Die Ernennung eines Kardinals in einem armen Land der Dritten Welt weckt üblicherweise Nationalstolz der Bevölkerung. In Bolivien aber spaltet dieser kirchliche Akt die Gesellschaft und sogar die Bischofskonferenz. Papst Franziskus hat dem bereits 81-jährigen Toribio Ticona Porco die Kardinalswürde zuerkannt, wohl auch um einen Mann zu ehren, der aus einfachsten indianischen Verhältnissen kommt. Doch weil dieser mit dem sozialistischen, ebenfalls aus der indigenen Bevölkerung stammenden Präsidenten Evo Morales sympathisiert, lehnen die bolivianischen Amtsbrüder Ticona ab. Sie stehen seit langem mit Morales „auf Kriegsfuß“ – wie umkehrt dieser mit den meisten Bischöfen, die er als Vertreter des weißen, reichen Establishments betrachtet und sogar gegen Papst Franziskus ausspielt. Dieser wiederum scheint Sympathien für Morales zu hegen. Manche vermuten sogar eine Freundschaft zwischen beiden.
Die Bischofskonferenz hatte erklärt, der neue Kardinal sei nicht die Stimme der bolivianischen Kirche. Daraufhin hat sich die arme Bevölkerung mit Ticona solidarisiert. Die Verbände der Koka-Bauern erklärten ihn zur „höchsten Autorität“ der Kirche Boliviens. Dagegen sei der sonstige Klerus geprägt von „Klassendenken, Rassismus, Diskriminierung und Faschismus“, wie der Verbandsfunktionär der Koka-Bauern Leonardo Loza sagte. Diese Bauern stehen der sozialistischen Regierung besonders nahe.
Toribio Ticona Porco hatte einst in den Silbererzminen von Potosi gearbeitet, um den Lebensunterhalt für seine Familie zu verdienen. Dabei war er dem harten Alltag mit Konflikten und Ausbeutung ausgesetzt. Dann studierte Ticona Theologie, unter anderem in Brüssel, um Priester zu werden. Er wurde Weihbischof in Potosi, später Verwalter der Territorialprälatur Corocoro.
Medien streuten Gerüchte, Ticona habe eine eigene Familie mit Frau und Kindern, was er als böse Verleumdung zurückwies. Auch Boliviens Präsident Evo Morales schaltete sich in den Streit ein. Er sagte, er bekunde „Respekt, Zuneigung und Bewunderung für meinen Bruder Toribio Ticona, Kardinal von Bolivien. Kraft!“ Die Bischöfe und Katholiken der Basis, welche „die Armen verteidigen und mit ihnen arbeiten, sind mit dir“, zitierte die Zeitung „La Razon“ aus einem Tweet des ersten frei gewählten indigenen Präsidenten Lateinamerikas. Ticona sagte über Morales: „Wir sind Freunde im Kampf für die Demokratie.“ Er selber sei während der Diktatur verfolgt worden und könne sich an Märsche mit Morales zum Regierungspalast erinnern.