soll der gegenwärtige Schwebezustand dauern? Die Entscheidung darf nicht auf die lange Bank geschoben werden. Die Diskussion über die „Handreichung“ ist in der Welt. Die betroffenen Eheleute, die im römischen Schreiben mit keiner Silbe erwähnt werden, haben ein Recht darauf, möglichst bald Klarheit zu haben – um ihre Konsequenzen zu ziehen.

Wenn die gegenwärtige Krise irgendetwas Gutes haben soll, muss einiges getan werden, und zwar entschieden und schnell: in Rom, von der deutschen Bischofskonferenz, für die Ökumene und mit den Gläubigen. Im Vatikan haben sich die zuständigen Stellen selbst unter Druck gesetzt. Rom muss jetzt liefern. Rund um den Petersdom ist zu hören, der Papst wünsche nicht noch einmal solche Turbulenzen wie nach „Amoris Laetitia“, dem Schreiben nach der Familiensynode, das im anders gelagerten Fall der wiederverheirateten Geschiedenen das Gewissensurteil stärkt. Umso wichtiger ist jetzt eine klare und einvernehmliche Stellungnahme, die nicht Pastoral gegen Dogma ausspielt, sondern den Primat der Praxis würdigt und dem Spürsinn des Gottesvolkes traut, den die Internationale Theologische Kommission des Vatikan vor wenigen Jahren beschrieben hat.

In der Bischofskonferenz ist viel Porzellan zerschlagen worden. Für die Gläubigen ist es wichtig zu sehen, wo ihre Bischöfe stehen. Diese haben die Aufgabe, die pastoralen Fragen aufzugreifen und zu beantworten, die sich vor Ort stellen. Sie müssen auch einmal etwas riskieren. Im Brief aus Rom steht, es sei „dem Diözesanbischof das Urteil über die Existenz einer ‚drängenden schweren Notlage‘ zu überlassen“. Diesen Satz kann man als Entmachtung der Bischofskonferenz lesen, man kann ihn aber auch als Ermutigung für die Bischöfe sehen, pastoral aktiv zu werden, wie es für ihre Bistümer angezeigt scheint. Die Bischofskonferenz hat ohnehin kein Recht, in Diözesen hineinzuregieren. Umso wichtiger ist die Konferenz als Organ des wechselseitigen Austauschs, des kontroversen Gesprächs und der möglichst einvernehmlichen Lösung. Von der Aufgabe, den Kommunionstreit beizulegen, ist die Konferenz durch den Brief des Präfekten nicht dispensiert. Die Gläubigen wollen wissen, woran sie sind und was sie an ihrem Papst und ihren Bischöfen haben.

Dem Gewissen folgen

Die gesamte ökumenische Arbeit, an der die katholische Kirche offiziell beteiligt ist, scheint kaum Spuren in der Mentalität und in den Argumenten der Entscheidungsträger hinterlassen zu haben. Es ist ja nicht so, dass über die grundlegenden Fragen im Hintergrund der „Handreichung“ nicht seit Jahrzehnten intensiv gearbeitet worden wäre: über die Rechtfertigung, die Kirche, die Sakramente, die Eucharistie und das Amt. Aber während die ökumenisch Engagierten fest davon überzeugt sind, weit vorangekommen zu sein, sind auf der konservativ katholischen wie der liberal protestantischen Seite die Vorbehalte gewachsen. Mit der „Handreichung“ haben diese Spannungen im Grunde nichts zu tun, weil sie rein innerkatholisch argumentiert und sich jedes Urteils über evangelische Abendmahlstheologie enthält. Sie schafft lediglich Transparenz, wie die katholische Kirche die Feier der Eucharistie sieht, so dass alle urteilen können, ob sie diesen Glauben teilen. Dieser Klärung sollen die seelsorglichen Gespräche dienen.

Aber es wäre weltfremd, die ökumenischen Irritationen nicht sehen zu wollen, die der Vorgang um die „Handreichung“ auslöst. In Rom muss man vor allem darauf ein Auge haben. Allgemeine Beteuerungen, wie sehr man „die intensive Zusammenarbeit mit dem Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland“ anerkenne, reichen nicht.

Die wichtigste Frage ist, wie sich die Gläubigen verhalten sollen – jene, die direkt betroffen sind, und jene, die mit ihnen solidarisch sind. Es kann nur eine Antwort geben: Sie sollen ihrem Gewissen folgen. So hatte es Franziskus selbst einem evangelisch-katholischen Ehepaar in Rom gesagt: „Sprecht mit dem Herrn – und geht weiter.“

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